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Mary Lou McDonald, neue Chefin bei Sinn Féin.

Foto: REUTERS/Clodagh Kilcoyne

Das Gesicht ist neu, weiblich und 20 Jahre jünger – der Rest scheint merkwürdig unverändert. Am vergangenen Wochenende beerbte Mary Lou McDonald (48) den Ex-Terroristen Gerry Adams (69) als Chefin der irischen Nationalistenpartei Sinn Féin. Von Wahl keine Rede: Kein anderer Politiker der von Adams seit 35 Jahren straff geführten Kaderpartei hatte es gewagt, gegen die Kandidatin der Führung anzutreten.

Sie sei "dankbar und demütig", an die Spitze der "ersten und besten Partei Irlands" zu treten, versicherte die Fraktionschefin im irischen Parlament Dáil und nannte als ihr Politikziel den alten Nationalistentraum: "Unsere Insel zu vereinigen ist das beste Ergebnis für all unsere Bürger."

Dabei gilt McDonald eigentlich als Vertreterin einer neuen, moderneren Partei. Mag sein, dass der neuen Chefin der angeblich geplante Umbau Sinn Féins (SF) nur gelingen kann, indem sie den legendären Gründervätern ihre Reverenz erweist.

Historischer Kampf

Deren Kampf gegen die Unterdrückung durch die britische Kolonialmacht führte 1916 zum Osteraufstand und 1921 zur Unabhängigkeit – freilich um den Preis der Teilung der Grünen Insel. Die sechs nordöstlichen Grafschaften, überwiegend von Protestanten bewohnt, verblieben bei London, die Regierung in Dublin regiert seither den Rest des Landes.

Dass Irland irgendwann wiedervereinigt werden solle, stand lange Zeit auch in der Verfassung der Republik. Im Zug des Karfreitagsabkommens, das am 10. April 1998 den 30 Jahre lang andauernden Bürgerkrieg in Nordirland beendete, wurde der entsprechende Passus gestrichen.

In Umfragen geben sich die Südiren da eher zurückhaltend, und die protestantischen Unionisten im Norden wollen davon ohnehin nichts wissen. McDonald meint daher, man müsse "unsere unionistischen Freunde und Nachbarn überzeugen": Sie sollten sich am "Bau eines neuen Irland" beteiligen. Ob dazu die Wiederbelebung der Allparteienregierung in Belfast gehört? Gestern, Montag, reisten jedenfalls die konservativen Premiers Theresa May (Großbritannien) und Leo Varadkar (Irland) nach Nordirland, um dort vor allem der Unionistenpartei DUP unter Arlene Foster sowie SF ins Gewissen zu reden.

Subventionsskandal

Vor 13 Monaten hatte SF seine Minister aus der Belfaster Regionalregierung zurückgezogen. Der Protest richtete sich gegen einen Subventionsskandal, in den Foster verwickelt ist, ebenso wie gegen die generell als arrogant empfundene Haltung der DUP. Womöglich sehen die Linksnationalisten jetzt den Zeitpunkt gekommen, durch die Rückkehr an die Macht in Belfast ihre Regierungsfähigkeit auch in Dublin unter Beweis zu stellen.

Im dortigen Parlament hat sich McDonald seit 2011 den Ruf als schlagfertige und bissige Debattenrednerin erarbeitet. Zuvor war die geborene Dublinerin, studierte Literaturwissenschafterin und verheiratete Mutter von zwei Kindern fünf Jahre Mitglied des EU-Parlaments. In den 20 Jahren ihrer SF-Mitgliedschaft ist die früher stalinistisch und EU-feindlich argumentierende Gruppierung in den Mainstream europäischer Linksparteien gerutscht; beim britischen Referendum trommelte SF für den Verbleib in der EU.

Um bei der Durchsetzung eines "sanften" Brexits zu helfen, müssten die sieben gewählten SF-Abgeordneten eigentlich ihre Sitze im Londoner Unterhaus einnehmen. Dies aber verweigern die Nationalisten aus ideologischen Gründen – und von der Aufgabe dieser Blockade ist auch unter der neuen Chefin nicht die Rede. (Sebastian Borger aus London, 12.2.2018)