Gemeinsamkeiten, Überschneidungen und Differenzen zwischen den Wörtern unserer Sprache treiben Autor Christian Steinbacher im Band "Gräser im Wind" um.

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Wien – Die erste Seite von Christian Steinbachers Buch Gräser im Wind. Ein Abgleich führt in die Thematik ein. Zwei Übersetzungen des Romans L’Herbe/ Das Gras von Claude Simon stehen einander gegenüber. Es ist klar: eine "gedankenvolle, zerstreute Stimme" (Elmar und Erika Tophoven) ist nicht ganz eine "nachdenklich, abwesende Stimme" (Eva Moldenhauer). Aber die Übersetzungen gleichen einander – sind ein: Abgleich. Steinbacher schreibt: "Sumpfgebiet. / Strumpfgebiet / Stampfgebiet / Mampf nicht so!" Ein "Sumpfgebiet" ist kein "Strumpfgebiet" Was soll das überhaupt sein, ein "Strumpfgebiet"?! Vielleicht ist die Wolford AG in Bregenz am schönen Bodensee gemeint? Sozusagen: "Österreichs größtes Strumpfgebiet". Was für ein Abgleich! Ein echter Sprach-Hammer!

Was Christian Steinbacher in seinem Buch tut, nennt er im Untertitel: Ein Abgleich. Der Autor gleicht Wort und Bedeutungen ab, oft so ganz nebenbei. Gewitzte Spruch-Abgleiche bilden einige Kapitelüberschriften im Buch: "Heischende Hunde schlafen nicht", "Schüppel in den Sack" oder "Aus den Fugen, aus dem Sinn". Wie ist das eigentlich bei der Kapitelüberschrift "Hilf mir auf die Sprünge"? Was wäre, wenn einer antwortete: "Was soll ich Dir helfen? Ich weiß ja, dass Du springen kannst." So einen Satz, für den verwirrenden Sprachgebrauch könnte man in Ludwig Wittgensteins Buch Philosophische Untersuchungen finden.

Für die Verzauberung unseres Verstandes

Wittgenstein schreibt: "Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache." Vielleicht ist ja die Literatur, besonders die von Christian Steinbacher, ein Kampf für die Verzauberung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.

Wittgenstein meint, Sprache sei eine "Familie mehr oder weniger miteinander verwandter Gebilde." Das ergibt eine Großfamilie. Christian Steinbacher als Dichter ist sicherlich ein Anhänger der Sprach-Großfamilie. Er weiß aber auch, dass eine Großfamilie kein Hort der Eintracht ist. Zank und Neid sind unverzichtbarer Teil der Familienstruktur. Steinbacher schreibt: "Und der Vergleich macht uns sicher, vermeint uns die Werbung belehren zu müssen: Ja, Wut lässt beben (oder gar beleben?); Zorn aber erzittern (oder gar wittern?)" Wittgenstein nennt es "Familienähnlichkeiten". Steinbacher: "Ein Abgleich".

Ein literarischer Sprachdatenabgleich kann sowohl Gemeinsamkeiten wie auch Überschneidungen wie auch Differenzen von Wörtern, Wortgruppen, Sätzen, ja ganzen Texten genüsslich, frivol, ernsthaft und zum Nutzen der lieben Leser und Leserinnen darbieten. Christian Steinbacher lässt in seinem Buch Gräser im Wind. Ein Abgleich die Sprache selbst zu Wort kommen.

Geglückter Sprach-Abgleich

Die Sprache spricht durch den Mund (durch die Hand) des Autors. Die Sprache liegt da, wie ein offenes Buch. Die Sprache spricht. Das heißt: Kein Mensch lernt eine Sprache, indem ihm jemand zeigt, was ein Hammer ist und dass man dann zu dem Ding da "Hammer" sagt.

Die Sprache spricht. Und wenn man das ernst nimmt, wie es etwa Wittgenstein, aber auch Martin Heidegger getan haben, dann wird man irgendwann zu dem Punkt kommen, wo man sagt: Denken und Sprechen sind eins. Ja: "Das ist ein Hammer!" – aber kein Werkzeug, sondern ein wahrhafter "Abgleich".

Christian Steinbacher schreibt: "Schärfend? Prägend? Dringlich? Dreimal herein, so soll’s jetzt sein: Ja auch ein Einschärfen ist ein Einprägen, aber wohl ein dringlicheres und auch ein eindringlicheres somit." Ja, solch Vergleiche ergeben den sprachlich geglückten Sprach-Abgleich. Ein echter Sprach-Hammer! (Andreas Puff-Trojan, 13.2.2018)