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Enis Berberoğlu bei einem Haftausgang anlässlich des Begräbnisses seines Schwiegervaters 2017.

Foto: AP Photo/Emrah Gurel, File

Ein Istanbuler Strafgericht hat eine langjährige Haftstrafe für den Oppositionspolitiker Enis Berberoğlu in einem neuen Verfahren deutlich verringert, den Schuldspruch wegen Weitergabe von Bildern einer mutmaßlichen Waffenlieferung des türkischen Geheimdiensts an Rebellen in Syrien aber aufrechterhalten. Berberoğlu, ein Abgeordneter der sozialdemokratischen CHP, war im vergangenen Jahr zu 25 Jahren Gefängnis wegen Geheimnisverrats verurteilt worden. Am Dienstag reduzierte ein anderes Gericht die Strafe auf fünf Jahre und zehn Monate. Die Strafverfolgung des Oppositionspolitikers gilt als ein Schlüsselereignis im Niedergang der Demokratie in der Türkei.

Nach seiner Verurteilung im Juni 2017 war Berberoğlu noch im Gerichtssaal verhaftet und in ein Istanbuler Gefängnis gebracht worden, wo er seither sitzt. Oppositionsführer Kemal Kiliçdaroğlu begann daraufhin seinen "Gerechtigkeitsmarsch" zu Fuß von Ankara nach Istanbul. Er endete mit einer Massenkundgebung in Istanbul, von der sich die CHP die Bildung einer breiten Opposition in der türkischen Gesellschaft gegen den Ausnahmezustand und die Herrschaft des Staatschefs durch Dekrete versprach.

Immunitätsaufhebungen von CHP mitbeschlossen

Allerdings trug Kiliçdaroğlu selbst eine Mitverantwortung für die Verurteilung seines Parteifreunds: Ein Parlamentsbeschluss zur Aufhebung der Immunität aller Abgeordneten, gegen die Verfahren anhängig sind, war im Frühjahr 2016 mit Zustimmung des CHP-Vorsitzenden zustande gekommen. Neben dem 61-jährigen Berberoğlu kam auf diese Weise ein Teil der Parlamentsfraktion der prokurdischen Minderheitenpartei HDP überhaupt erst ins Gefängnis, darunter die früheren Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ.

Berberoğlus Verurteilung war im Oktober 2017 wieder aufgehoben, der Abgeordnete aber weiter in Haft gelassen worden. Berberoğlu, ein ehemaliger Chefredakteur des Massenblatts "Hürriyet", soll den Journalisten von "Cumhuriyet" für den Staat kompromittierendes Videomaterial zugespielt haben. Dabei ging es um die Kontrolle von Lastwagen, die von Mitarbeitern des Geheimdiensts MIT eskortiert, aber von der türkischen Gendarmerie gestoppt worden waren.

Waffen für Syrien

Das Video zeigt, wie Gendarmen große Aluminiumkisten öffneten, in denen Raketenteile und Munition sichtbar wurden. Der Vorfall auf einer Autobahn bei Adana im Jänner 2014 dürfte den Machtkampf zwischen der politischen Führung um den heutigen Staatschef Erdoğan und die mit ihm einst verbündete Bewegung des Predigers Fethullah Gülen widergespiegelt haben. Anhänger Gülens hatten unter anderem Justiz und Polizei in der Türkei unterwandert, was Erdoğan und seine AKP jahrelang in Abrede gestellt hatten.

Die Episode mit der mutmaßlichen Waffenlieferung nach Syrien hatte zunächst zur Verurteilung des "Cumhuriyet"-Chefredakteurs Can Dündar und des Chefs des Ankara-Büros der Zeitung, Erdem Gül, geführt. Gegen beide läuft noch ein Berufungsverfahren in dieser Angelegenheit. Dündar setzte sich nach Berlin ab, Gül ist in der Türkei. (Markus Bernath, 13.02.2018)