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Wir wechseln nicht nur dauernd die Rollen, wir haben auch mehrere. Ein Manager oder eine Managerin hat gleichzeitig eine funktionale Rolle (Vorstand), eine fachliche (Vertrieb) und eine soziale (empathisch).

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Susanna Wieseneder begleitet seit 15 Jahren Executives und Leadership-Teams.

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Und ab morgen bin ich ein anderer. Oder hat man mich geholt, damit ich derselbe bleibe? Solche oder ähnlich Fragen tauchen bei jedem Jobwechsel auf. Manchmal mehr gefühlt als konkret formuliert – aber immer häufiger. Denn Jobwechsel und damit Rollenwechsel finden in unserem Leben immer häufiger, schneller und unerwarteter statt.

Seit Geschwindigkeit und Agilität in der Wirtschaft zum Mantra geworden sind, geht es nicht mehr nur um die großen Rollen(Job)wechsel, sondern auch um die täglichen, die meistens ohne Übergänge eerfolgen. Am Vormittag Vorgesetzter, am Nachmittag agiles Teammitglied in einer Scrum-Gruppe, am Abend dann Experte für die Integration eines Start-ups. Permanenter Positions- und Perspektivenwechsel sind notwendig.

Schonfrist war gestern

Beim externen Wechsel sind Schonfristen vorbei. 100 Tage – das ist lange her. Führungswechsler übernehmen nicht nur neue Jobs, sondern auch neue Rollen. Das war nicht immer so. Denn Jobanforderungen gleichen einander viel weniger als früher. Jeder Wechsel, ob innerhalb oder außerhalb des Unternehmens, ob in eine andere Branche oder in ein anderes Berufsformat, unterscheidet sich wesentlich von der früheren Rolle. Gelingt der Rollenwechsel nicht, hat der Volksmund dafür treffende Ausdrücke wie "von der Rolle" oder "neben der Rolle" sein. Füllt jemand aber eine neue Rolle überzeugend aus, entstehen ebenso Fragezeichen. Ist diese Person wirklich und immer so? Oder spielt sie so gut? Wie auch immer man es betrachtet, die Rollenausübung beschäftigt. Und letztendlich entscheidet sie über Gefolgschaft.

Wir tun uns mit diesen rasanten Rollenwechseln schwer. Denn unsere Seele ist ein Fußgänger, der nur langsam und schrittweise ans Ziel kommt. Wir nennen dies "in die Rolle hineinwachsen". Meiner Erfahrung nach gibt es dafür zwei Wege: den "positiven" über gute Vorbereitung; den "negativen" , der über Hürden und durch Bewährungsproben führt.

Ich veranschauliche gerne den Umstieg in eine neue Rolle mit einer Metapher aus der Flugwelt: Bei jedem Flug mit mehreren Strecken gibt es beim Umsteigen einen Transitraum, in dem sich der Reisende orientieren kann, wie und wo es weitergeht und wie viel Zeit für den Wechsel bleibt. Einen solchen "Transitionsraum" sollte sich jeder auch beim Rollenwechsel schaffen. Um dessen Einrichtung zu erleichtern, hilft es, sich von einigen Mythen zu befreien.

Mythen entsorgen

  • Ich muss immer authentisch sein Falsch. Jeder will authentisch sein, sich nicht verbiegen müssen, sich entfalten und glücklich sein. Nicht im falschen Leben leben. Das ist auch gut so. Beruflich sollte man aber in allererster Linie glaubwürdig sein. Und diese Glaubwürdigkeit entsteht aus Authentizität und Professionalität. Ein Arzt sollte nicht vor einer heiklen Operation dem Patienten (authentisch) erzählen, dass er gestern Abend mit seiner Frau gestritten, dann zu viel getrunken und nichts geschlafen hat. Stattdessen muss er sich seiner Rolle und den damit verbundenen Erwartungen bewusst sein und diese glaubhaft und professionell ausfüllen, also Kompetenz und Vertrauen ausstrahlen. Das bedeutet nicht, dass keine Schwächen gezeigt werden dürfen und man den harten Hund mimen muss. Das bedeutet nicht, dass man in speziellen Situationen nicht weiß, wie es weitergeht, und andere in der Suche nach der Zukunft einbezieht. Aber es muss stets mit einer professionellen Herangehensweise verbunden sein.

  • Ich bin ich Falsch. Wir wechseln nicht nur dauernd die Rollen, wir haben auch mehrere. Neben privaten auch berufliche Rollen: Ein Manager oder eine Managerin hat gleichzeitig eine funktionale Rolle (Vorstand), eine fachliche (Vertrieb) und eine soziale (empathisch). Im Laufe des Lebens kommen immer neue Rollen dazu, alte Rollen fallen weg. So bin ich viele, wie der Philosoph Richard David Precht es darlegt, und immer wieder andere.

  • Ich muss sofort in eine neue Rolle schlüpfen können Klingt gut, wird aber nicht gelingen. Denn es braucht eine Übergangszeit. Nicht ohne Grund werden in vielen Kulturen Übergänge durch Rituale (etwa vom Jugendlichen zum Erwachsenen) zelebriert oder durch äußere Zeichen – etwa durch einen Namenswechsel – deutlich sichtbar gemacht. In Unternehmen gibt es bestenfalls ein kleines Fest, um die alte Führungskraft zu verabschieden und den Neuen willkommen zu heißen – oder es wird symbolträchtig ein Zepter oder Schlüssel übergeben.

Aber was tun, wenn für die Transition keine Zeit und kein Raum ist und stattdessen eine Blockade droht, weil zu viel Neues und Unbekanntes auf einen einstürmt? Was passiert dabei? Man greift auf das zurück, was man immer gemacht hat. Zu erkennen ist das an Führungskräften, die immer erzählen, wie sie das im vorherigen Job gemacht haben. Es geht in der Transition vor allem darum, sich Klarheit zu verschaffen. Denn Klarheit ist das wirksamste Mittel gegen Blockaden. Einige Tage Zwischenstopp beim Wechsel sind ideal, gibt es aber nur selten.

Rollenvorbereitung

In der Regel findet die Vorbereitung auf die neue Rolle bzw. die neuen Rollen parallel zur bisherigen Tätigkeit statt. Es geht darum, wie Rollen auskleidet werden, sogenanntes Role-Crafting. Immer häufiger habe ich zuletzt erlebt, dass die zukünftige Führungskraft vorzeitig als Berater ins Unternehmen geholt wird und seine Transitionszeit für Undercover-Recherche im Unternehmen nutzen kann.

So steht bereits am ersten Tag der Positionsübernahme das Zukunftskonzept, und Entscheidungen können rasch gefällt werden. Denn eines ist unüberhörbar: der Ruf nach echten spürbaren Menschen, die sich Ihrer Rolle und damit der Verantwortung bewusst sind und sofort agieren können. Notwendig ist, sich selbst einige Fragen zu stellen. Ein Mentor, berufliche Vertraute oder ein Coach können dabei eine wichtige Unterstützung sein.

Ausprobieren zu Karrierebeginn

Welche Erwartungen habe ich an meine neue Rolle, welche die anderen? Welche dieser Erwartungen sind zu erfüllen, welche sind unrealistisch? In welcher Übergangsphase befinde ich mich, mein neues Team, das Unternehmen? Wo sind die intensivsten Übergänge zu bewältigen? Wer diese Fragen ehrlich beantwortet, ist auf seine neue Rolle besser vorbereitet.

Rollenwechsel sind herausfordernd, aber auch spannend. Sie erfordern Kraft, eröffnen aber auch neue Möglichkeiten. Nicht ohne Grund sind viele junge Talente gerade am Beginn ihrer Karriere offen, in viele verschiedene Rollen zu schlüpfen, um sich auszuprobieren, sich zu finden und letztendlich zu wachsen. (Susanna Wieseneder, 20.2.2018)