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FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, hier in Belgrad.

Foto: AP Photo/Darko Vojinovic

Wien – Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat sein Posting mit dem Vorwurf der Lüge an den ORF, bebildert mit ORF-Anchor Armin Wolf, um eine Erklärung erweitert. "Es tut mir natürlich leid, wenn Armin Wolf dieses Posting persönlich genommen hat", schreibt Strache dort. Der Vizekanzler fordert im Gegensatz zu seinem Generalsekretär Harald Vilimsky auch nicht den Rücktritt von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Wolf hat angekündigt, den FPÖ-Politiker wegen des Vorwurfs der Lüge zu klagen.

Strache hatte am Montag auf seiner persönlichen Facebook-Seite ein Bild Armin Wolfs gepostet, das mit der Schlagzeile "Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF" versehen war. Er schrieb über das Bild zunächst nur den Vermerk "Satire!" und fügte einen Smiley hinzu.

Wolf kündigte eine Klage wegen des Postings an. Wrabetz twitterte, der ORF habe seinen Anwalt mit weiteren Schritten beauftragt; er forderte Strache auf, das Posting zu löschen und sich zu entschuldigen.

Strache: "War nicht personenbezogen!"

Strache ergänzte am Dienstag diese Erklärung zu seinem Posting auf Facebook:

"Mein gestriges Facebook-Posting ist – und wurde – ausdrücklich als 'Satire' gekennzeichnet. Zugegeben, eine klar ersichtlich überzogene Satire!
Ich habe mit Armin Wolf gesprochen und ihm gesagt, dass das Posting nicht gegen ihn persönlich gerichtet, sondern ausdrücklich als Satire-Reaktion auf die Wahlberichterstattung des ORF Tirol gedacht war.

Es tut mir natürlich leid, wenn Armin Wolf dieses Posting persönlich genommen hat. Allerdings möchte ich ausdrücklich festhalten: Es war nicht personenbezogen! Es war und ist Kritik am ORF in Form von überspitzter Satire bezüglich der tendenziösen und manipulativen Berichterstattung in der jüngeren Vergangenheit!"

***Wolf bleibt bei seiner Klage, erklärte er am Mittwoch in seinem Blog. "Ich möchte gerne ein Gericht entscheiden lassen, ob diese Art der persönlichen Diffamierung von Journalisten rechtlich zulässig ist oder nicht", schreibt Wolf dort.

Man könne ORF-Generaldirektor Wrabetz nicht von seiner Verantwortung entbinden, sagte Strache in einem am Mittwochmorgen veröffentlichten APA-Interview. Wrabetz habe Konsequenzen zu ziehen, dass solche Vorfälle "nicht mehr geschehen können".

Der Rücktrittsaufforderung von FPÖ-Generalsekretär Vilimsky wollte sich Strache nicht anschließen: "Es steht mir nicht zu, irgendwelche Rücktritte zu fordern." Vilimsky hatte in der Tageszeitung "Österreich" gesagt: "Wrabetz ist nicht mehr in der Lage, den ORF zu steuern", und sich auf einen Bericht über die Transitkonferenz in München bezogen, in dem der teilnehmende Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) nicht vorkam, sowie auf eine Wahlkampfreportage, in der die Reaktion des Tiroler FPÖ-Spitzenkandidaten Markus Abwerzger auf antisemitische Aussagen eines Passanten zunächst weggeschnitten und erst in einem späteren "ZiB"-Beitrag gesendet worden war.

FPÖ-Angriffe auf ORF: Kurz fordert "sachliche Debatte"

**Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat angesichts der Attacken der FPÖ auf den ORF am Mittwoch zu Zurückhaltung aufgerufen. "Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass man versucht, wieder etwas Emotion herauszunehmen", sagte Kurz bei einem Auftritt mit Strache vor dem Ministerrat. Strache selbst rechtfertigte seine Attacken auf den Sender neuerlich mit Verärgerung über "manipulative" Berichte.

Angesprochen auf die freiheitlichen Angriffe auf den ORF betonte Kurz, dass man die Causa "sehr differenziert sehen" müsse. In Tirol habe ein sehr problematischer Vorfall stattgefunden, "den es so nicht geben darf". Dafür habe sich der ORF auch entschuldigt.

Grundsätzlich müsse die Debatte über den ORF aber "auf sachliche Art und Weise, ohne unnötige Emotionen" geführt werden, sagte Kurz und verwies auf die dafür geplante "Medienenquete". Denn natürlich gebe es den Anspruch auf unparteiische Berichterstattung des ORF, gleichzeitig hätten die Medien aber zu Recht Anspruch auf eine sachliche Diskussion darüber.

Medienanwältin Windhager: "Satire darf nicht alles"

Die Medienanwältin Maria Windhager sieht gute Chancen für Wolfs Klage, selbst wenn Strache in dem Posting und den Erklärungen dazu den Satirecharakter der Veröffentlichung betont habe.

Windhager, sie vertritt auch den STANDARD, erklärt: "Satire darf nicht alles. Der Tatsachenkern muss auch in der Satire wahr sein. Satire darf entstellen, verzerren, übertreiben, verfremden. Aber: Man kann nicht Unwahrheiten unter dem Deckmantel der Satire verbreiten. Sie muss das letzte Körnchen Wahrheit enthalten."

Der Vorwurf der Lüge wiegt schwer – und ist nicht einfach nachzuweisen: Er unterstellt, jemand habe wissentlich und absichtlich die Unwahrheit gesagt.

ORF-Betriebsrat findet Kampagne "degoutant"

*Der Zentralbetriebsratsobmann des ORF, Gerhard Moser, findet das Verhalten der FPÖ gegenüber dem ORF "schlicht und einfach degoutant". Die FPÖ habe "offenbar vor, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich sturmreif zu schießen", sagte er am Mittwoch der APA. Dabei schrecke die Vizekanzlerpartei auch nicht vor dem "Aufruf, berufliche Existenzen zu zerstören", zurück.

Die FPÖ agiere "auf mehreren Ebenen mit verteilten Rollen" und greife auch zu "massiven Einschüchterungen von Kollegen und Kolleginnen". Er erinnerte daran, dass FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger kürzlich in "Österreich" davon gesprochen hatte, man werde "am Punkt angelangt sein, wo auch Jobs wackeln". Weiterer Beleg nach Mosers Ansicht: Straches Forderung im APA-Interview nach personellen Konsequenzen im ORF-Landesstudio Tirol.

"Aufruf, berufliche Existenzen zu zerstören"

Bei der Wahlkampfreportage über den Tiroler FPÖ-Spitzenkandidaten Abwerzger "mögen Fehler in der Berichterstattung passiert sein, und diese sind auch höchst bedauerlich", so Moser. "Aber was der Ex-Vizekanzler Steger, Mitglied des ORF-Stiftungsrates, und der amtierende Vizekanzler Strache daraus ableiten, ist, neben einer parteipolitischen Verschwörungstheorie, deren Kommentierung mir nicht zusteht, nichts anderes als der Aufruf, berufliche Existenzen zu zerstören, sozusagen ein Berufsverbot im ORF auszusprechen."

Dass die FPÖ nun wieder vehement ein Ende der ORF-"Zwangsgebühren" fordert, sei nichts anderes als der Wunsch nach einer "Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich", so Moser. "In Summe ist das ein Verständnis von Pressefreiheit und Medienpolitik, wie man es aus anderen, vorsichtig gesagt, autoritär regierten Ländern kennt. Und diese sind leider gar nicht so weit von Österreich entfernt."

Kritik an ÖVP-Schweigen

Schließlich kritisierte der Zentralbetriebschef noch "die Tatsache, dass sich der Koalitionspartner ÖVP in beredtes Schweigen hüllt und das Feld offensichtlich allein der FPÖ überlässt". Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) war am Dienstag für die APA nicht für eine Stellungnahme erreichbar gewesen. In einigen Zeitungen am Mittwoch wurde er mit dem Appell zu einer "Versachlichung" zitiert, es gelte, die "Emotionen runterzufahren". Den ORF-Tirol-Beitrag bezeichnete er in der "Kronen Zeitung" als "schweren Fehler", in "Österreich" erklärte er: "Wenn es Verfehlungen gibt, müssen Konsequenzen folgen."

Journalistengewerkschaft an FPÖ: "Einer Regierungspartei unwürdig"

**** Die Unkultur der Beschimpfungen von Journalistinnen und Journalisten müsse umgehend ein Ende haben, fordert Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp in einer Aussendung am Mittwoch. "Das Untergraben der Glaubwürdigkeit freier Medien ist einer Regierungspartei unwürdig. Anstatt sachliche Kritik zu üben, kommen seit Wochen Angriffe und persönliche Untergriffe auf seriöse Journalistinnen und Journalisten. Permanentes Zurückrudern in Form von Widerrufen ist der Beweis dafür, dass sich die FPÖ mit ihrer Medienpolitik auf dem Holzweg befindet", sagt Kullmann.

Inakzeptabel seien außerdem die versteckten Drohungen des freiheitlichen ORF-Stiftungsrates Norbert Steger, der wiederholt Senderschließungen und den Verlust von Arbeitsplätzen in den Raum gestellt habe, so Kullmann: "Verantwortungsvolle Medienpolitik braucht mehr als die Beurteilung darüber, ob ein Nachrichtenmoderator ein freundliches Gesicht macht bei einem Politiker-Interview." (red, APA, 14.2.2018)