Der Außenminister sagt seinem Mentor Rutte Adieu.

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Halbe Zijlstra verlässt das Parlament nach seinem Rücktritt.

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Den Haag / Wien – Eine banale Lüge über ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hätte den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte beinahe um die Macht gebracht.

Deren Urheber, Außenminister Halbe Zijlstra, hat sie jedenfalls das Amt gekostet. Rechtspopulist Geert Wilders, der nach dem Rücktritt des rechtsliberalen Chefdiplomaten einen Misstrauensantrag in der Haager Zweiten Kammer eingebracht hatte, scheiterte jedoch an seinem Ansinnen, die mit bloß einer Stimme Mehrheit regierende Vierparteienkoalition zu Fall zu bringen. 101 Abgeordnete stimmten gegen den Misstrauensantrag, nur 43 dafür.

Wilders, dessen Freiheitspartei PVV bei der Wahl im Herbst 2017 mit 13,1 Prozent zweitstärkste Kraft hinter Ruttes Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) wurde, begründete seinen Vorstoß damit, dass es "inakzeptabel" sei, dass Rutte das Parlament nicht schon im Vorfeld über den Skandal um Zijlstra unterrichtet hatte.

Am Montag hatte die linksliberale Amsterdamer Tageszeitung "Volkskrant" über eine Bemerkung des in seiner Partei als Rechtsaußen bekannten Zijlstra berichtet, die dieser auf einem Parteikongress seiner VVD 2016 tätigte. Er sei 2006 als Mitarbeiter des Mineralölkonzerns Shell bei einem Treffen in Putins Datscha Ohrenzeuge eines heiklen Dialogs geworden, hatte er den Delegierten damals erzählt. "Großrussland", habe der russische Präsident gesagt, "das ist Russland, Weißrussland, die Ukraine und die baltischen Staaten (Litauen, Lettland und Estland, Anm.). Und Kasachstan wäre auch schön zu haben."

Heikle Interpretation

Die Anekdote sollte die Gefahr verdeutlichen, die Zijlstra zufolge von Russland ausgeht. Schließlich, so der damals schon ambitionierte, aber wenig erfahrene Außenpolitiker, wolle Putin sein Land genau dorthin zurückführen: zu alter Größe.

Bloß: Zijlstra war, wie er nach der "Volkskrant"-Recherche zugeben musste, in der Datscha gar nicht dabei, schon gar nicht so unmittelbar neben Putin, dass er dessen Worte hätte vernehmen können. Eine Schwindelei also, die jedoch politische Dimension annahm, als das Blatt kurz darauf jenen Mann erreichte, der damals tatsächlich anwesend war und dem späteren Außenminister davon berichtete.

"Aggressiv interpretiert"

Shell-Topmanager Jeroen van der Veer behauptet, er habe Zijlstra zwar von dem Putin-Zitat erzählt, doch habe er hinzugefügt, Putin beziehe sich auf Russlands historische Größe, keineswegs auf mögliche Annexionspläne, wie Zijlstra sie laut van der Veer in die Worte des Präsidenten "aggressiv interpretiert". Dass Putin Kasachstan als "nett zu haben" bezeichnete, entzieht sich zudem vollends der Erinnerung des Managers.

Als die Lüge schließlich aufflog, nahm Zijlstra am Dienstag den Hut. "Ich sehe keine andere Möglichkeit, als dem König meinen Rücktritt mitzuteilen", sagte er am Dienstag unter Tränen im Parlament. Am gleichen Tag hätte eine Dienstreise auf dem Programm gestanden. Ziel: Moskau.

Als mögliche Nachfolger im Amt des niederländischen Außenministers gelten der außenpolitische Sprecher der VVD-Fraktion Han ten Broeke und die ehemalige Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert. (Florian Niederndorfer, 14.2.2018)