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"Welt"-Korrespondent Deniz Yücel sitzt seit einem Jahr in Haft.

Foto: AP/Karlheinz Schindler

Ankara/Berlin – Der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım hat sich für eine rasche Freilassung des inhaftierten "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel ausgesprochen. "Ich hoffe, dass er in kurzer Zeit freigelassen wird. Ich bin der Meinung, dass es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird", sagte Yıldırım in einem Interview mit den ARD-"Tagesthemen", das am Mittwochabend gesendet werden sollte. Allerdings entscheide nicht die Regierung, sondern die Justiz über Yücels Fall, sagte der Regierungschef, der am Donnerstag nach Berlin kommt.

Der deutsch-türkische Journalist sitzt am Mittwoch seit einem Jahr in Haft. Bis heute gibt es keine Anklageschrift gegen den 44-Jährigen, auch ein Prozessbeginn ist nicht in Sicht. Bei der deutschen Regierung stößt das auf Unverständnis und scharfe Kritik. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat Yücel als "Geisel" der Türkei bezeichnet, und die Regierung hat eine Verbesserung der Beziehungen von der Freilassung des Journalisten abhängig gemacht.

Klare Worte von Bundesregierung gefordert

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sicherte bereits Anfang Jänner vor einem Besuch bei Gabriel zu, sich für die Beschleunigung des Verfahrens einzusetzen. Seitdem ist jedoch nichts passiert. Die türkische Regierung beharrt seit Anbeginn auf der Unabhängigkeit der Justiz, doch bestehen Zweifel, dass sie tatsächlich frei entscheiden kann, nachdem Präsident Recep Tayyip Erdoğan Yücel als deutschen Spion und kurdischen Agenten bezeichnet hat.

Die kürzlich aus türkischer Haft entlassene deutsche Journalistin Mesale Tolu forderte unterdessen mehr Druck auf die Türkei. "Die Bundesregierung muss klare Worte finden", sagte sie am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". "Bilaterale Gespräche und milde Töne bringen nichts", sagte Tolu, die im Dezember freigelassen worden war, die Türkei aber nicht verlassen darf und sich weiterhin Terrorvorwürfen ausgesetzt sieht. Sie verwies darauf, dass die Untersuchungshaft in der Türkei inzwischen "zum Regelfall geworden" sei. Es handle sich um "eine Strafe vor der Bestrafung".

Der Fall dürfte auch Thema sein, wenn Yıldırım am Donnerstag von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfangen wird. Der türkische Regierungschef nimmt anschließend an der Münchner Sicherheitskonferenz teil.

Grüne skeptisch

Grünen-Politikerin Claudia Roth reagierte skeptisch auf Yıldırıms Aussagen. Diese machten ihre keine Hoffnung, sagte Roth am Mittwoch dem NDR. "Er versucht wahrscheinlich jetzt gute Stimmung zu machen bei der deutschen Übergangskanzlerin", sagte die Vizepräsidentin des Bundestags. "Aber wir sollten nicht darauf hereinfallen. Es gibt keinen Grund, von Entspannung zu reden." (APA, Reuters, 14.2.2018)