Kiel – Erdrutsche sind keineswegs auf das trockene Land beschränkt – im Gegenteil: Wenn Meeresboden den Halt verliert und in Bewegung gerät, geschieht das oft sogar in deutlich größeren Dimensionen und an viel flacheren Hängen. Derartige unterseeischen Katastrophen können verheerende Tsunamis auslösen und so auch für Menschen in großer Entfernung gefährlich werden. Doch wann welcher Hang warum unter Wasser abrutscht, ist weitgehend unklar. Mögliche Ursachen haben nun Kieler Wissenschafter anhand von Hangrutschungen vor der Küste Nordwestafrikas entdeckt.

Vor 8.150 Jahren überrollte eine 10-20 Meter hohe Flutwelle den Norden Europas. Besonders heftig traf es die Shetlandinseln und die Küste Norwegens. Ursache für den Tsunami war die Storegga-Hangrutschung, 300 bis 2.000 Meter unterhalb des Meeresspiegels. Submarine Hangrutschungen haben häufig einen deutlich größeren Umfang als Rutschungen an Land. Bei der Storegga-Rutschung löste sich ein Gebiet größer als Schottland und verteilte sich über hunderte Kilometer auf dem Meeresboden. Die Suche nach den Voraussetzungen für das Zustandekommen solcher Rutschungen gestaltet sich unter Wasser deutlich schwieriger als an Land. Forschende können die Sedimentschichten nicht direkt begutachten.

Hangrutsch vor Mauretaniens

Eine Gruppe von Kieler und Bremer Wissenschaftern entdeckte jetzt vor der Küste Mauretaniens eine mögliche Ursache für Hangrutsche unter Wasser und veröffentlicht die Ergebnisse im Forschungsjournal "Geology". Sie kombinierten Ergebnisse einer Bohrung mit seismische Daten und konnten damit zeigen, dass eine bestimmte Schichtung des Meeresbodens Auslöser für zumindest eine Rutschung in dieser Region sein kann.

"Erdrutsche geschehen unter Wasser schon an sehr flachen Hängen mit 1 bis 1,5 Grad Steigung. Zum Vergleich, ein barrierefreier Gehweg darf zur Straße hin eine maximale Neigung von 1,2 Grad haben," sagt Morelia Urlaub vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Bei der Storegga–Rutschung waren es 1,6 Grad. Bei der jetzt untersuchten Rutschung vor dem mauretanischen Cap Blanc wies der Hang maximal eine Neigung von 2,8 Grad auf. Wenn eine Schicht nachgibt, rutschen alle darüberlegenden Schichten den Hang hinab. Was diese Schicht ausmacht, ist schwierig herauszufinden, da sie beim Erdrutsch meist zerstört wird.

Bohrkerne aus intaktem Hang

Im Fall der Rutschung vor Mauretanien hatten die Forscher jedoch Glück. In unmittelbarer Nachbarschaft der Abbruchfläche der Cap Blanc Hangrutschung waren noch Teil des Hanges intakt. Zufällig entdeckten Urlaub und ihr Team, dass ein Bohrschiff des Ocean Drilling Program (heute: International Ocean Discovery Program) genau in diesem Bereich Proben entnommen hatte. "Diese alten Bohrkerne aus den 1980er Jahren konnten wir jetzt nutzen, um nach der Schwachstelle im Hang zu suchen", sagt sie.

Die Kombination dieser aus einem stabilen Hang stammenden Bohrung und seismischer Daten zeigte, dass der Hang genau dort ins Rutschen gekommen ist, wo Schlamm aus den Überresten fossiler Planktonorganismen von einer Tonschicht überlagert wird. Dieser Planktonschlamm besteht vor allem aus Kieselalgen. Diese in der Fachsprache Diatomeen genannten Organismen bilden Schalen aus Silikat und gehören zum pflanzlichen Plankton. In manchen Phasen der Erdgeschichte entstehen besonders viele Diatomeen, die nach dem Absterben an den Grund des Meeres absinken und dicke Schichten bilden können.

Hilfe bei der Tsunamifrüherkennung

Da die Abfolge von Diatomeenschlämmen und Tonschichten sehr häufig vor der nordwestafrikanischen Küste in den seismischen Daten zu beobachten ist, nehmen die Autoren an, dass sie auch für andere Rutschungen in der Region verantwortlich ist. Somit lassen sich die Annahmen für die Cap Blanc Rutschung womöglich auch auf andere Gebiete der Region übertragen. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten somit langfristig helfen Zonen festzustellen, in denen Erdrutsche drohen und der Tsunamifrüherkennung helfen. (red, 18.2.2018)