Ein junges Rotstirnmakiweibchen (Eulemur rufifrons) im Wald von Kirindy. Trotz ihrer großen Ähnlichkeit schaffen es die Tiere zwischen Artgenossen und Schwesterarten anhand von Fellmuster- und farbe zu unterschieden.

Foto: Sperber

Göttingen – Die zunächst wichtigste Entscheidung eines fortpflanzungsbereiten Weibchens ist die Auswahl eines Männchens der eigenen Art. Man sollte annehmen, dass die Erkenntnis, ob ein Männchen der eigenen Art angehört oder nicht, auf den ersten Blick möglich ist. Doch zumindest für unsere Augen mag das oft nicht zutreffen: Die Lemuren auf Madagaskar beispielsweise haben vielfältig gefärbte Gesichter. Manche Arten sehen sich dabei so ähnlich, dass wir Menschen sie kaum unterscheiden können.

Wie ihre Weibchen trotzdem die richtige Wahl treffen, haben nun Wissenschafter am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung beobachtet. Die Forscher stellten bei Versuchen mit Fotos fest, dass wildlebende Rotstirnmakis (Eulemur rufifrons) sehr zielsicher in der Lage sind, Artgenossen anhand von Gesichtsfarbmustern zu erkennen.

Farben und Muster

"In unserer Studie haben wir herausgefunden, dass wildlebende Rotstirnmakis in der Lage sind, zwischen Artgenossen und Schwesterarten anhand von Fellmuster- und farbe zu unterschieden", sagt Hanitriniaina Rakotonirina, Erstautorin der im Fachjournal "BMC Evolutionary Biology" veröffentlichten Studie.

Das Forscher-Team um Rakotonirina untersuchte, wie die im Kirindy-Wald in Madagaskar lebenden Rotstirnmakis auf Fotos von Artgenossen und verwandten Lemuren reagieren. Sie zeigten erwachsenen Tieren einer Gruppe fünf Farbfotos von Gesichtern männlicher Lemuren, die nicht im selben Verbreitungsgebiet vorkommen und keinen Kontakt zueinander haben.

Fotos von Artgenossen waren interessanter

Ein Foto zeigte das Gesicht eines Artgenossen, drei Fotos zeigten Gesichter von nahverwandten Arten – Weißkopfmakis (Eulemur albifrons), Braunen Makis (Eulemur fulvu), Roten Makis (Eulemur rufus) – auf dem fünften Foto war ein genetisch weiter entfernter Verwandter, der Rotbauchmaki (Eulemur rubriventer), zu sehen. Das Ergebnis: Die Zeit, die die Rotstirnmakis damit verbrachten sich die Bilder anzuschauen, nahm mit abnehmender Verwandtschaft ab.

Je näher beide Arten miteinander verwandt waren, desto intensiver wurden die Bilder betrachtet. Zudem zeigten die Weibchen eine stärkere Reaktion als die Männchen. "Die Entwicklung von Gesichts- und Farbmustern könnte somit durch sexuelle Selektion beeinflusst sein", erklärt Claudia Fichtel, Seniorautorin der Studie. Außerdem stellen die Forscher fest, dass die Affen an den Bildern der Artgenossen schnupperten, was darauf hindeutet, dass neben visuellen Signalen auch Gerüche bei der Arterkennung eine richtige Rolle spielen.

Kostspieliger Irrtum

Artgenossen von artfremden Individuen zu unterscheiden, spielt in der Fortpflanzung eine wichtige Rolle. Zwischenartliche Paarung ist für Weibchen besonders kostspielig, denn die frühe Embryonalentwicklung ist oft gestört und die Embryos sterben früh. In anderen Fällen kann es zu Hybridisierung kommen, wobei der Nachwuchs eine verminderte Fortpflanzungsfähigkeit aufweist. Weibchen verlieren ihre Investitionen in die Embryoentwicklung und damit wertvolle Zeit und Gelegenheit, sich erfolgreich fortzupflanzen.

Zukünftige Untersuchungen in freier Wildbahn sollen zeigen, ob die Fähigkeit, Artgenossen zu erkennen, beeinträchtigt ist, wenn verschiedene Arten im selben Verbreitungsgebiet vorkommen und miteinander in Kontakt stehen. In Gefangenschaft sind bei Großen Makis hin und wieder lebensfähige und manchmal fruchtbare Nachkommen bei Paarung artfremder Elterntiere entstanden. Auch in Gebieten der freien Wildbahn, in denen sich Verbreitungsgebiete überlappen, sind Kreuzungen beobachtet wurden. (red, 20.2.2018)