Obwohl selbst kein Burschenschafter, ist das deutschnationale Milieu Wilhelm Brauneder – hier bei einem Auftritt vor vier Jahren – nicht fremd. Gegen den Vorwurf der Befangenheit wehrt er sich dennoch.

Foto: APA / Herbert Neubauer

Brauneders Botschaft an Verbindungsbrüder: Es wäre "ein großer Fehler", sich der Aufarbeitung zu verschließen.

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Wien – Wilhelm Brauneder nimmt die erste Frage vorweg. "Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich nichts sagen kann", schickt der Professor voraus, als ihn der Anruf des STANDARD erreicht. Einen Plan, wie und wann das Projekt starten werde, habe er noch nicht im Kopf, seine Nominierung habe schließlich ihn selbst überrascht: "Bei anderen Gelegenheiten hat die Partei ja auch nicht an mich gedacht."

Gesträubt hat sich Brauneder dennoch nicht, und so feiert er nach zwei Jahrzehnten ein Comeback im Licht der Öffentlichkeit: Der 75-jährige Jurist, einst Professor und Dekan an der Rechtsfakultät der Uni Wien sowie von 1996 bis 1999 Dritter Nationalratspräsident, soll jene Historikerkommission leiten, die sich die FPÖ zur Aufarbeitung ihrer Geschichte verordnet hat. Interviews wolle er so kurzfristig keine geben, sagt Brauneder erst, lässt sich dann aber doch in ein Gespräch verwickeln. Man merkt: Den Mann reizen Diskussion und Disput.

Eine Botschaft richtet er gleich einmal an die mit der FPÖ verbandelten Burschenschaften, von denen sich manche Vertreter in einer ersten Reaktion mäßig kooperativ gezeigt hatten. Brauneder mahnt die Verbindungen, die eigenen Archive für die geplanten Nachforschungen zu öffnen: "Es wäre ein großer Fehler, sich dem zu verschließen. Denn das würde den Verdacht nähren, dass es da etwas zu verbergen gibt."

Zweifelhafter Ruf bei gewissen Kreisen

Warum aber gerade jemand wie er, der viele Jahre Mandatar für die Partei war, Garant für eine unabhängige Aufarbeitung sein soll? "Weil ich nicht vorhabe, meinen Ruf aufs Spiel zu setzen", erwidert Brauneder: "In 40 Jahren in der Wissenschaft hat mir noch kein Mensch vorgeworfen, dass ich meine Arbeit nicht sachlich mache. Außer gewisse Kreise vielleicht."

Mit diesen "Kreisen" meint Brauneder Kritiker, die ihm heute wie in den Neunzigerjahren genau das nachsagen, was er nun kraft seines Amtes erforschen soll: Verstrickungen mit dem rechtsextremen Milieu. So sind in der äußerst rechten Zeitschrift Aula Artikel Brauneders erschienen, und zwar nicht wenige, wie er selbst sagt. Doch dabei habe es sich stets um Nachdrucke von Texten gehandelt, die original in Fachblättern veröffentlicht worden seien – und weil er zu den Inhalten stehe, habe er dies genehmigt: "Es ist nicht entscheidend, wo man schreibt, sondern was man schreibt."

Nichts als eine Unterstellung sei der Vorwurf, er habe 1987 am Juridicum den Auftritt eines deutschen Rechtsextremen genehmigt und habe auch nicht eingegriffen, als paramilitärisch adjustierte Neonazis als Saalschutz aufmarschiert waren. Er habe von der Genehmigung der Veranstaltung erst nachträglich erfahren und auch keine Möglichkeit gehabt, diese zu verhindern, rechtfertig sich der emeritierte Professor heute, denn: "Hausherr an der Uni ist der Rektor und nicht der Dekan." Aber da nun eine 30 Jahre alte Episode ausgegraben werde, fügt Brauneder an, "habe ich offenbar seither nichts mehr angestellt".

Rede bei Rechtsextremen

Eine Geschichte gibt es doch noch. Die Wiener Hochschülerschaft kritisiert, dass Brauneder 2008 an einer von Rechtsextremen geprägten Tagung in Dresden teilgenommen habe – was dieser bestreitet: "Ich war nie bei einem solchen Treffen in Dresden."

Es ist aber möglich, dass Brauneder die Wahrheit sagt und trotzdem in den inkriminierten Kreisen verkehrt hat. Denn wie eine nachträgliche Überprüfung durch den STANDARD ergab, war die Konferenz kurzfristig an einen anderen Ort verlegt worden. Im Folgejahr war in einer Zeitschrift, der deutsche Verfassungsschützer revisionistische Tendenzen attestierten, unter den gesammelten Referaten des Treffens jedenfalls auch ein Beitrag Brauneders erschienen ("Anschlussideen 1918 bis 1939") – samt Foto des Professors an einem Rednerpult.

Auf nochmalige Nachfrage sagt Brauneder dazu: Er wisse nicht mehr hundertprozentig, ob er nun bei genau diesem Treffen war oder nur einen Beitrag geschrieben habe, geniere sich dafür aber auch nicht. Wieder gelte: Es zähle, was gesagt werde, und nicht, vor wem.

Noch etwas Grundsätzliches antwortet Brauneder seinen Kritikern: "Die Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter – in meinem Fall ein einzelnes Kamel." Allen Befürchtungen zum Trotz werde er die Mitglieder der Kommission allein nach ihrer Fachkenntnis auswählen. "Ich habe auch einen Kollegen im Auge, der KPÖ-Mitglied ist", sagt er. Und wenn das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), jahrzehntelanges Feindbild der FPÖ, ebenfalls etwas beitragen könne: "Warum soll von dort nicht jemand dabei sein?"

Warnung an die Burschen

Fünf bis sechs Historiker will Brauneder auswählen, die Besetzung könne je nach Themenlage wechseln. Ein erster Bericht soll noch vor dem 100-Jahr-Jubiläum der Republik am 12. November vorliegen. Von ihm aus müssten die Namen der Forscher bis dahin nicht geheim bleiben, wie das der von der FPÖ eingesetzte Koordinator Andreas Mölzer ankündigte: "Bittet jemand aber um Diskretion, wird der Wunsch erfüllt." (Gerald John, 14.2.2018)