Beirut/Wien – Wenn US-Außenminister Rex Tillerson am Donnerstag auf dem kurzen Luftweg von Amman in Jordanien in der libanesischen Hauptstadt Beirut eintrifft, erwarten ihn ein paar harte Brocken. Beirut wird den US-Vermittlungsvorschlag in einem Territorialstreit mit Israel ablehnen, den ein hoher US-Diplomat und Nahostspezialist, David Satterfield, vergangene Woche den Libanesen schmackhaft zu machen versuchte. Das meldeten libanesische Medien am Mittwoch.

Grafik: Standard, APA/Unifil

Es geht dabei um die Gasvorkommen im Levantinischen Becken vor der Küste Israels (und des Gazastreifens) und des Libanon: konkret um einen Keil von 860 Quadratkilometern an der Grenze im Mittelmeer, den sowohl Israel als auch der Libanon für sich beanspruchen.

Der Streit ist fast so alt wie die Entdeckung des Gasfelds. Er wurde jedoch akut, als der Libanon im Dezember Probebohrlizenen für zwei der zehn Blöcke, in die die libanesische EEZ (Exclusive Economic Zone) geteilt ist, an die französische Total, die italienische Eni und die russische Novatek vergab. Einer davon, Block 9, reicht in das umstrittene Gebiet.

Der folgende verbale Schlagabtausch zwischen Beirut und Jerusalem wurde angesichts des US-Vermittlungsversuchs wieder abgemildert. Satterfield unterbreitete den Vorschlag, sich an die "Hoff-Linie" zu halten: Der US-Diplomat Frederic Hoff hatte sie 2013 entwickelt – schon damals hatte Beirut den Kompromiss zurückgewiesen, obwohl er dem Libanon mit 60 Prozent etwas mehr zusprach als Israel. Am Montag wurde von Präsident Michel Aoun, Premier Saad Hariri und Parlamentspräsident Nabih Berri erneut vereinbart, beim Anspruch auf das ganze Gebiet zu bleiben.

Uno entlastet Israel

Neben dem Streit um die Seegrenze gibt es auch böses Blut zwischen Israel und dem Libanon wegen der teilweisen Erneuerung der Grenzsicherungsanlagen zwischen den beiden Ländern durch Israel. Am Mittwoch sprach ein Sprecher der libanesischen Uno-Mission Unifil Israel vom Vorwurf frei, die neue Mauer würde auf der libanesischen Seite der Grenze gebaut. Beirut hatte zuvor von einem "Angriff auf libanesisches Territorium" gesprochen.

Es geht um zwei Abschnitte: einer im Westen, knappe sechs Kilometer lang zwischen Rosh Hanikra an der Küste und Hanita, der andere siebeneinhalb Kilometer lang weiter im Nordosten, zwischen Misgav Am und Metulla. Die Maueranlage soll sieben Meter hoch und stacheldrahtbewehrt sein. An der Grenze gibt es bereits eine Sicherheitsanlage, sie ist nach israelischen Angaben jedoch erneuerungsbedürftig.

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Ein UN-Beobachter an der Blauen Linie, konkret auf deren libanesischer Seite.
Foto: AP Photo/Hussein Malla

Der Vorwurf, Israel wolle mit dem Mauerbau neue territoriale Tatsachen schaffen, kommt daher, dass Israel den Verlauf der "Blauen Linie" gewählt haben soll: Das ist jene Demarkationslinie, die die Uno nach dem Abzug der israelischen Truppen im Jahr 2000 gezogen hat, um festzustellen, ob dieser Abzug nach der 18-jährigen israelischen Besetzung einer Sicherheitszone im Südlibanon auch wirklich komplett war. Die "Blaue Linie" weicht an einigen Stellen von der "Grünen Linie" ab, der Waffenstillstandslinie von 1949 nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg. Diese richtete sich wiederum nach der vom Völkerbund gezogenen Mandatslinie von 1923.

Grenzen werden bilateral zwischen Staaten verhandelt, die Uno-Linie ist demnach keine Grenze. Auf dem Golan verläuft sie nördlich der Shebaa-Farmen, die völkerrechtlich nicht zu Israel gehören – aber laut Uno-Verdikt auch nicht zum Libanon, der sie beansprucht, sondern zu Syrien. Die Shebaa-Farmen sind eines der Argumente für die Behauptung der Hisbollah, Israel halte noch libanesisches Gebiet besetzt.

Innenpolitischer Frieden

Die schiitische, mit dem Iran verbündete Partei mit ihrem hochgerüsteten militärischen Arm, der in Syrien an der Seite Assads kämpft, bleibt trotz allem der größte Knackpunkt zwischen Israel und dem Libanon. Tillerson überraschte vor seiner Ankunft mit der Aussage in einem Interview, er sehe ein, dass die Hisbollah zur politischen Landschaft des Libanon gehöre. Wegen des Streits mit Israel legten die libanesischen Akteure sogar ihren jüngsten Zwist bei: Außenminister Gebran Bassil, Schwiegersohn von Präsident Aoun, hatte Parlamentspräsident Berri einen "Gangster" genannt. Aber jetzt ist Einigkeit angesagt. (Gudrun Harrer, 14.2.2018)