Der grazile Sprinter Gepard jagt meist als Einzelgänger und erfreut sich hervorragender Eckzahngesundheit – ganz im Gegensatz zu größeren Raubkatzen.

Foto: Richard Toller

Aus Tierdokumentationen über Serengeti und Sambesi kennt man die Bilder: Hyänen zermalmen Knochen, Löwen springen mit gefletschten Zähnen Zebras in den Nacken, Afrikanische Wildhunde hetzen ihre Beute im Rudel und reißen sie in Stücke, nur der Schakal lauert im Hintergrund auf das, was übrigbleibt. Für Afrikas Landraubtiere sind jede Jagd und jeder Riss mit einem mehr oder weniger hohen Risiko behaftet: dem, sich die Fangzähne zu beschädigen und damit die Fähigkeit zu verlieren, auch künftig noch den tödlichen Biss zu setzen.

Forscher aus Großbritannien, den USA und Südafrika haben sich der Frage gewidmet, wie sich die Konkurrenz zwischen den Arten, das Beuteangebot, Geschlecht und Klima auf den Zustand der Zähne von Löwe, Gepard und Co auswirken. Dazu hat das Team um Samuel Antony Mann von der Bangor University in Wales Zähne und Gebisse von zehn verschiedenen Arten afrikanischer Raubkatzen, Hyänen und hundeartiger Tiere wie Schakal und Wildhund untersucht. Da das Einfangen von Löwen und Hyänen in freier Wildbahn der Gesundheit der Forscher nicht zuträglich gewesen wäre, verlegten sie sich darauf, aus afrikanischen Museen und wissenschaftlichen Instituten die Gebisse toter Raubtiere zu beschaffen.

Die Wucht der Angriffe

Im Journal of Zoology (Band 303, 12/2017, S. 261-269) stellten sie ihre interessanten Ergebnisse vor: 35 Prozent der untersuchten Raubtiere litten vor ihrem Tod unter einer oder mehreren Zahnfrakturen. Insgesamt waren etwa drei Prozent aller knapp 26.000 untersuchten Zähne gebrochen, meist Reiß- oder Schneidezähne. Vor allem die Raubkatzen Löwe und Leopard sowie Tüpfel-, Streifen- und Schabrackenhyäne hatten arg ramponierte Gebisse.

Insbesondere bei Löwen ist dies der enormen Größe vieler Beutetiere – seien es Gnus, Zebras oder Kaffernbüffel – und der Wucht der Angriffe geschuldet. Der Gepard als dritter Raubkatzenvertreter wies dagegen nur selten Zahnbrüche auf. Die grazilen Sprinter, die meist einzeln und nicht im Rudel jagen, haben es förmlich verinnerlicht, dass gebrochene Reißzähne den eigenen Hungertod nach sich ziehen.

Hervorragender Eckzahngesundheit erfreuten sich zu Lebzeiten auch die untersuchten Exemplare von Streifenschakal und Afrikanischem Goldwolf, mit Abstrichen auch Afrikanischer Wildhund und Schabrackenschakal. Das hat anatomische Gründe: Hundeartige haben – anders als etwa ein Leopard – keine kegelförmig zugespitzten Eckzähne, die den tödlichen Biss ermöglichen.

Speiseplan mit Pflanzlichem

Deshalb stehen auf ihrem Speiseplan vermehrt Wirbellose und Pflanzliches. Allerdings wiesen Wildhunde und Schakale in der Studie – mit fortgeschrittenem Alter – eine starke Abnutzung der Backenzähne auf. Hyänen wiederum sind als malmende Aasfresser und Knochenbrecher bekannt. Starker Verschleiß der Backen- wie Eckzähne ist bei diesen Tieren programmiert, zeigten die untersuchten Exponate.

Die Forscher trugen noch Daten zu weiteren Fragen zusammen: Mit welchen anderen Raubtieren konkurriert die jeweils untersuchte Art in den verschiedenen Regionen Afrikas? Welches Klima herrscht dort vor, und wie ist das Beutetierangebot?

Die Temperatur, so die Studie, wirkt sich auf den Zahnverschleiß kaum aus, wohl aber die Niederschlagsmenge. Vor allem mit Blick auf Leopard und Wildhund gilt laut der Studie die Formel: Mehr Regen führt zu mehr Biomasse – und das verbesserte Futterangebot zur Schonung der Gebisse. Der Zusammenhang ist aus der Forschung zu Orang-Utans bekannt: Sind weiche, reife Früchte nicht mehr verfügbar, gehen Indonesiens Menschenaffen zu unreifen, harten Früchten über und verschleißen die Mahlzähne.

Große Konkurrenz

Wildhunde wiesen in der afrikanischen Studie an denjenigen Orten schlechtere Zähne auf, wo die Raubtierkonkurrenz groß war. Dabei spielt Kleptoparasitismus eine Rolle – das Phänomen, dass ein Raubtier dem anderen die Beute abjagt. Vor allem Geparden und Wildhunde haben dabei eindeutig das Nachsehen. Wo es wenig Beutetiere gibt oder viele Beuteräuber unterwegs sind, so die Forscher, fressen Leopard oder Wildhund erlegte Beute hastiger oder gründlicher "bis auf die Knochen" – zum Schaden ihrer Zähne.

Eine weitere Frage war: Gibt es beim Zahnverschleiß geschlechtsspezifische Unterschiede? Der Befund aus der besagten Studie: In der Regel gibt es keine, ausgenommen sind Tüpfelhyänen, bei denen die Weibchen im Rudel und bei der Jagd dominant sind und daher mehr Zahnbrüche aufwiesen.

Dass Raubkatzen unter widrigen Bedingungen den Verlust von Reißzähnen riskieren, war schon im späten Pleistozän so. Funde in Kalifornien zeigten, dass die damalige Knappheit an Beute sowie Jagdkonkurrenz Räubern wie den Säbelzahnkatzen und ihren berüchtigten Beißern stark zusetzten – was ihren Niedergang als eine Linie der Katzen wohl beschleunigte. (Kai Althoetmar, 15.2.2018)