Wohnanlagen im Eigentum der Gemeinde oder von Genossenschaften aus den 1950er- bis 1980er-Jahren – wie hier im Bild ein 1960er-Jahre-Gemeindebau im Bezirk Donaustadt – eignen sich nach Ansicht der Studienautoren besonders gut für Nachverdichtungsmaßnahmen.

Foto: Putschögl

Wien braucht mehr leistbare Wohnungen: Statt der in den vergangenen Jahren jeweils fertiggestellten 6.000 bis 7.000 leistbaren (geförderten) Wohneinheiten müssten es 9.000 pro Jahr sein, sagt Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik in der Wiener Arbeiterkammer (AK).

Wie das trotz knapper werdenden (leistbaren) Baugrunds gehen soll, hat die Arbeiterkammer vom Beratungsunternehmen Wohnbund-Consult untersuchen lassen. Das Ergebnis: Wien müsste viel mehr auf bereits bebauten Grundstücken bauen (lassen).

Potenzial in Wohnsiedlungen aus der Nachkriegszeit

Rund 2.000 Wohnungen pro Jahr könnten etwa auf den Liegenschaften von bestehenden Gemeinde- und Genossenschaftswohnanlagen errichtet werden, sind die Studienautoren Raimund Gutmann, Ernst Gruber, Margarete Huber und Lukas Oberhuemer von Wohnbund-Consult überzeugt. Vor allem in Bauten aus den 1950er- bis 1980er-Jahren sehen sie enormes Potenzial, sei es durch Überbauungen von Garagen, Parkplätzen oder Supermärkten, Dachgeschoßausbauten oder auch Neubauten auf in diesen Anlagen oft großzügig vorhandenen Freiflächen.

Genau das passiere zwar auch jetzt schon, sagte Ritt, "es ist aber nicht organisiert. Es braucht eine Agentur, die das organisiert und begleitet – sonst geht das schief." Der Wohnfonds Wien könnte das übernehmen oder auch die städtische Liegenschaftsverwaltung (MA 69), meint der AK-Experte. Der Auftrag dazu müsse freilich von der Politik kommen; "das passiert sicher nicht von selbst".

"Sozialverpflichtung" für Gewerbliche

Der Ausbau bestehender gefördert errichteter Anlagen ist aber nur der erste Punkt im Vier-Punkte-Programm, das Ritt, Gutmann und Gruber am Donnerstag in einer Pressekonferenz vorstellten. Der zweite Punkt ist die stärkere Verpflichtung privater Hauseigentümer, mehr leistbare Wohneinheiten, etwa bei Dachgeschoßausbauten, zu schaffen. In den Dachgeschoßen werden oft zu große Wohneinheiten errichtet, für die sich dann nur schwer Mieter finden lassen. "Familien und Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen werden aus ihren Bezirken verdrängt", so Ritt.

Über städtebauliche Verträge beziehungsweise eine Art "Sozialverpflichtung" (analog zur "Stellplatzverpflichtung", also der verpflichtenden Schaffung einer bestimmten Anzahl an Pkw-Abstellplätzen) sollten gewerbliche Bauträger dazu verpflichtet werden, in Neubauprojekten ein Drittel an Sozialwohnungen zu schaffen.

Alternative Wohnungstausch

Gibt es mehr günstige, kleine Wohneinheiten in bestehenden Anlagen, könnte auch der dritte Punkt der AK-Vorschläge leichter umgesetzt werden: der forcierte Wohnungstausch. In zahlreichen in die Jahre gekommenen Wohnanlagen bräuchten viele Bewohner keine Familienwohnungen mehr, sondern "kleinere, kostengünstigere, seniorengerechte" Wohnungen, so Ritt. Wenn diese Anlagen nun um solche Wohnungen ergänzt werden, wäre das eine Chance, den Fehlbelag zu verringern.

Allein wohnende Menschen dazu zu bewegen, beispielsweise aus einer ausfinanzierten 80-Quadratmeter-Genossenschaftswohnung mit einer Quadratmetermiete von 3,75 Euro in eine neue, nur noch halb so große Wohnung zu übersiedeln, die dann möglicherweise insgesamt immer noch etwas mehr kostet, könnte freilich schwierig werden, räumte Ritt ein.

Bewohner einbinden

Es könnte aber funktionieren, so der AK-Experte: Einerseits entfallen für diese neuen Wohnungen die Grundstückskosten, weil die Flächen schon vorhanden sind, andererseits sei es ohnehin nötig – und das ist der vierte Punkt des AK-Programms –, die Bewohnerinnen und Bewohner so früh wie möglich in die Pläne einzubinden. Diverse Anreize wie Barrierefreiheit, geringere Heizkosten, eventuell auch neue Einrichtungen wie eine Arztpraxis im Haus sollten es dann erleichtern, die Akzeptanz der Menschen zu erringen.

Wichtig sei dabei auch, das große Ganze im Auge zu haben und "keinen Krieg um drei oder vier Wohnungen" anzufangen, so Gutmann – sondern dort, "wo das größte Potenzial vorhanden ist". Die großen Siedlungen am Stadtrand aus der Bauphase 1945 bis 1980 seien in der Regel ohnehin sanierungsbedürftig, sagte Co-Studienautor Gruber, da könne auch gleich nachverdichtet werden. Diese Siedlungen weisen laut Studie nicht nur das größte Potenzial aller Wiener Wohngebietstypen auf, sondern hätten auch den Vorteil einheitlicher Eigentumsverhältnisse (Gemeinde oder Genossenschaften). In Einfamilien- und Reihenhaussiedlungen sei die Nachverdichtung wegen der kleinteiligen Eigentumsverhältnisse am schwierigsten, so die Studienautoren. (mapu, 16.2.2018)