Kaum Spielraum bei Syrien: US-Außenminister Tillerson.

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Ankara/Athen – Am Ende einer schwierigen Nahostreise diese Woche sollte Rex Tillerson zum Palast Tayyip Erdoğans in Ankara fahren, um sich seine "osmanische Ohrfeige" abzuholen. So zumindest hat man es sich im Protokoll des autoritär regierenden Staatschefs vorgestellt. Keiner der bisherigen Besuche des US-Außenministers beim Natopartner Türkei war wirklich angenehm. Über Tillersons dritten Termin in Ankara aber hing drohend einer dieser Kraftausdrücke, mit denen der türkische Präsident sein Publikum im Land aufzupeitschen pflegt. Den Amerikanern hatte Erdoğan nämlich eine solche "osmanische Ohrfeige" angedroht, sollten sie sich dem Vormarsch der türkischen Armee in Syrien widersetzen.

Erdoğan hatte wohl zahllose Menschen im Internet nach der Herkunft dieser besonderen Watsch’n suchen lassen. Die "osmanische Ohrfeige" gab es tatsächlich: Vor allem eine irreguläre Truppe der osmanischen Armee, die Başibozuk – die "im Kopf Verrückten" – sollen sie angewendet haben, wenn sie keine Waffe mehr in der Hand hatten und dem Gegner dann mit Wucht ins Gesicht schlugen. Trainiert wurde angeblich an eingeölten Marmorplatten. Keine angenehme Aussicht für Tillerson. Er stand beim Besuch in Ankara, der Freitag noch fort gesetzt wird, gleichwohl vor einer schwer lösbaren Aufgabe.

Das alte PKK-Argument

Seit bald vier Wochen führt die türkische Armee nun Krieg gegen die kurdischen Volksstreitkräfte (YPG) in der syrischen Grenzprovinz Afrin. Die YPG ist nichts anderes als die PKK, die Terroranschläge in der Türkei ausführt, so argumentiert Ankara. Deshalb werde der Feldzug auch zur strategisch wichtigen Nachbarstadt Manbij ausgedehnt. Dort aber sitzen nicht nur die Kurden, sondern auch die mit ihnen verbündeten Amerikaner.

US-Generäle vom Befehlshaber des Central Command, Joseph Votel, hinunter haben in den vergangenen Tagen bekräftigt, dass sich die USA keinesfalls aus Manbidj zurückziehen würden. Die gesamte Strategie der Amerikaner in Syrien im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" stützt sich ja auf die Kurden, wie Sicherheitsexperten betonen. Um die Kurden der YPG sind arabische Milizen gruppiert; gemeinsam bilden sie die von Washington finanzierten und ausgerüsteten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF).

Zugeständnisse, wie sie die Türkei sich vorstellt, seien nicht machbar, erklärte Aaron Stein von der Denkfabrik Atlantic Council. Die USA und die Türkei steckten in dieser Frage schlicht in einer Sackgasse. Möglich aber sind vielleicht Vereinbarungen über ein Kontrollregime auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei, um Ankaras Sicherheitsbedenken zu begegnen.

Eine rote Linie

Diese Militärkontrolle könnte zumindest für den Teil der Grenze westlich des Euphrats gelten, also unter Einschluss von Manbidj. Den Euphrat hatte Ankara schon zur roten Linie für die Kurden erklärt, als der IS dort noch bis 2016 herrschte.

Manbij liegt knapp 100 Kilometer entfernt von Provinzhauptstadt Afrin, die türkische Truppen auch nach bald einem Monat Bombardement und Artilleriebeschuss der YPG-Kräfte im Gebiet noch lange nicht erreicht haben. Doch die Frontlinie zwischen dem Manbij-Militärrat – einem Ableger der YPG – und den US-Soldaten auf der einen Seite und den Türken und deren Milizen auf der anderen Seite verläuft nur wenige Kilometer entfernt von Manbidj.

Die YPG soll etwa 30.000 Kämpfer in ihren Gebieten in Nordsyrien haben. Die USA wiederum unterhalten drei bekannte Militärbasen in Syrien. Manbij soll die kleinste sein. Eine größere Basis liegt in Al-Tanf im Länderdreieck zum Irak und zu Jordanien an der Straße zwischen Bagdad und Damaskus; eine weitere in Tabaqah unweit der früheren IS-Hochburg Raqqa im Norden Syriens. Das Pentagon gab die Zahl der US-Soldaten in Syrien zuletzt mit 2.000 an. (Markus Bernath, 15.2.2018)