Die Bilder der leerstehenden Rolling Acres Mall in Ohio, bei der der Schnee durch die Dachfenster fällt, gingen vor einigen Jahren um die Welt.

Foto: Seph Lawless

Das Northland Center wird seit vergangenem Herbst teilweise abgerissen. Pläne, den Online-Riesen Amazon anzusiedeln, haben sich zerschlagen.

Foto: wikipedia/NikolaiNolan/[cc;4.0;by]

Der Boom ist vorbei. Shoppingcenter, einst Besuchermagneten, müssen sich heute angesichts der starken Konkurrenz durch den Online-Handel sehr anstrengen, um interessant zu sein beziehungsweise zu bleiben. In Österreich werden auch aufgrund einer strengeren Raumordnungspolitik seit Jahren kaum noch neue Shoppingcenter gebaut. Im Bestand wird erneuert – oder, etwa im Fall des Uno Shopping in Leonding, gleich an einem ganz neuen Konzept gebastelt.

In den USA stehen mittlerweile sehr viele Einkaufszentren leer. Auf der Webseite deadmalls.com werden Daten und Bilder dieser "toten Zentren" von Interessierten zusammengetragen. Auch der US-amerikanische Fotograf Seph Lawless hat sich dem Thema gewidmet. Seine bizarren Fotos der leerstehenden Rolling Acres Mall im US-Bundesstaat Ohio, bei der es im Winter durch die kaputten Dachfenster schneit, gingen vor drei Jahren um die Welt (siehe Foto).

Was aber tun mit jenen früheren Konsumtempeln, denen mit den Kunden die Daseinsberechtigung abhandenkam? Neue Nutzungskonzepte sind gefragt – aber schwierig zu finden. Ausnahmen gibt es: Das Einkaufszentrum Arcade Providence im US-Bundesstaat Rhode Island war bei seiner Eröffnung 1828 die erste überdachte Mall des Landes. Heute beherbergt sie nach jahrzehntelangem Mieterschwund und Eigentümerwechseln Mikro-Apartments. Die Warteliste für die Wohnungen ist lang.

Weitaus öfter wird aber keine neue Nutzung für ein leerstehendes Einkaufszentrum gefunden. Dann bleibt nur die Abrissbirne.

300 Malls in fünf Jahren

Das "Mall-Sterben" in den USA wird auch von österreichischen Einzelhandelsexperten akribisch beobachtet. Walter Wölfler von CBRE Österreich hält es für möglich, dass 300 US-Malls in den nächsten fünf Jahren verschwinden – ein Viertel des Gesamtbestands von rund 1200 Malls. Nach Immobilienwert betrachtet, wären das zwar bloß fünf Prozent, so Wölfler. Dennoch ist die Zahl sehr hoch. Das rasche Sterben liegt aber nicht nur am Online-Handel, sondern auch an den Eigenheiten der US-Malls.

Zum einen wurden 54 Prozent des Gesamtbestands vor 1988 erbaut – und seither oft auch nicht modernisiert. Zum Vergleich: In Österreich wurden 73 Prozent nach 1988 errichtet und in den meisten Fällen in der Zwischenzeit mindestens einmal runderneuert. Zum anderen sei es in den USA auch für Mieter kleinerer Shops viel leichter, aus einem Mietvertrag auszusteigen, so der Experte.

Gibt ein Ankermieter – etwa einer der großen Department Stores wie Macy’s oder Nordstrom – seine Flächen auf, können auch kleinere Shops ihre Verträge auflösen. Das beschleunigt das Mall-Sterben noch weiter.

Niedergang eines Einkaufszentrums

Davon kann man in Southfield, einem Vorort von Detroit, ein Lied singen: Das dortige Northland Center war bei seiner Eröffnung 1954 das größte Einkaufszentrum der Welt – und verfügte auch über den größten Parkplatz der Welt, auf dem mehr als 8000 Autos Platz fanden. Das überforderte manche: Angeblich war es nicht unüblich, dass Besucher nach dem Einkaufen ihre Autos nicht mehr fanden – ein eigenes "Lost Car Department" kümmerte sich dann darum und fuhr die Verzweifelten mit einem Jeep über den Parkplatz.

Die lokalen Zeitungen überschlugen sich vor Begeisterung, weil das Einkaufszentrum nicht nur unzählige Einkaufsmöglichkeiten bot – die Schaufenster waren insgesamt mehr als eine Meile lang -, sondern auch Hausfrauen dort so herrlich ihre Freizeit verbringen konnten.

Vom damaligen Glanz ist nichts mehr übrig: In den letzten Jahrzehnten ging es mit dem Northland Center stetig bergab. Denn andere, modernere Einkaufszentren in der Nähe lockten mehr Besucher an. Alteingesessene Mieter verabschiedeten sich, billigere Shops zogen ein und leiteten eine Abwärtsspirale ein. Obendrein kam es mehrmals zu Eigentümerwechseln, bis die Stadt Southfield das Areal 2015 um 2,4 Millionen Dollar kaufte – einen Bruchteil der ursprünglichen Baukosten von rund 30 Millionen Dollar

Abriss seit Herbst

Im selben Jahr kam dem Einkaufszentrum mit Macy’s auch sein letzter großer Mieter abhanden, es wurde geschlossen – und seither nur bewacht, um Vandalismus und Diebstahl zu verhindern. Nun gab es aber wieder Pläne für das Areal: Die Stadt hat das frühere Macy’s-Gebäude vor einigen Monaten als Standort für ein neues Headquarter des Online-Riesen Amazon ins Spiel gebracht, sich damit aber, wie kürzlich bekannt wurde, nicht gegen die Konkurrenz durchgesetzt.

Die Zukunft für den Rest der Mall ist indes klar: Sie wird seit vergangenem Herbst abgerissen. Hier könnte ein neues Stadtzentrum entstehen, wenn die Pläne der Politik aufgehen.

Der Planer des Northland Center war der aus Österreich stammende Architekt Victor Gruen. Ob ihm das Schicksal seines ersten Einkaufszentrums nahegehen würde? Wahrscheinlich nicht. Victor Gruen gilt zwar als der Vater der amerikanischen Shopping Malls, die sich im ganzen Land – und nicht nur dort – an den Rändern der Städte angesiedelt haben. Er hat sich aber später von seiner Erfindung distanziert und gemeint: "Das Einkaufszentrum ist tot." Zumindest auf das Northland Center trifft das zu. (zof, mapu, 17.2.2018)