April 2016: Harry Glück und Hündin Paula auf dem Sofa. Im Hintergrund drei Stillleben von Giorgio Morandi, die nun im Zuge des Evenings Sales bei Christie’s (27.2.) je um die 600.000 Euro einspielen sollen.

"Natura Morta", 1942
"Natura Morta", 1949
"Natura Morta", 1957

Foto: Lisi Specht

1994 trat der Architekt die Sammlung an die Generali ab, die Werke blieben bis zu seinem Tod in der Wohnung. Im Hintergrund Francis Bacons Triptychon von 1976 und Pablo Picassos "Figura" von 1930.

Foto: Lisi Specht

Pablo Picassos "Figura" aus dem Jahr 1930 erwarb Harry Glück 1976 aus einer europäischen Privatsammlung. In der Sektion "The Art of the Surreal" soll das Gemälde zwischen 900.000 Euro und einer Million einspielen.

Foto: Sotheby's

Francis Bacons "Three Studies for a Portrait" (1976) erwarb Harry Glück 1977 in einer New Yorker Galerie. Das Triptychon wird für die "Generali" den meisten Profit abwerfen: der Schätzwert beläuft sich auf umgerechnet 12 bis 17 Millionen Euro.

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Foto: Sotheby's

Dem internationalen Kunstmarkt können Turbulenzen an den Finanzmärkten mittelfristig kaum etwas anhaben. Selbst Krisen spülen immer wieder Milliarden von Dollar an "Fluchtkapital" in den Markt. Davon profitieren bessere Güteklassen und damit das Hochpreissegment in der Regel allerdings deutlicher als Durchschnittsware.

Die Nervosität der Big Player der Auktionsbranche hält sich deshalb auch im Vorfeld der Ende Februar und Anfang März in London anberaumten Versteigerungen der Sparten Impressionist & Modern Art sowie Contemporary & Post War eher in Grenzen. In der Vergangenheit, erklärt Dirk Boll, habe sich "der Verlauf der Aktienmärkte und des Kunstmarktes immer antizyklisch" verhalten. Die Nachfrage für Sachwerte der Kategorie "Masterpiece" sieht der Christie's-Europa-Präsident nicht gefährdet, "da der kulturelle Wert eines Kunstwerkes seiner Beständigkeit und nicht dem Marktmoment unterliegt". Nachsatz: Eine Garantie gebe es dafür freilich nicht.

Debt, Death and Divorce

Im "ungünstigsten" Fall profitieren die Akteure des Marktes sowieso an der Akquisitionsfront. Schulden, Tod, Scheidung – international als die "drei Ds" (Debt, Death and Divorce) geläufig – haben als wesentliche Alltagsfaktoren in der Maschinerie des Marktes immer Saison. Jüngstes und auch am Umfang bemessen spektakulärstes Beispiel: der Rockefeller-Nachlass.

Im März vergangenen Jahres starb im Alter von 102 Jahren der US-amerikanische Bankier David Rockefeller, Sohn des Milliardärs John D. junior und Enkel des Ölmagnaten John D. Rockefeller senior. Per Testament verfügte er, dass die von seiner Frau Peggy und ihm aufgebaute Privatsammlung versteigert werden soll. Darunter fantastische Werke wie ein Mädchenbild aus Picassos rosa Periode (Schätzwert mindestens 70 Millionen Dollar) und Impressionisten, für die so mancher Museumskurator gewiss Purzelbäume schlagen würde.

Der Erlös wird Institutionen wie dem Museum of Modern Art (New York) oder der Harvard University zugutekommen. Den lukrativen Deal zog Christie's an Land. Die Exponate kommen im Laufe des Jahres über mehrere Sales auf den Markt, die Filetstücke standesgemäß im New Yorker Headquarter im Rockefeller Center Mitte Mai.

Für die bevorstehenden Londoner Auktionen wurden indes andere Highlights avisiert, die auch aus österreichischer Perspektive einen detaillierteren Blick verdienen. Gerade weil hierzulande bisweilen Kollektionen im Verborgenen "blühen", die in ihrer internationalen Güte durchaus überraschen. Im aktuellen Fall geht es um eine unter dem Titel "The Eye of the Architect" vermarktete "Private European Collection", die am 27. und 28. Februar sowie am 6. März versteigert wird.

Der im Katalogtext als "angesehener europäischer Architekt" Bezeichnete wird namentlich nicht genannt. Jedoch wird sein Konzept des terrassenartigen Geschoßwohnbaus mit begrünten Balkonen so beschrieben, dass es sich wohl um den Vater der Wohnhausanlage Alterlaa handelt: Harry Glück, wie der britische Telegraph jüngst vermutete und Glücks Witwe im Gespräch mit dem Standard bestätigt.

Wenige Monate vor seinem Tod im Dezember 2016 hatte der 91-Jährige im Rahmen der Serie "Wohngespräche" Einblick in sein privates Refugium gewährt: Ein Penthouse in der Wiener Josefstadt, das, sieht man von der Größe ab, in seiner Funktion den Prinzipien folgte, für die er sich im sozialen Wohnbau einsetzte, "Weite, Infrastruktur, Kommunikationsräume, Blick ins Grüne und Nähe zu Natur- und Erholungsräumen", wie er erzählte.

Die den Artikel illustrierenden Fotografien waren auf seinen Wunsch hin so bearbeitet worden, dass keine Kunstwerke zu sehen oder zweifelsfrei identifizierbar waren. Eine typische Empfehlung aus der Versicherungsbranche, um keine Einbrecher auf den Plan zu rufen. Und verständlich aus der Sicht des Architekten und seiner Ehefrau, die zwei Jahre zuvor Opfer eines Raubüberfalls gewesen waren.

Dazu handelte es sich bei den 15 Gemälden und Arbeiten auf Papier um kapitale Werke, wie die Schätzwerte von Christie's belegen. Die oberhalb der Couch platzierten Stillleben von Giorgio Morandi (1942 bis 1957) wurden je mit 350.000 bis 900.000 Pfund taxiert. Für das Highlight der Sammlung, das Triptychon Three Studies for a Portrait von Francis Bacon, liegen die Erwartungen bei zehn bis 15 Millionen Pfund.

In Summe geht es um 27 Millionen Pfund oder umgerechnet 30 Millionen Euro. Trixi Becker, Harry Glücks Witwe, wird davon allerdings keinen Cent bekommen. Denn nicht sie, sondern Generali ist der Einbringer. 1994 habe ihr Mann die Sammlung an die Versicherungsgesellschaft abgetreten, nicht verkauft, aber auch nicht verschenkt. Dem Vernehmen nach sah der Deal vor, dass der Architekt Versicherungsleistungen bezog, für die er der Generali allerdings keine Prämien zu zahlen hatte. Auf Standard-Anfrage wird das nicht dementiert, man verweist darauf, dass man grundsätzlich "zu Geschäften mit unseren Kunden aufgrund gesetzlicher Verschwiegenheitsbestimmungen keinerlei Auskünfte erteilen" könne und dürfe. Nur so viel: Man habe die Sammlung "rechtmäßig erworben".

Die Frage, ob zwischen dem Wert der Sammlung 1994 und den damals absehbaren Leistungen der Versicherung ein Missverhältnis bestand, muss unbeantwortet bleiben. Laut Glücks Witwe habe die Generali jedenfalls ein sehr gutes Geschäft gemacht, und die Sache sei erledigt. Bereits einen Monat nach dem Tod ihres Mannes wurden die Gemälde im Jänner 2017 abtransportiert, und Reproduktionen zieren nun die Wände. (Olga Kronsteiner, Album, 17.2.2018)