Es war eng, aber es hat gereicht: Nach etlichen Zugeständnissen bleibt Carlos Ghosn Alleinherrscher bei dem französisch-japanischen Autoverbund Renault-Nissan. Der charismatische, seit 2005 tätige Konzernchef mit libanesischen und brasilianischen Wurzeln ist vom Verwaltungsrat für weitere Jahre auf seinem Posten bestätigt worden. Auch die Vertreter der französischen Regierung, die 15 Prozent des Renault-Kapitals und 22 Prozent der Stimmrechte halten, stimmten der Verlängerung zum Schluss zu.
Eine Selbstverständlichkeit war dies nicht. Ghosn war in den letzten Jahren wegen womöglich getürkter Abgastests unter Beschuss geraten. Der heutige Staatspräsident Emmanuel Macron hatte sich zudem als früherer Wirtschaftsminister persönlich am Spitzensalär Ghosns gestoßen: Dieser erhielt bisher acht Millionen als Vorsteher von Nissan und sieben Millionen als Renault-Boss – zusammen also 15 Millionen.
Geringere Bezüge
Jetzt akzeptiert er eine Senkung seiner Renault-Bezüge um dreißig Prozent. Dass er seinen Job rettete, hat er aber auch dem glänzenden Geschäftsgang zu verdanken. In einer weltweit günstigen Autokonjunktur legte Renault am Freitag einen um die Hälfte auf 5,1 Milliarden Euro gesteigerten Reingewinn vor. Dazu trägt wie üblich die Überkreuzbeteiligung mit Nissan bei, von der Renault seit Jahren mit Milliardensummen profitiert.
Auch der Umsatz stieg um 15 Prozent auf 58,8 Milliarden Euro. Ohne die 2017 übernommene russische Tochter Avtovaz hätte der Erlös immerhin noch um gut neun Prozent zugenommen. Schon im Jänner hatte Ghosn vollmundig verkündet, Renault-Nissan sei mit 10,6 Millionen verkauften Personenwagen im Jahr 2017 erstmals zum weltgrößten Autohersteller aufgestiegen. Die Volkswagen-Gruppe verkaufte im vergangenen Jahr 10,5 Millionen Personenwagen – dazu aber 200.000 Lastwagen, was dem deutschen Konzern noch einmal knapp die Leaderstellung gewährleistete.
Ghosn setzte den angeblichen Spitzenplatz in Paris mediengerecht ein, um seinen Job zu wahren. Präsident Macron hätte es nicht ungern gesehen, wenn sich Ghosn auf die Leitung des Verwaltungsrates beschränkt und einen Nachfolger für das operative Geschäft ernannt hätte. Der meistzitierte Name war der von Stefan Müller. Der deutsche Ex-Manager von VW und BMW war 2012 zu Renault gestoßen und leitete dort das Europageschäft; laut der Pariser Zeitung "Le Monde" galt er als der "am meisten motivierte" Kronprinz Ghosns.
Motivierter Kronprinz
Doch Müller ist nun, wie Renault bestätigte, aus dem Unternehmen ausgeschieden. Die genannten "gesundheitlichen Gründe" scheinen eher aus Frustration zu bestehen: Müller musste einsehen, dass er nicht weiterkommen würde. Ghosn hält sich nur vier weitere Jahre im Amt; außerdem ernannte er am Freitag einen neuen Vizevorsteher in der Person von Thierry Bolloré. Dieser diskrete, aber gut vernetzte Wettbewerbsdirektor bei Renault genoss auch den Vorzug der Regierung. Sie plädierte unverhohlen für einen Franzosen auf dem Rang des Vizechefs, der automatisch als aussichtsreichster Anwärter auf den Chefposten im Jahre 2022 gilt.
Der Abgang Müllers dürfte aber auch intern zu einigen Friktionen geführt haben. Der Verwaltungsrat Thierry Desmarest, einer der prominentesten Vertreter der französischen Wirtschaft, legte sein Mandat in der Folge nieder. Er teilte nicht mit, ob sein Schritt mit Müllers Ausschaltung zu tun hatte. Dementieren wollte er dieses Gerücht aber auch nicht. (Stefan Brändle aus Paris, 16.2.2018)