Bild nicht mehr verfügbar.

Gus Kenworthy wird US-Vizepräsident Mike Pence nicht die Hand schütteln.

Foto: AP Photo/Rick Bowmer

Ein "Thumbs up" für seine Teamkollegen wird sich aber ausgehen.

Pyeongchang – Gus Kenworthy nannte es "silver linings", also einen Silberstreif am Horizont. Nach seinem Daumenbruch könne er einerseits sehr wohl an den Ski-Freestyle-Wettbewerben der Olympischen Spiele teilnehmen, verkündete der offen homosexuelle Amerikaner via Twitter. Andererseits: "Er hält mich davon ab, Mike Pence die Hand zu schütteln." Das war mindestens genauso wichtig – Kenworthy und sein US-Kollege Adam Rippon, ebenfalls offen schwul, Eiskunstläufer, halten ihren Vizepräsidenten für homophob.

Dementsprechend lehnte Rippon es öffentlichkeitswirksam ab, den Stellvertreter Donald Trumps bei einem Besuch am Rande der Eröffnungsfeier zu treffen. Der evangelikale Republikaner wollte einst in Indiana ein Gesetz erlassen, das Laden- und Restaurantbesitzern erlaubt, das Bedienen Homosexueller zu verweigern. So jemandem sollten Adam Rippon und Gus Kenworthy nun die Hand schütteln? Nein, "no way"! Sie twitterten unter ein gemeinsames Foto: "Wir sind hier. Wir sind schwul. Kommt damit klar!" Kenworthy gab Rippon einen Kuss auf die Wange.

Kenworthys Tweet.

Sogar US-Präsident Donald Trump wurde auf Rippon aufmerksam und sah sich bemüßigt, diesen zu maßregeln. Rippon, so Trump, habe "die letzten Wochen damit verbracht, nur über den Vizepräsidenten zu reden". Rippon nahm es gelassen zur Kenntnis. Nur in Österreich aufgefallen ist eine Aussage der Skirennläuferin Ricarda Haaser.

Haaser entschuldigte sich

Die Tirolerin hatte nach dem Riesenslalom gesagt, sie sei im zweiten Durchgang "nicht so schwul runtergefahren wie im ersten Lauf". Später schrieb Haaser auf Facebook: "Sollte ich mit meiner Aussage jemandem zu nahe getreten sein, entschuldige ich mich dafür. Das war nicht meine Absicht."

Der Belgier Jorik Hendrickx, ebenfalls Eiskunstläufer, war schon 2014 in Sotschi dabei. Freunde und Familie wussten damals längst Bescheid. Doch Russland? Das war ihm ein zu heißes Pflaster. Im Vorfeld hatte es Proteste gegen die Diskriminierung durch ein Antihomosexuellengesetz gegeben. "Dort bin ich Fragen in diese Richtung ausgewichen", sagte der 25-Jährige dem LGBT-Portal Outsport. LGBT ist die aus dem Englischen entlehnte Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender. Sein Comingout hatte Hendrickx nun kurz vor Olympiabeginn.

"Eine glückliche Familie"

Was selbstverständlich sein sollte, musste Hendrickx eigens betonen. "Die sexuelle Orientierung des Athleten ist irrelevant. Es ist egal, ob du ein homo- oder heterosexueller Sportler bist." Doch es bleibe ein Tabu. "Wir sollten offener darüber reden. Ich hoffe, dass ich die nächste Generation inspirieren kann, sich wohler mit ihrer sexuellen Orientierung zu fühlen." Welche auch immer es sei: "Wir sind bei Olympia doch eine glückliche Familie."

Diese trifft sich im Pride House. Kanada hat in Pyeongchang wie bereits in Vancouver vor acht Jahren einen Ort der Begegnung geöffnet, in dem Geschlechter, Herkunft und sexuelle Vorlieben keinerlei Rolle spielen. "Dies ist euer Haus. Egal, wo ihr herkommt, wer ihr seid, wen ihr liebt", steht am Eingang.

Wie passend, dass es ein Kanadier war, der nun in Südkorea Geschichte schrieb: Eric Radford gewann als erster offen Schwuler Gold bei Winterspielen. "Ich fühle mich, als würde ich vor Stolz darauf platzen", sagte er nach dem Sieg im Eiskunstlaufteamwettbewerb.

Genugtuung nach Sotschi

In der Eislaufhalle hängt die Regenbogenfahne. Freestyler Gus Kenworthy hatte 2014 sogar erwogen, einen spektakulären Moment zu schaffen: Er überlegte, ob er im Auslauf nicht zu seinem Freund fahren sollte, um ihn zu küssen. Doch er entschied sich dagegen. "Es wäre nicht nur ein Schock für Olympia gewesen", sagt er. "Auch meine Familie hätte sich gewundert." Vier Jahre später ist kein Versteckspiel mehr nötig.

Früher hätte das furchtbare Konsequenzen haben können. Otto Peltzer gilt als erster Olympionike, von dem sich sicher sagen lässt, dass er Männer liebte: 1928. Jahre später wurde der deutsche Mittelstreckler von der Gestapo deshalb als "Volksschädling" verhaftet. Er überlebte Mauthausen, blieb aber in Deutschland ausgegrenzt. (sid, fri, 16.2.2018)