Austin/Wien – Wenn es um Archäologie geht, denken viele an Forscher, die im Schweiße ihres Angesichts Grabungen durchführen und eigenhändig Überreste der Vergangenheit freilegen. Im 21. Jahrhundert sind die traditionellen Grabwerkzeuge längst durch Methoden wie das Bodenradar ergänzt worden, das über Strukturen im Untergrund Bescheid gibt.

Mit dem Radar verwandt ist eine noch recht neue Erderkundungstechnologie names Lidar (für light detection and ranging), die statt Radiowellen Laserstrahlen verwendet: Aus Flugzeugen werden Laserimpulse auf den zu untersuchenden Boden gerichtet. Die Reflexionen werden mit anderen Daten kombiniert, um so eine präzise dreidimensionale Karte der Landschaft zu erzeugen. Aufsehenerregende Erfolge feierte der Einsatz von Lidar zuletzt in Mittelamerika beim Aufspüren und Neuvermessen von historischen Stätten, die von dichter Vegetation überwuchert sind und oftmals längst der Vergessenheit anheimgefallen waren.

Ausschnitt einer Dokumentation von "National Geographic" über die verlorenen Städte der Maya, die mittels Lidar sichtbar werden.
Dagbladet

60.000 unbekannte Strukturen

Von einer ersten aufsehenerregenden Entdeckung im Regenwald Guatemalas berichteten US-Forscher Anfang des Monats im populären Fachblatt "National Geographic": Sie stießen im Norden des Landes auf die Überreste riesiger Maya-Stätten, die für Jahrhunderte unter der dichten Pflanzendecke verborgen blieben.

Bei der Kartografierung wurden gut 60.000 unbekannte Strukturen entdeckt, die zu einem riesigen, miteinander verbundenen Netzwerk aus Städten, Befestigungen und Straßen gehören. Zudem wurde eine künstlich angelegte Landschaft mit landwirtschaftlichen Nutzflächen entdeckt.

Tikal war fünfmal größer

Auch Tikal, eine beliebte Touristenattraktion im Norden Guatemalas und eine der besterforschten Städte der Maya-Welt, erscheint dank Lidar in einem neuen Licht.

Der große Platz von Tikal, die Nordakropolis und Tempel I.
Foto: Shark GNU Free Documentation License

So konnte auf diese Weise eine unbekannte Pyramide im Zentrum der Stadt entdeckt werden. Zudem haben die Vermessungen gezeigt, dass die Stadt fast fünfmal so groß ist wie gedacht.

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Lidar enthüllte Fundamente einer neuen Pyramide in Tikal und zeigte, dass die Stadt fast fünfmal größer war.
Foto: Canuto & Auld-Thomas/PACUNAM via AP

Die jüngste Entdeckung, die das Zeug hat, die Geschichte Mittelamerikas umzuschreiben, wurde dieser Tage bei der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft (AAAS) in Austin präsentiert: Chris Fisher (Colorado State University) und Kollegen haben mittels Lidar eine Stadt im Westen Mexikos rekonstruiert, die von den Purépecha gebaut wurde.

Riesige Stadt der Purépecha

Weniger bekannt als die Azteken, waren die Purépecha im frühen 16. Jahrhundert eine wichtige Zivilisation in Zentralmexiko. Das Reich der Purépecha, die nach Ankunft der spanischen Eroberer durch Krankheiten dahingerafft wurden, umfasste eine kaiserliche Hauptstadt namens Tzintzuntzan, die im Westen Mexikos liegt – ein Gebiet, in dem noch heute Purépecha-Nachfahren leben.

Kleiner Ausschnitt der mittels Lidar entdeckten Strukturen von Angamuco.
Foto: C. Fisher

Dank der neuen Technik fanden die Forscher heraus, dass die kürzlich entdeckte Stadt Angamuco mehr als doppelt so groß war wie Tzintzuntzan: Man rekonstruierte über 40.000 Gebäudefundamente. "Das ist ungefähr die gleiche Anzahl wie heute in Manhattan", erklärt Fisher gegenüber der Zeitung "Guardian" und findet es "irgendwie erstaunlich, dass diese riesige Stadt im Herzen Mexikos die ganze Zeit existierte, ohne dass jemand ahnte, dass sie dort war." (Klaus Taschwer, 16.2.2018)