1989 während des Betriebswirtschaftsstudiums organisierte Thomas Blaguss (50) Radtouren durch ganz Europa. Daraus wurde "Rad und Reisen", ein Reisebüro speziell für Radreisende, mit der die von seinem Vater gemeinsam mit seinem Bruder geführte Blaguss Reisen GmbH beim Fahrradboom von Anfang an dabei war. 1996 wurde der Vater dreier Kinder als Geschäftsführer eingesetzt, seit 2003 führt er die Blaguss-Gruppe gemeinsam mit seinem Cousin Paul, beide sind gleichberechtigte Hälfteeigentümer. Warum von der Kooperation mit Flixbus beide profitieren und es schwierig ist, Buslenker zu finden.

STANDARD: Bis vor kurzem war Reisen mit dem Autobus hoffnungslos altmodisch. Hat Sie das überrascht, dass junge Leute im Fernbus quer durch Europa fahren?

Blaguss: Ich hätte vor fünf, sechs Jahren nicht damit gerechnet, dass das noch einmal so enorm Schlagzeilen macht. Aber wie so oft kommt der Prophet aus dem Ausland, aus Deutschland. Und Flixbus hat das sehr geschickt gemacht. Der Fernbus ist gegenüber anderen Verkehrsmitteln auch vom Preis her sehr attraktiv.

STANDARD: Die Vermittlungsplattform Flixbus sorgt für Auslastung, trägt also einen Teil des Risikos. Das macht es für die Buspartner wie Blaguss einfacher, oder?

Blaguss: Der Buspartner bekommt einen Teil der Einnahmen vom Kunden, und je nach Land kommt er damit aus oder nicht. Wobei man sagen muss: Wir in Österreich sind mit unseren Lohnnebenkosten und dem 13. und 14. Monatsgehalt eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähig in Europa. Es gibt nur noch die Schweiz, die noch höhere Gesamtkosten für die Produktion von Dienstleistungen hat. Deutschland ist zehn bis 15 Prozent günstiger. Das erfüllt mich mit etwas Wehmut – auch wenn es durchaus sinnvoll ist, dass Lohn- und Sozialdumping bekämpft werden und wir unsere Arbeitskräfte schützen wollen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob alles sinnvoll ist. Alle in der Branche suchen Buslenker, die Wiener Linien sagen, dass sie 150 Buslenker aufnehmen wollen. Es gibt einen Mangel an guten, qualifizierten Buslenkern. Die findet man nicht.

Gegen uns auf den gleichen Linien hätte es Flixbus auch nicht leicht gehabt. Wir hätten ihnen das Feld ja nicht kampflos überlassen.
Foto: Andy Urban

STANDARD: Bildet Blaguss Lenker aus? Fahrer bekommt man ja nicht nach Lehre oder Schule, die brauchen den richtigen Führerschein und im Idealfall Erfahrung ...

Blaguss: Wir haben viel ausprobiert, auch in Kooperation mit dem Arbeitsmarktservice und mit Förderungen dahingehend, dass die Führerscheinausbildung inkludiert ist. Es wird probiert, teilweise auch sehr zielführend. Aber das grundsätzliche Problem bleibt: Das Berufsbild des Busfahrers hinkt im Image hinterher. An sich ist das ein moderner Beruf, sehr abwechslungsreich und mit gutem Verdienst. Das hat uns auch groß gemacht in den 1960er- und 1970er-Jahren. Da hatten wir hauptsächlich burgenländische Lenker vom alten Schlag, die noch gern weggefahren sind ...

STANDARD: ... die zu Hause sowieso keine Arbeit gefunden hätten ...

Blaguss: Heute ist es umgekehrt, die Leute wollen regelmäßige Arbeitszeiten, stabile Dienstpläne. Früher sind die Fahrer mit ihrem Bus nach Hause gefahren, der stand dann vor ihrem Haus und die Frau hat ihn geputzt, der Bus war das erweiterte Wohnzimmer. Die Leute waren stolz, haben sich mit der Firma und ihrem Bus identifiziert.

STANDARD: Was bietet Blaguss an Extras, um zum Beispiel die Wiener Linien auszustechen?

Blaguss: Wir investieren viel in die Ausbildung unserer Lenker, in Fahrsicherheitstrainings, ökonomisches Fahren, Sprachkurse sowie Schulungen in Konfliktmanagement für den Umgang mit schwierigen Kunden – und in die Busse. Da machen wir weit mehr, als der Gesetzgeber vorschreibt.

STANDARD: Was konkret sollte der Gesetzgeber ändern?

Blaguss: Wir müssen wettbewerbsfähig werden, was wir im Moment nicht sind. Die steuerliche Belastung von Arbeit und Dienstleistung ist viel zu hoch. Obwohl wir bei den Gehältern im oberen Bereich sind, bleibt dem Angestellten netto nicht genug übrig. Es muss ja Gründe geben, warum es kaum Busfahrer gibt.

STANDARD: Blaguss Reisen hat eine breite Palette von Touristik bis zu den Linienbussen. Wie ist die Arbeitsaufteilung mit ihrem Cousin Paul Blaguss?

Blaguss: Die Aufteilung bei uns ist unorthodox. Einerseits geht es über die Funktionen, ich bin zum Beispiel für allgemeine Verwaltung, Marketing, Finanzen zuständig. Anderseits haben wir es einfach nach Teilbetrieben aufgeteilt, zum Beispiel: Paul macht den Donauturm und ich Flixbus; er macht den Linienverkehr in Wien, ich Tourismus-Incoming. Aber das Allerwichtigste ist: Wir treffen alle Entscheidungen gemeinsam, ob es jetzt um die Anstellung wichtiger Mitarbeiter geht oder um die Expansion.

STANDARD: Eine gemeinsame Firma zweier Cousins, das ist auch nicht alltäglich. Wie kam das?

Blaguss: Unser Großvater hat das Unternehmen gegründet und seine beiden Söhne haben es zu gleichen Rechten weiter aufgebaut. Die beiden haben sehr früh entschieden, dass jeweils nur einer aus jeder Familie ins Unternehmen eintritt. Bei uns war das ich.

STANDARD: Sie konnten es sich nicht aussuchen, mussten quasi in den elterlichen Betrieb eintreten?

Blaguss: Gezwungen hat mich niemand! (lacht) Ich habe es immer gern gemacht. Aber es war bei uns immer klar, dass ich das machen werde, weil ich der Älteste bin. Bei meinem Cousin ist es so, dass er das jüngste Kind der Familie ist, aber der einzige männliche Nachfolger. Heute ist dieses geschlechterspezifische Denken passé, aber früher war das halt so.

STANDARD: Zwei Familien, eine Firma – das geht oft nicht gut, weil es Differenzen im Hinblick auf Ausrichtung, Investitionen oder die Dividende gibt.

Blaguss: Die Geschichte lehrt uns, dass es einfacher ist, je weniger Familienmitglieder involviert sind. So gesehen waren unsere Eltern klug, sie haben früh den Rahmen abgesteckt, Regeln aufgestellt. Ich glaube, wir können uns beide nicht beklagen.

STANDARD: Die Volksweisheit von der dritten Generation, die zerschellt, was die Ahnen aufbauten ...

Blaguss: ... das verdränge ich. Das kenne ich gar nicht! (lacht)

STANDARD: So eine Größe wie jetzt hatte das Unternehmen nie zuvor.

Blaguss: Das stimmt, und wir sind auch noch nicht fertig.

2015 leistete sich Thomas Blaguss den Donauturm.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Blaguss hat vor zwei Jahren den Donauturm gekauft und wagte sich damit in ein neues Geschäftsfeld. Was kommt als Nächstes, Segelreisen? Das ist ja eines Ihrer Hobbys ...

Blaguss: Wir hatten einmal vor 15, 20 Jahren Hausboote in Irland in unserem Programm. So bin ich auch zu dieser Leidenschaft gekommen, weil ich das Angebot ausprobiert habe – ohne Wind, sondern mit Motor. Aber das ist etwas sehr Spezielles, das wir nur mit einem starken Partner machen würden. Aktuell ist das kein Thema. Boote auf dem Meer, die man über Internet mietet – da gibt es Angebote wie Sand am Meer.

STANDARD: Stichwort Reisebüro: Was machen Sie selbst, was mit Partnern?

Blaguss: Wir haben eine Tochter, die Reisebüros in Wien, in Salzburg, im Burgenland, in Niederösterreich und in Ungarn betreibt. Wir haben auch einen kleinen Reiseveranstalter, der einmal sehr groß war, sogar mit Flugreisen, jetzt aber nur mehr kleine, feine Spezialangebote arrangiert.

STANDARD: Immer mit Affinität zum Bus?

Blaguss: Ja, meist sind es Mischformen, Event- und Veranstalterprodukte wie "Ski 4 School". Das ist ein Angebot für Schulen: ein Tag Skifahren mit Liftkarte, Leihausrüstung inklusive Helm, An- und Abreise schon ab 29 Euro, ein unschlagbarer Preis.

STANDARD: Flixbus expandiert in Süd- und Südosteuropa. Über die EU-Grenzen hinaus geht nicht viel weiter, warum?

Blaguss: Wir waren immer in vielen Ländern aktiv, weil wir Mitglied der Gemeinschaft Eurolines waren. Schwachpunkt dieser Kooperation war, dass zwar die Fahrpläne abgestimmt waren, aber sonst die Eigeninteressen der Mitglieder, alles Busunternehmer, im Vordergrund standen. Es gab kein großes Ganzes. Das hat Flixbus richtig gemacht und entschieden, dass sie als Marke auftreten, selbst aber nicht Bus fahren. Wir haben uns rechtzeitig entschieden: Wir kämpfen nicht gegen Flixbus, sondern sind Teil der Flixbus-Welt und fahren mit ihnen im CEE-Netzwerk. Davon profitieren wir beide, denn gegen uns auf den gleichen Linien hätten sie es auch nicht ganz leicht gehabt. Wir hätten ihnen das Feld ja nicht kampflos überlassen. Die Länder außerhalb der EU sind schwieriger, weil es abgeschottete Märkte sind.

Thomas Blaguss (sitzend) und Flixbus-Chef André Schwämmlein. Gemeinsam mit der deutschen Flixbus erleben Fernreisen in Komfortbussen eine Renaissance, von der eingefleischte Busunternehmer wie Thomas Blaguss nie zu träumen gewagt hätten.
Foto: Blaguss

STANDARD: Woher kommen die Leute, die jetzt mit dem Bus fahren?

Blaguss: Die Nachfrage ist größer geworden. Früher sind wir ein bis zwei Linien nach Budapest gefahren, ab Sommer werden es sieben bis acht sein. Das Wachstum resultiert nicht aus Verdrängung. Unter der Eurolines-Flagge sind wir vielleicht fünf bis sechs Busse gefahren, heute fahren wir für Flixbus 55 Busse. Es gibt mehr Konkurrenz. Flixbus geht da einen sehr ökonomischen Weg. Es ist ein hartes Geschäft, niemand zwingt uns, das zu machen, aber wenn man gute Linien hat, funktioniert das.

STANDARD: Blaguss hat den Westbus und das Salzburger Busunternehmen Vorderegger gekauft. Ist das Marktbereinigung, die halt was kostet, oder echte Expansion?

Blaguss: Beim Busbetrieb Vorderegger war es sozusagen Zufall, wir sind zuerst eingestiegen und haben den Betrieb dann ganz übernommen. Der Grund ist einfach: Wir sind hauptsächlich im Osten Österreichs tätig. Wir sind nicht gleich nach Vorarlberg gegangen, sondern zuerst einmal nach Salzburg. Das Salzburger Land ist vor allem touristisch eine interessante Gegend, und wir erweitern unseren Radius damit Richtung Westen.

STANDARD: Der Busbahnhof in Wien-Erdberg platzt bald aus allen Nähten, die Stadt hat noch kein neues Grundstück in Aussicht gestellt. Welchen neuen Standort bevorzugen Sie als Terminalbetreiber?

Blaguss: Wir unterstützen jeden neuen Standort, der die wichtigsten Kriterien erfüllt: Die U-Bahn muss fußläufig erreichbar, die Anbindung an die Autobahn gegeben sein, Infrastruktur wie Toiletten, Trafik, Proviant-Shop. Wir würden das Terminal auch weiter betreiben, wenn es gewünscht ist. (Andreas Danzer, Luise Ungerboeck, 17.2.2018)