Damaskus – Die Kurdenmiliz YPG hat nach eigenen Angaben Hinweise auf einen Gasangriff des türkischen Militärs auf ein Dorf in der syrischen Region Afrin. Bei dem Beschuss nahe der türkischen Grenze seien am Freitag sechs Menschen verletzt worden, sagte ein YPG-Sprecher. Sie hätten Atemprobleme und zeigten weitere Symptome eines Gasangriffs.

Ähnliche Angaben machten die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sowie die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana. Beide beriefen sich auf Ärztekreise in Afrin.

Die Türkei hat Vorwürfe zurückgewiesen, ihr Militär habe bei ihrer Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in der nordsyrischen Region Afrin Giftgas eingesetzt. Das seien haltlose Anschuldigungen, sagte ein türkischer Diplomat am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. "Die Türkei hat niemals Chemiewaffen eingesetzt. Wir sind bei der Operation Ölzweig überaus vorsichtig gegenüber Zivilisten", betonte der Diplomat.

Der türkische Diplomat wies auch die Berichte über Verletzte zurück und nannte sie "schwarze Propaganda". Die türkische Armee war im Zuge der "Operation Ölzweig" (Zeytin Deli Harekati) im Jänner im Norden Syriens einmarschiert und will die YPG aus Afrin bis hinter den Euphrat vertreiben. Die Türkei betrachtet die YPG als Terrororganisation und will ihr Erstarken an der Grenze verhindern. Sie hält die Miliz für den verlängerten Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in der Türkei seit Jahrzehnten für Autonomie kämpft.

Yildirim verteidigt die Offensive

Der türkische Regierungschef Binali Yildirim hat die Offensive der türkischen Truppen gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) im syrischen Afrin am Samstag verteidigt. Die Türkei schütze an ihrer Südgrenze zu Syrien gleichzeitig die Nato-Ostflanke, sagte Yildirim am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

Im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) "sollten wir nicht gleichzeitig eine neue Terrororganisation schaffen, wenn wir Frieden in Syrien wollen". Die Regierung in Ankara sieht in der YPG den syrischen Zweig der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in der Türkei als Terrororganisation verboten ist.

Die USA unterstützen die YPG dagegen im Kampf gegen den IS mit Waffen und Spezialkräften. Die Türkei fordert die Einstellung dieser Militärhilfe. Trotz der Proteste ihres Nato-Partners wollen die USA an dem umstrittenen Bündnis jedoch festhalten. In der nordsyrischen Stadt Manbij drohte zuletzt eine direkte Konfrontation von US-Truppen und syrischen Truppen. Die Stadt westlich des Euphrat wird von der YPG kontrolliert, die Türkei fordert deren Abzug und drohte mehrfach mit einer Militäroffensive auf die Stadt.

Friedensgespräche sollen weitergehn

Yildirim sagte in München, während sein Land die Nato-Flanke schütze, würden andere Nato-Partner "mit einer terroristischen Organisation zusammenarbeiten". Zuletzt hatte sich das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei in der Frage wieder etwas entspannt, als beide Seiten bei einem Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson am Freitag in Ankara vereinbarten, ihr Vorgehen in Syrien künftig besser abzustimmen. Tillerson sagte, es werde "keine Alleingänge" der Nato-Partner mehr geben.

Yildirim sprach sich in München zudem für eine Fortsetzung der Genfer Friedensgespräche sowie der Syrien-Konferenzen von Sotschi und Astana aus. "Alle wesentlichen Akteure sollten an einer Konferenz in Genf teilnehmen." Das sei "von gewisser Dringlichkeit", weil die Zahl der Flüchtlinge außerhalb des Landes höher als die Gesamtzahl der in Syrien verbliebenen Bevölkerung sei.

Allein die Türkei habe 3,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Um die Probleme in Syrien zu lösen, müsse aber nicht nur der Extremismus bekämpft werden, sondern "wir müssen uns den Wurzeln zuwenden". Yildirim forderte insbesondere den UN-Sicherheitsrat auf, sich verstärkt für eine gerechtere Ressourcenverteilung in der Region einzusetzen. (APA, Reuters, red, 17.2.2018)