2012 protestierte das Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm in Berlin für Musikerinnen und Feministinnen der russischen Punkband Pussy Riot. Heute liest man schier allerorts von der Gefahr für die Freiheit durch den Feminismus.

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Die Rede von der Gefährlichkeit des Feminismus ist so alt wie der Feminismus selbst. Immer dann, wenn Frauenrechtlerinnen an gesellschaftlichen Strukturen rüttelten, mussten sie auch als Schreckgespenst herhalten. In den Archiven finden sich Feministinnen, die die öffentliche Sicherheit gefährden und Familien zerstören, sich per Expressquote in den Chefetagen breitmachen und die deutsche Sprache verunstalten. Zurück blieb der in die letzten Refugien der Männlichkeit vertriebene und verunsicherte Mann.

Mit der Ausdifferenzierung feministischer Ideen und Theorien modernisierte sich schließlich auch der Antifeminismus. So warnen RechtspopulistInnen heute nicht mehr vor garstigen Emanzen, sondern einer Umerziehung durch Gender-Mainstreaming. Das vermeintliche Ziel: der neue, geschlechtslose Mensch.

Antifeminismus kommt aber keineswegs immer nur von rechts. Das deutsche Feuilleton führt nun schon seit einem halben Jahr eine Debatte, die die "feministische Korrektheit" als den Feind der demokratischen Grundordnung seziert. Die Forderung von Studierenden der Berliner Alice-Salomon-Hochschule, ein von ihnen als sexistisch beurteiltes Gedicht an der Fassade zu übermalen und durch ein neues zu ersetzen, rief Empörte auf den Plan, die die Freiheit der Kunst an sich gefährdet sehen und allerlei absurde Schreckensszenarien entwerfen. So ortete Peter Huth, Chefredakteur der "Welt am Sonntag", einen "Generalangriff auf unsere Kultur und damit auf unsere Freiheit" und bezeichnete die Studierenden als "Tugendterroristen" und "Schariapolizei", die "Poesie unter Burkas aus Wandfarbe" verschwinden ließe.

Fassadenlyrik

Der Freiheit der Kunst konnten die Ereignisse an der Alice-Salomon-Hochschule freilich nie etwas anhaben: So wie die Entscheidung, das Gedicht von Eugen Gomringer an die Hauswand zu pinseln, keine demokratische war, gibt es auch kein Recht des Dichters, zeitlich unbegrenzt auf dieser Wand verewigt zu sein. Sein Werk ist frei erhältlich, das Gedicht mittlerweile weltberühmt. KommentatorInnen und PolitikerInnen zeichneten dennoch mit diebischer Freude das Bild eines wild gewordenen Mobs und bemühten NS-Vergleiche (Wehret den Anfängen!).

#MeToo kam da nur gelegen und lieferte den eifrigen Kämpfern gegen den feministischen Tugendterror neuen Stoff. Ein vorübergehend abgehängtes Gemälde in einem britischen Museum, Petitionen und Neubesetzungen in Hollywood: All das fügt sich plötzlich perfekt zusammen zu einem Bild aus "Hypermoral" und feministischer Zensurwut. Mit dem Schlagwort der "Empörungslust" werden RechtspopulistInnen und Feministinnen dabei schon mal in einen Topf geworfen – ein angesichts der allerorts erstarkenden, menschenfeindlichen Rechtsaußenkräfte besonders zynisches Unterfangen.

Antifeministische Hysterie

Die Fragen, die hinter all der Empörung stehen, sind freilich nicht irrelevant. Wie Museen etwa mit dem patriarchalen Erbe europäischer Kunst umgehen können und ob es wirklich klug ist, einzelne Werke einfach um- oder abzuhängen, darüber kann und soll eine – unaufgeregte – Diskussion geführt werden. Hysterische Scheindebatten führen indes just jene AkteurInnen, die diese Feministinnen so gerne in die Schuhe schieben. Um die herbeigeschriebene Bedrohung der Kunst- und Meinungsfreiheit einigermaßen plausibel erscheinen zu lassen, ist schon ein tiefer Griff in die Trickkiste nötig: Bei der Lektüre so mancher Artikel ("Bedroht die Debatte um das Geschlechterverhältnis die Freiheit der Kunst?", "Der Spiegel") entsteht der Eindruck, es seien überwiegend Radikalfeministinnen, die in Regierungs- und Redaktionsbüros wie in Kulturbetrieben im Chefsessel sitzen.

Dass im Zuge der #MeToo-Debatte jahrzehntealte feministische Forderungen erstmals Gehör finden und vereinzelt sogar Konsequenzen nach sich ziehen, bringt offensichtlich so manchen Beobachter ins Schwitzen. So furchterregend kann ein wenig (feministische) Macht sein. (Brigitte Theißl, 21.2.2018)