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Alexander Kruschelnizkis Dopingfall könnte Russlands Bemühungen um Glaubwürdigkeit im Antidoping-Kampf zunichte machen.

Foto: AP Photo/Aaron Favila

Pyeongchang – Den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang droht ein Doping-Beben – denn ausgerechnet ein Russe steht unter Verdacht. Nach übereinstimmenden Berichten russischer Medien ist der einheimische Curler Alexander Kruschelnizki positiv auf das verbotene Herzmittel Meldonium getestet worden.

Konstantin Wybornow, der Sprecher der "Olympischen Athleten aus Russland" (OAR) in Pyeongchang, bestätigte in Pyeongchang, "dass die Leitung unserer Delegation eine offizielle Nachricht des IOC erhalten hat eine mögliche Verletzung der Anti-Doping-Regeln betreffend. Wir werden den Namen des Athleten nicht nennen, bis die B-Probe geöffnet ist, was wir innerhalb der nächsten 24 Stunden erwarten."

Der Fall hätte Auswirkungen auf den Medaillenspiegel, denn Kruschelnizki hat im Mixed-Wettbewerb an der Seite von Anastassija Brysgalowa gegen Norwegen Bronze gewonnen. Danach soll die verdächtige Probe abgegeben worden sein.

Rehabilitierung Russlands an der Kippe

Sollte sich der Fall bestätigen, wird es hochinteressant: Die durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Aussicht gestellte Rehabilitierung Russlands noch vor der Schlussfeier wäre mehr denn je fraglich. Russlands Athleten müssen in Südkorea wegen des Staatsdopingskandals bei den Winterspielen als "OAR" unter neutraler Flagge starten.

Der Ringeorden betonte in einer Stellungnahme, dass das Doping-Testsystem in Pyeongchang unabhängig vom IOC sei und man deshalb zu laufenden Verfahren keine Stellung nehmen könne. Man habe das Statement des OAR-Sprechers zur Kenntnis genommen. Sollte der Fall bestätigt werden, werde er von der IOC-Kommission bewertet, die den Prozess der Wiedereingliederung des momentan suspendierten russischen NOKs betreut. Die vom IOC-Mitglied Nicole Hoevertsz geleitete Kommission soll dem Exekutivkomitee eine Empfehlung geben, ob Russland schon vor der Schlussfeier begnadigt werden soll.

Ein Dopingfall zu viel

"In dieser Gemengelage wäre ein russischer Dopingfall einfach einer zu viel. Das IOC sollte unter diesen Umständen nicht sein letztes Druckmittel aus der Hand geben", sagte der Nürnberger Dopingexperte Fritz Sörgel dem SID: "Bestätigt sich der Fall, sollte die Suspendierung des russischen NOK über die Schlussfeier hinaus aufrechterhalten werden."

Der Internationale Sportgerichtshof CAS, dessen Anti-Doping-Einheit in Pyeongchang für die Behandlung von Dopingfällen zuständig ist, wollte am Sonntagabend (Ortszeit) die Berichte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP nicht bestätigen und sich nicht weiter äußern.

"Ich weiß von all dem nichts", wurde Kruschelnizki von Sport Express zitiert. Der Branchendienst insidethegames meldete am Abend, Kruschelnizki habe gegenüber russischen Offiziellen den Verdacht geäußert, ein Teamkollege, der im Trainingscamp in Japan kurz vor Beginn der Spiele aus der Mannschaft geflogen ist, habe Meldonium in sein Getränk gemischt.

Sein Trainer Dimitri Melnikow meinte, er hoffe, es handle sich "um einen Fehler": "Alexander hat das Mittel bis 2016 genommen, bis es verboten wurde. Seitdem nicht mehr." Dimitri Swischtschew, Präsident des russischen Curlingverbandes, betonte, dass man sich "da im Moment noch auf der Ebene der Spekulation" bewege. Er hoffe, dass es einen Fehler gab, "ansonsten ist es eine Katastrophe", sagte Swischtschew in einem Interview mit Sowetski Sport. Noch am 22. Januar seien die Curler getestet worden, "da war alles sauber".

Erhöhter Druck

Meldonium ist ein die Durchblutung förderndes Mittel, das seit Anfang Januar 2016 auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA steht. Das Mittel fand durch den Fall Maria Scharapowa weltweite Beachtung. Die ehemalige Tennis-Weltranglistenerste wurde im Januar 2016, kurz nach Inkrafttreten des Verbots, bei den Australian Open in Melbourne mit dem Mittel erwischt. Der Internationale Tennisverband sperrte sie am 8. Juni 2016 für zwei Jahre, die Strafe wurde nach einem Urteil des CAS auf 15 Monate verkürzt.

In Pyeongchang wäre es der zweite Dopingfall, nachdem der japanische Shorttracker Kei Saito positiv auf die maskierende Substanz Acetazolamid getestet worden war.

Dass Russland nach dem Staatsdoping-Skandal um die Winterspiele vor vier Jahren in Sotschi und den nicht enden wollenden juristischen Nachspielen, die sich bis zum Tag der Eröffnungsfeier in Pyeongchang zogen, nun erneut im Mittelpunkt eines Dopingfalls stehen könnte, birgt immensen sportpolitischen Sprengstoff. Denn die "Olympischen Athleten aus Russland" starten in Südkorea auf Bewährung.

Allerdings hat das IOC die Kriterien, auf deren Grundlage die Entscheidung über eine Begnadigung schon vor der Schlussfeier fällt, nie öffentlich gemacht. In Pyeongchang halten sich hartnäckig Gerüchte, dass eine Wiedereingliederung des suspendierten russischen NOK in die olympische Familie bereits ausgemachte Sache sei. Ein russischer Dopingfall würde den Druck auf alle Beteiligten in diesem Verfahren enorm erhöhen. (sid, red, 18.2.2018)