Bild nicht mehr verfügbar.

Bis zu ein Fünftel der Transportkosten entfällt auf Bürokratie, Mittelsmänner und fast unzählige Fracht- und Zolldokumente. Ein Blockchain-Projekt soll Abhilfe schaffen.

Foto: Reuters

Wien – Blockchain lautet ein Zauberwort, das derzeit in vielen Branchen Hoffnungen weckt. Die Technologie hinter Kryptowährungen wie Bitcoin kann mehr, als bloß digitales Geld zu verwalten, sondern sie kann – vereinfacht gesagt – auch wie ein globales Notariat eingesetzt werden, das über das Internet abgewickelt wird. In den meisten Fällen steht die Praxistauglichkeitsprüfung allerdings noch aus. Dies in der Fracht- und Transportbranche, die für den Einsatz der Blockchain geradezu prädestiniert erscheint, zu ändern, haben sich der Logistikkonzern Moller Maersk und der IT-Riese IBM zum Ziel gesteckt.

Nach fast zweijähriger Zusammenarbeit befindet sich nun ein Joint Venture beider Konzerne in Gründung, um auf dessen Plattform beider Lösungen auch anderen Unternehmen zugänglich zu machen. Dadurch sollen Abläufe beschleunigt, vereinfacht und damit auch kostengünstiger werden. Vier von fünf Gütern des alltäglichen Bedarfs kommen über das Meer, und dabei entsteht etwa ein Fünftel der gesamten Transportkosten durch die Vielzahl an benötigten Dokumenten und Mittelsmännern – mit entsprechendem Einsparungspotenzial, von dem auch Endverbraucher profitieren sollen. "Heutzutage wird ein großer Teil an Ressourcen in ineffizienten und fehleranfälligen manuellen Prozessen verschwendet", erklärt Ex-Mearsk-Manager Michael White, der das Joint Venture leitet.

Informationen in Echtzeit

Für einen Versand eines Containers können derzeit bis zu 200 Dokumente und Kommunikation mit mehr als 30 Personen nötig sein. Hersteller, Reedereien, Transportfirmen, Häfen, Terminals und Zollbehörden sollen mit an Bord geholt werden, um in dem Blockchain-System eine gemeinsame und unveränderliche Aufzeichnung aller Daten zu ermöglichen. Bei dem Joint Venture legen Maersk und IBM den Fokus derzeit darauf, allen Beteiligten Informationen in Echtzeit zugänglich zu machen und die Zollabwicklung zu digitalisieren. Von Konzernen wie General Motors und Procter & Gamble bis zu den Zollbehörden von Singapur und Peru sollen bereits viele Organisationen ihr Interesse an den Lösungen des Joint Ventures signalisiert haben.

Für Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien, hat Blockchain das Potenzial, die Branche umzukrempeln. "Die Kooperation von IBM und Maersk ist folgerichtig, da es für Verkehrsunternehmen und Logistikdienstleister wahrscheinlich überlebenswichtig ist, sich damit zu beschäftigen", hebt er hervor. Beiden Konzernen geht es bei dem Joint Venture auch darum, einen neuen Industriestandard zu etablieren, wie Maersk-Vorstand Vincent Clerc offen zugibt. Dabei erwartet er aus Teilen der betroffenen Firmen und Organisationen "anfänglichen Widerstand", betont jedoch: "Der Erfolg der Plattform hängt von der Akzeptanz aller Teilnehmer ab."

Branche muss mitspielen

"IBM und Maersk versuchen, der Branche ihren Stempel aufzudrücken", sagt Mario Dobrovnik, der an Kummers Institut ein Forschungsprojekt zum Thema Blockchain betreut. Für spannend hält er das Joint Venture, da beide Konzerne "in ihrem Bereich führend sind", Maersk als weltgrößte Reederei und IBM bei Blockchain. Der IT-Riese arbeitet etwa auch gemeinsam mit mehreren Banken an einer auf dieser Technologie basierenden, Batavia genannten Plattform zur Finanzierung des Warenhandels, bei der auch die Erste Group an Bord ist.

Für Maersk und IBM "wird es Überzeugungsarbeit brauchen", damit alle Player ihren neuen Standard akzeptieren, sagt Dobrovnik. Dabei helfen sollten die dünnen Margen in der Containerschifffahrt, welche die zu erwartende Kostenersparnis reizvoll machen. Oder die Befürchtung, dass Unternehmen, die nicht mitmachen, langfristig auf der Strecke bleiben könnten. "Man muss aufs richtige Pferd setzen, gibt Dobrovnik zu bedenken.

Allerdings gelte es vor einem großflächigen Einsatz rechtliche und technologisch Herausforderungen zu überwinden. Gesetzgeber müssten Rahmenbedingungen schaffen, damit Behörden statt herkömmlicher Zolldokumente digitale Pendants in der Blockchain von Maersk und IBM akzeptieren können. "Es wird auch die Grenzen der Technologie zeigen", sagt Dobrovnik und nennt als Beispiel: "Man weiß noch nicht, wie gut skalierbar die Blockchain sein wird." Es gebe bereits Beispiele, wo ihr Einsatz zu viel Aufwand erzeugt habe, um sie wirtschaftlich zu nutzen. (Alexander Hahn, 19.2.2018)