Im Südosten der Schweiz wird eine Sprache gesprochen, die laut der Volkszählungen im Jahr 2000 nur circa 60.000 Sprecher hat: Das Rätoromanische ist auf allen politischen Ebenen Amtssprache der Schweiz, auch wenn das oft vergessen wird. Sprachlich gibt es eine gewisse Verwandtschaft mit der ladinischen und furlanischen Sprache, ob diese aber eine Sprachfamilie bilden, ist hingegen umstritten.

Die Ursprünge der rätoromanischen Sprache liegen in der römischen Besiedelung der heutigen Schweiz. Um 700 reichte das Sprachgebiet bis zum Bodensee und bis ins heutige Vorarlberg, später verlagerte es sich in die Täler Graubündens und des Tessins. In Graubünden sprechen heute rund zehn Prozent der Bevölkerung das lange Zeit als "Bauernsprache" abgetane Rumantsch (Eigenbezeichnung). Eine Anerkennung der Sprache erfolgte erst nach dem Versuch Mussolinis, mithilfe der Rätoromanen seinen Anspruch auf die italienische Schweiz zu festigen. 1938 wurde schließlich Rätoromanisch zur vierten Landessprache der Schweiz erhoben, allerdings dauerte es bis 1996, bis das Romanische in der Bundesverfassung verankert wurde.

Rätoromanisches Programm in Gefahr

Als Landessprache haben die Rätoromanen auch ihren eigenen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In Chur, im Kanton Graubünden, produzieren die rund 120 Mitarbeiter der RTR (Radiotelevisiun Svizra Rumantscha) ein 24-Stunden-Radioprogramm, eine tägliche schweizweit ausgestrahlte Nachrichtensendung, eine wöchentliche Kindersendung und Dokumentationen. Parallel dazu wird eine Nachrichtenseite bespielt und eine Jugendplattform betrieben.

Sitz der Radiotelevisiun Svizra Rumantscha in Chur.
Foto: Gregor Novak

Am 4. März ist dieses Angebot in Gefahr. Eine Gruppe libertärer und rechtskonservativer Jungpolitiker hat eine Initiative eingebracht, nach der es nicht nur untersagt werden soll, Rundfunkgebühren einzuheben, sondern auch ein Verbot der Subvention von Rundfunkanstalten in der Bundesverfassung festgeschrieben werden soll. Noch mehr als bei den deutsch- oder französischsprachigen Sendern, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich ein rätoromanischer Sender nur über Werbung oder als Pay-TV finanzieren kann. Laut RTR hat die tägliche Nachrichtensendung Telesguard 30.000 Zuseher, die wöchentliche Dokumentation rund 40.000.

Medien als Mittel zur Erhaltung der Sprache

Zwar gibt es noch immer dutzende Gemeinden mit romanischer Mehrheitsbevölkerung und ein ausgebautes romanisches Schulsystem, doch ist die Zahl der Sprecher kontinuierlich am Abnehmen. Für den Erhalt der Sprache sind jedoch eigene Medien unbedingt notwendig, sie ermöglichen nicht nur den Gebrauch der Sprache, sondern dienen auch der "Sprachpflege". So werden beispielsweise immer wieder neue Wörter für das romanische Wörterbuch der rätoromanischen Dachorganisation Lia Rumantscha von Redakteuren des RTR vorgeschlagen. Ohne Medien könnten sich diese nicht verbreiten.

Die fehlende romanische Standardsprache

Anders als in den meisten Sprachen entwickelte sich im Rätoromanischen keine Standardsprache. Ganz im Gegenteil: Durch die Talstruktur des Siedlungsgebiets haben sich fünf normierte Schriftsprachen herausgebildet, die untereinander teilweise erhebliche Unterschiede aufweisen. Die künstlich normierte Hochsprache Rumantsch Grischun konnte sich bisher nur als Amtssprache durchsetzen, eine weitere Verbreitung scheiterte an der fehlenden Akzeptanz durch die Rätoromanen. So verwenden die Journalisten ihre eigene Schriftsprache für ihre Beiträge und tragen auch so zur Sprachenvielfalt der Schweiz bei.

Das Institut Dicziunari Rumantsch Grischun in Chur dokumentiert den Wortschatz des Rätoromanischen.
Foto: Gregor Novak

Was passiert mit der Schweizer Sprachenvielfalt?

Genau diese Vielfalt ist durch die Initiative "No Billag" in Gefahr, was inzwischen auch zu einer bedeutenden Facette der öffentlichen Debatte wurde – so unterstützen auch romanische und italienische Organisationen eine Kampagne gegen "No Billag". Die letzten Umfragen prognostizieren ein 60-prozentiges Nein zu den Vorschlägen der Initiative. Dominic Blumenthal von der romanischen Jugendorganisation Giuventetgna Rumantscha (Giuru) und Mitarbeiter der Kampagne "Flurin ed Ursina – NA a No Billag" befürchtet allerdings bei einem knappen Ergebnis kein Ende der Debatte.

Es bleibt also zu hoffen, dass die Wahlberechtigten der Schweiz die Initiative am 4. März ablehnen. Ein Ja könnte auch in Österreich die Debatte rund um den ORF befeuern, mit möglichen Gefahren für die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit auch die Zukunft der Volksgruppenredaktionen in Österreich. (Gregor Novak, 2.3.2018)