Zwei Leichen, viele Rätsel – von links nach rechts: Michael Fitz (Hubert Mur), Florian Teichtmeister (Peter Palfinger), Fanny Krausz (Irene Russmeyer) und Erwin Steinhauer (Alfons Seywald) in "Die Toten von Salzburg – Zeugenmord" am Samstag, 24. Februar, um 20.15 Uhr in ORF 1.

Foto: ORF/Satel Film/Toni Muhr

STANDARD: Sie sitzen im Rollstuhl und ermitteln zum zweiten Mal als Major Palfinger in der Krimireihe "Die Toten von Salzburg" ("Zeugenmord" am Samstag in ORF 1). Wie gut können Sie schon mit dem Rollstuhl umgehen?

Teichtmeister: Es hat sich tatsächlich gebessert, das war auch die Hoffnung (lacht). Ich habe einige Stunts mehr gemacht und die gelegentlichen Stufen bergab, die man probieren möchte. Nach dem ersten Fall habe ich von einigen Rollstuhlfahrern Feedback bekommen. Sie haben mir Mut gemacht, dass ich das schon ganz gut kann.

STANDARD: Anhand des ersten Teils?

Teichtmeister: Ja, und das hat mir auch wirklich was bedeutet. Auch wenn ich betonen möchte, dass ich keinen Rollstuhlfahrer spiele, sondern einen Menschen, der im Rollstuhl durch die Welt rollt oder auch nicht. Wichtig war mir, dass man nicht Schindluder treibt, und das geschulte Auge sieht sehr wohl, dass das für mich nicht alltäglich ist. Alle jüngeren, sportlichen Menschen im Rollstuhl haben mir bestätigt, dass jeder von ihnen anfangs geblutet hat und es immer noch tut. Das hat mich darin bestärkt, an die Grenzen zu gehen und ganz salopp gesagt auf die Schnauze fliegen. Und das ist auch passiert.

STANDARD: Direkt am Filmset?

Teichtmeister: Ja, das ist lustig, weil dann gleich 20 Leute auf einen hinspringen und glauben: Jetzt ist er kaputt (lacht). Beim Dreh habe ich es so gehalten, dass ich tagsüber so wenig wie möglich aus dem Rollstuhl rauswollte. Und wenn die Drehpause einmal länger dauert, ich irgendwo runterhüpfe oder rauffahre, dann macht es halt einen Klescher mit dem Rollstuhl. Alle sind gleich da und glauben, der Darsteller ist kaputt und kann nicht mehr weiterspielen. Aber so schnell vergeht Unkraut nicht.

STANDARD: Zwischen dem ersten und jetzt zweiten Teil liegen zwei Jahre. Haben Sie in der Zwischenzeit mit dem Rollstuhl trainiert?

Teichtmeister: Ich habe gebeten, den Rollstuhl in meiner Nähe haben zu dürfen. Das ist aus produktionstechnischen Gründen nicht gegangen, allerdings habe ich ihn wieder zwei Monate vor Drehbeginn bekommen. Nur dieses Mal habe ich den Winkel der Räder steiler gemacht und berücksichtigt, was ich in der Zwischenzeit von Rollstuhlfahrern gelernt oder erzählt bekommen habe. Ich habe mir etwa auch Rollstuhltanz angeschaut oder einfach, was es für Freizeitaktivitäten gibt. Eigentlich hatte ich Lust, und es könnte sein, dass dies auch Eingang in die nächsten Filme findet, den Herrn Palfinger zu zeigen, wie er seine Freizeit sportlich verbringt. Man kann, meine ich, beinahe jeden Sport mit Gleichgesinnten im Rollstuhl ausüben, ob das jetzt Tennis ist, Handball, Skifahren oder Basketball. Das wollte ich alles probieren. Letzten Winter bin ich mit Monoskifahrern gefahren. Wahnsinnig toll.

STANDARD: Ist es Anspruch des Films, diese Botschaft zu vermitteln, dass man mit dem Rollstuhl vieles oder beinahe alles machen kann?

Teichtmeister: Ich denke nicht, dass es die Uridee ist, denn es ist immer noch ein Krimi, aber dem Team ist es ein Anliegen, diese Normalität zu erzählen. Es ist ja nicht so, als wäre das jetzt so etwas unglaublich Außergewöhnliches. Jeder, der mit Rollstuhlfahrern zu tun hat, weiß, was sie in der Freizeit machen und leisten. Es kann nur sein, dass Zuseher, denen das Glück nicht beschert ist, Menschen mit anderen Bedürfnissen zu kennen, das nicht wissen. Kann man das denen zeigen und nur ein Mensch sagt: Ah, das wusste ich gar nicht, dann haben wir schon etwas erreicht und die Welt auch ein bisschen verändert. Auch wenn das jetzt sehr romantisch und pathetisch klingt, aber es ist so.

Doppelmord in einem Salzburger Krankenhaus: mit Anna Unterberger als Ärztin und Florian Teichtmeister als Ermittler.
Foto: ORF/Satel Film/Toni Muhr

STANDARD: Fungieren Sie durch diese öffentlichkeitswirksame Rolle auch als Botschafter für Barrierefreiheit?

Teichtmeister: Wenn die Community mich zum Botschafter beriefe, dann würde ich keine Sekunde zögern, es gerne machen, allerdings würde ich von mir aus nicht auf die Idee kommen, denn ich würde sagen: Nehmen wir doch bitte einen Rollstuhlfahrer. Es gab selbstverständlich berechtigte Fragen, warum ein Nichtrollstuhlfahrer einen Rollstuhlfahrer spielt. Das ist absolut berechtigt.

STANDARD: Dann stelle ich sie: Warum ist es so?

Teichtmeister: Wahrscheinlich weil es nicht so viele Schauspieler im Rollstuhl gibt. In die Auswahl hatte ich keinen Einblick. Der Punkt ist, dass man in der Konsequenz auch darüber sprechen müsste, ob ich etwa einen Burschenschafter spielen soll. Das klingt jetzt blöd, aber wenn man da anfängt und sagt, dass man Schauspielerei bis zu einem gewissen Grad nicht zulassen kann, dann könnte das sehr schnell an die Grenzen stoßen. Als Schauspieler versuche ich mit bestem Wissen und Gewissen, die beste und ehrlichste Annäherung zu schaffen, die ich hinbekomme. Wenn das auf positiven Widerhall stößt, freut mich das. Ich möchte mich aber nicht aufschwingen, für diese Menschen zu sprechen, das können sie schon selbst. Barrierefreiheit und Inklusion sehe ich seit zwei Jahren anders.

STANDARD: Fällt es Ihnen stärker auf?

Teichtmeister: Es geht über den Rollstuhl hinaus. Wenn beim Opernball der Fokus auf einem Pärchen liegt, das sich von hundert anderen unterscheidet, und ich merke, wie mich das berührt und wie toll ich das finde, dann bin ich stolz – und im selben Moment denke ich mir: Siehst du, Inklusion ist noch nicht so weit, dass es mir nicht einmal auffällt. Freue ich mich und empfinde was Besonderes dabei, ist das in einem Moment eine große Befriedigung, aber man muss den einen Schritt weiter machen: Macht mich das so stolz, ist es noch nicht normal. Fällt es mir nicht mehr auf, dann sind wir näher an der Normalität. Das trifft auf alle Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu, ob körperlich oder geistig.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Felix Röper (links) und Swatina Wutha.
Foto: APA/Schlager

STANDARD: Stadt und Land Salzburg fördern den Film finanziell, um für Tourismus zu werben, was man etwa daran sieht, dass die Festung immer wieder penetrant im Bild ist. Stört Sie das als Schauspieler?

Teichtmeister: Eine hochinteressante Frage, über die ich ehrlicherweise noch nicht nachgedacht habe. Das mag auch der schauspielerische Tunnelblick sein. Ich kann darauf einfach nur sagen: Da würde ich Sie bitten, die Zuseher zu fragen und nicht mich, weil ich in diesem Fall wohl betriebsblind bin. Oder die Leser: Schreiben Sie das in die Postings, und wir lesen beide, was die Leute davon halten (lacht).

STANDARD: Wie sehen Sie die ORF-Aktion Licht ins Dunkel. Autor und Medienpädagoge Franz-Joseph Huainigg hat kürzlich in einem "Kommentar der anderen" im STANDARD die Kritik formuliert, dass allein durch den Namen Menschen mit Behinderungen zu Almosen- und Fürsorgeempfängern degradiert werden. Bräuchte es einen Paradigmenwechsel, um Vorurteile abzubauen?

Teichtmeister: Ich kann das Argument gut nachvollziehen. Sprache schafft Bewusstsein. Ehrlich gesagt fühle ich mich nicht berufen, hier Position zu beziehen, kann den Gedankengang aber absolut verstehen und begrüße den Prozess. Wenn Licht ins Dunkel suggeriert, dass alle Menschen mit Behinderungen im Finsteren leben, weinend im Eck kauern und darauf hoffen, dass sich jemand ihrer erbarmt, dann finde ich absolut legitim zu sagen: Nein, mit mir nicht. So wie viele Rollstuhlfahrer sagen, dass ihnen das Mitleid am meisten auf die Nerven geht, ist das eine ähnliche Debatte. Ich war immer schon vorsichtig, bin es aber jetzt mehr denn je, dass ich sage, aus meiner Position heraus etwas zu wissen. Ich weiß gar nichts. Der Diskurs darüber ist jedenfalls gut, und wenn am Ende eine Bewusstseinsveränderung in die eine oder andere Richtung passiert, dann war das notwendig.

STANDARD: Apropos Bewusstseinsveränderung: Die #MeToo-Debatte ist längst auch in Österreichs Schauspielbusiness angekommen. Waren auch Sie Zeuge von Macht und Missbrauch?

Teichtmeister: Ich kann von einer Geschichte am Theater berichten, als sich ein Regisseur nach meinem Dafürhalten verbal daneben benommen hat, was dazu geführt hat, dass ich ihm körperliche Gewalt angedroht habe. Er hat dann den Direktor rufen lassen, dieser hat sich wiederum hinter die Schauspieler gestellt, und dann war wieder Ruhe. In dieser Kette haben einige Leute einiges richtig gemacht: Von dem Moment, als jemand aufgestanden ist, bis zu dem Moment, als jemand gesagt hat, ich stelle mich hinter die Leute. Bei aller systemimmanenten Problematik ist dieses Business nicht frei von Menschen, die Sachen richtig machen und mutig sind. Ich behaupte nicht, dass es das andere nicht gibt. Im Zuge der gesamten Debatte möchte ich nur manchmal auch gerne laut rufen: Nicht vergessen, hin und wieder macht jemand etwas richtig.

STANDARD: Indem diese Spirale durchbrochen wird?

Teichtmeister: Ja, oder weil er aufsteht und sagt, ich kann das nicht mit mir vereinbaren. Diese Debatte wird auf der einen Seite von Menschen geführt, die betroffen sind, die etwas zu sagen haben. Wer bin ich, dass ich mich einmischen kann, um zu kommentieren, was in anderer Leute Leben passiert ist? Für so wichtig halte ich mich bei aller Eitelkeit auch nicht, dass ich glaube, dass die STANDARD-Leser nur darauf warten, was der Teichtmeister zu #MeToo zu sagen hat.

STANDARD: Wer weiß?!

Teichtmeister: Ich glaube es einfach nicht. Die Susanne Schnabl (ORF-"Report", Anm.) hat geschrieben: Wider den Hype. Wider den Shitstorm. Da möchte ich gerne mitmachen – bei der Entschleunigung und Enthysterisierung gewisser Debatten. Ich unterstelle der #MeToo-Bewegung jetzt bitte keine Hysterie, das möchte ich klarstellen. Ich glaube nur, dass alles sehr beschleunigt abläuft. Es würde mir im Traum nicht einfallen, jemandem etwas in Abrede zu stellen, ich möchte nur aus eigener Erfahrung sagen, dass es Frauen und Männer gab und gibt, die aufstehen und sagen: Halt. Diese Leute sollte man nicht vergessen. Vielleicht sind sie in der Minderheit, das mag sein, aber man sollte ihnen die Liebe und die Kraft geben, dass aus dieser Minderheit eine Mehrheit wird, und es kann sein, dass wir gerade dabei sind, das zu tun. (Oliver Mark, 24.2.2018)