Kolumbus trifft 1492 auf Vertreter der Taíno: Damit beginnt deren Leidensgeschichte, die das Volk fast vollständig vernichtete.
Illustration: Library of Congress

Kopenhagen/Wien – Einige ihrer Errungenschaften und Bezeichnungen haben bis heute überdauert: Die Begriffe Tabak, Kanu oder Hurrikan gehen auf die Taíno zurück, ein Volk, das diese Worte bereits verwendete, bevor es Christoph Kolumbus im Jahr 1492 willkommen hieß. Doch das Schicksal ihrer Nachfahren blieb lange unbekannt, da fast alle Vertreter der Taíno, die damals weite Teile der Karibik besiedelten, durch den Terror der Konquistadoren und deren eingeschleppten Krankheiten in nur wenigen Jahren starben.

Dennoch nennen sich heute rund 20.000 Puerto-Ricaner Nachfahren der Taíno, was durch DNA-Vergleiche heutiger Karibik-Bewohner nicht unberechtigt sein dürfte. Doch ein direkter Vergleich mit historischer DNA fehlte bis jetzt.

Nachfahren der Arawak

Etwas mehr weiß die Wissenschaft über die Ursprünge des Volks, das auf die Arawak-Populationen im Orinoco-Delta und im heutigen Venezuela zurückgeht. Von dort aus breiteten sich die Vertreter der Arawak vor gut 1200 Jahren in einigen Wellen auf den Antillen aus. Sie vermischten sich mit Menschen, die sich bereits in der Karibik etabliert hatten, und entwickelten auf der Insel Hispaniola (also dem heutigen Haiti und der Dominikanischen Republik), in Jamaika und Ost-Kuba, in Puerto Rico, den Virgin Islands und den Bahamas als Taíno eigene autarke Gemeinschaften.

Die Taíno kultivierten Yuca, Süßkartoffeln, Mais, Bohnen und andere Kulturpflanzen, ihren Höhepunkt dürfte die Ethnie in der Zeit des europäischen Kontakts erreicht haben. Man schätzt, dass gegen Ende des 15. Jahrhunderts allein auf der Insel Hispaniola rund eine Million Vertreter der Taíno gelebt haben.

"Viel Liebenswürdigkeit"

Kolumbus schildert das Volk in seinem Bordtagebuch als "unschuldig und von einer solchen Freigiebigkeit mit dem, was sie haben, dass niemand es glauben würde, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat." Sie zeigen "so viel Liebenswürdigkeit, als würden sie einem ihr Herz schenken." Die Spanier erwiesen sich als hartherziger: 1493 ließ Kolumbus in Hispaniola einen Taíno enthaupten – die erste schriftlich bezeugte Tötung eines Indigenen durch die Spanier.

In den nächsten Jahren brachen viele Katastrophen über das Volk herein, das von den Eroberern versklavt und terrorisiert wurden; eingeschleppte Krankheiten taten ein Übriges. So kam es, dass 16 Jahre nach dem ersten Kontakt zwischen Taínos und Spaniern nur mehr 60.000 Ureinwohner auf Hispaniola lebten, 1518 – also vor 500 Jahren – nur noch 4000.

Fand eine Vermischung statt?

Obwohl einige spanischen Berichte rund um 1600 die Taíno für ausgestorben erklärten, dürften einige Vertreter in abgelegenen Teilen Hispaniolas und Kubas überlebt und sich mit den Konquistadoren vermischt haben. Das gilt auch für Elemente der Taíno-Kultur: besondere Formen des Ackerbaus, der Architektur und der religiösen Praxis. Doch ist die Behauptung der heute lebenden Puerto-Ricaner gerechtfertigt, Nachkommen der Taíno zu sein?

Eine Antwort auf diese Frage liefert ein rund 1000 Jahre alter Zahn, der in einer Höhle auf Eleuthera gefunden wurde. Das ist eine Insel der Bahamas, die rund um das Jahr 1500 von Taíno bewohnt wurde, die von den Eroberern aber versklavt und im Bergbau in den Tod getrieben wurden.

Die Höhle namens Preacher's Cave auf der Bahamas-Insel Eleuthera, wo der 1000 Jahre alte Schädel einer Taíno-Frau gefunden wurde.
Foto: Jane Day

Forscher um Eske Willerslev und Hannes Schroeder (Universität Kopenhagen) konnten aus dem Zahn einer Taíno-Frau DNA gewinnen, diese analysieren und die Ergebnisse mit den Genomen von 40 indigenen Ethnien vergleichen, die heute am amerikanischen Doppelkontinent leben.

Aus einem Zahn dieses Schädel konnte die Taíno-DNA extrahiert werden.
Foto: Jane Day

Geschichte der Assimilation

Die Analysen, die nun im Fachblatt PNAS präsentiert wurden, lassen keinen Zweifel offen: Beim Vergleich der alten DNA mit der von 104 heute lebenden Puerto-Ricanern zeigte sich, dass bis zu 15 Prozent des uramerikanischen Erbes in dieser Gruppe eng damit verwandt sind.

Einer, der sich über das Ergebnis besonders freute, war Jorge Estevez, ein Taíno-Nachfahre und Mitarbeiter des Projektteams, der am National Museum of the American Indian in New York angestellt ist: "Ich wünschte, meine Großmutter hätte das noch erlebt. Denn das bestätigt, was sie bereits wusste: Die wahre Geschichte der Taíno ist eine Geschichte der Assimilation, gewiss. Aber nicht der totalen Auslöschung." (Klaus Taschwer, 19.2.2018)