Was Umberto Eco über die Geschichte gesagt hat- sie sei das Reich der Fälschung, der Lüge und der Dummheit -, gilt heute auch für die Hysterisierung des politischen Betriebs. Wir leben in einem Europa der Angst – Angst vor Terrorismus, vor dem Fremden und v. a. vor dem Zerfall jener liberalen Demokratie, die uns persönliche Freiheit und einen beispiellosen Wohlstand gesichert hat und die heute vom rechts- und linksextremen nationalistischen Populismus bedroht wird.

Der blutige, verdummende Irrweg des Nationalismus gilt nicht nur in Polen und Ungarn als Heilslehre mit Opfermythen. Auch Donald Trump, immer mehr verstrickt in Lügengeflechte, versucht mit seinem Versprechen "Make America great again" und kitschigen Tweets seine Machtpolitik zu legitimieren. Die säbelrasselnden Militärparaden in Moskau und das gezielte Einsetzen der potenten Waffe der Lügen und Fake-News bestätigen die Worte des deutschen Historikers Heinrich August Winkler, die Lehre aus der Geschichte für Putins Russland sei nicht Kooperation, sondern Konfrontation. Die Zaren von Alexander I. bis Nikolaus II. hätten ihre Freude an dieser Metamorphose eines ehemaligen kommunistischen Funktionärs gehabt.

Aber gibt es im Westeuropa glaubhaften und wehrhaften Widerstand gegenüber der nationalistischen Hetze und der von kurzfristigen Profitinteressen diktierten Beschwichtigung angesichts der aggressiven Politik des Kremls? Man richtet dieser Tage sorgenvolle Blicke vor allem nach Berlin, wo mit der Regierungsbildung auch die Zukunft der EU mitentschieden wird. Es geht freilich nicht nur um Deutschland. Vor allem in Italien droht nach den Parlamentswahlen am 4. März eine folgenschwere Periode der Unordnung.

Wer hätte das gedacht, dass der 81-jährige, viermalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi nach sieben Jahren der Versenkung wieder die Weichen für eine Mitte-rechts-Koalition stellen könnte? Er darf wegen eines Gerichtsurteils aus dem Jahr 2013 kein Regierungsamt bekleiden, doch zeigen die Umfragen, dass er noch immer die Unterstützung vieler Italiener gewinnen wird, die nach der Ermordung eines 18-jährigen Mädchens, angeblich durch nigerianische Drogenhändler, von einer Politik der starken Hand mehr Sicherheit erwarten. Der einstige Hoffnungsträger der Linken, Matteo Renzi, dürfte mit seinem Rücktritt nach dem verlorenen Verfassungsreferendum im Dezember 2016 in absehbarer Zukunft seine Chancen verspielt haben.

Die Regierungsunfähigkeit seit dem bedenklichen Brexit-Referendum kann der Beobachter derzeit in Großbritannien erleben. Die kraftlose und und zwischen Fraktionen ihrer konservativen Partei lavierende Regierungschefin Theresa May ringt mit einem unlösbaren Glaubwürdigkeitsproblem sowohl in Brüssel als auch in Westminster. Der bei den jungen Wählern chancenreichen Labour-Partei mangelt es unter der Führung der von einer linksextremen kommunistenfreundlichen Vergangenheit belasteten Jeremy Corbin an kommunikativer Kraft, um als glaubhafte Alternative zu wirken. Von Berlin bis Rom und London bleibt die Ungewissheit über die Zukunft der vorherrschende Eindruck. (Paul Lendvai, 19.2.2018)