Ein Waldarbeiter fällt einen von Schädlingen befallenen Baum.

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Luxemburg – Polen verstößt mit der Abholzung von Bäumen im geschützten Bialowieza-Urwald nach Ansicht des Generalanwalts Yves Bot am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen das Naturschutzrecht der Union. Die Ausbreitung des Borkenkäfers rechtfertige nicht den Bewirtschaftungsplan und die Abholzung in dem Urwald, heißt es in den am Dienstag in Luxemburg verkündeten Schlussanträgen Bots.

Meist übernimmt der EuGH die Empfehlungen seiner Experten. Mit dem Urteil wird in einigen Monaten gerechnet. Dem Generalanwalt zufolge widerspricht die Abholzung den Naturschutzzielen für das Gebiet, das Teil des Natura-2000-Netzes der EU ist. Die Abholzungen könnten nicht mit einer Ausbreitung des Borkenkäfers, dem sogenannten Buchdrucker, gerechtfertigt werden, weil es unterschiedliche wissenschaftliche Auffassungen zur Abholzung in solchen Fällen gebe.

EU-Kommission verklagte Warschau

2016 hatte das polnische Umweltministerium wegen der Ausbreitung des Borkenkäfers für den Zeitraum von 2012 bis 2021 nahezu eine Verdreifachung der Holzgewinnung allein im Forstbezirk Bialowieza erlaubt. 2017 wurde dann in drei Forstbezirken mit dem Fällen vom Buchdrucker befallener Bäume auf einer Fläche von etwa 34.000 Hektar des sich über 63.147 Hektar erstreckenden Natura-2000-Gebiets Puszcza Bialowieska begonnen.

Die EU-Kommission verklagte Warschau daraufhin im Juli 2017. Das geschützte Gebiet gilt als letzter Urwald Europas. Der Wald von Bialowieza erstreckt sich über 150.000 Hektar entlang der Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Teils sind die Wälder Schutzgebiete und zählen zum Weltnaturerbe und Biosphärenreservat der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco). Menschliche Eingriffe sind dort nur sehr eingeschränkt erlaubt, Besucher dürfen sich nur auf bestimmten Routen bewegen.

Heimat von Europas größtem Säuger

Im gesamten Wald sind 20.000 Spezies zu Hause, darunter 250 Vogel- und 62 Säugetierarten – wie zum Beispiel Europas größter Säuger, der Wisent. Auch Europas größte Bäume, 50 Meter hohe Tannen, stehen im Bialowieza-Urwald. Das Natura-2000-Netz verbindet Schutzgebiete in der gesamten EU und macht mehr als 18 Prozent der EU-Landfläche sowie sechs Prozent der Meeresfläche aus.

Lukas Meus, Wald-Sprecher bei Greenpeace in Österreich, betonte in einer Aussendung, dass sich Aktivisten monatelang eingesetzt hätten. "Die Stellungnahme des Generalanwalts bestätigt, was sie schon lange sagen: Der ehemalige polnische Umweltminister Jan Szyszko hat das Gesetz gebrochen. Nun liegt es an dem neuen Minister Henryk Kowalczyk, die Entscheidung seines Vorgängers zu kippen und endlich die notwendigen Schutzmaßnahmen für einen der letzten Urwälder Europas zu treffen." Der gesamte Bialowieza-Wald müsse zu einem Nationalpark werden, forderte Meus. (APA, AFP, 20.2.2018)