Wien – Der Schöffensenat unter Vorsitz von Norbert Gerstberger muss einen der seltsamsten Vergewaltigungsprozesse der vergangenen Monate führen. Denn entweder sind die drei Angeklagten aus der Demokratischen Republik Kongo ungewöhnlich brutale Täter, die eine junge Slowakin jeweils vergewaltigt haben, während die beiden anderen sie festhielten – oder Opfer einer Verleumdung, da die Frau unbedingt ein Kind mit einem Afrikaner wollte.

Erstangeklagter ist Djessy I., er ist auch der Grund, warum Jugendrichter Gerstberger zuständig ist. Laut eigenen Angaben ist er 19 Jahre alt. "Haben Sie Dokumente, die das belegen?", fragt der Vorsitzende den Angeklagten zu Beginn. "Ich habe eine Geburtsurkunde." – "In Österreich?" – "Ja, bei meiner Tante." – "Wurde die im Asylverfahren nicht vorgelegt?" – "Nein, damals hatte ich sie noch nicht." – "Damals wurde laut Gutachter nämlich festgestellt, dass Sie spätestens im Juni 1995 geboren wurden", meint Gerstberger. Die anderen beiden Angeklagten sind 22 und 23 Jahre alt.

In Innenstadtbar kennengelernt

Am 14. Oktober soll das Trio in einer Bar in der Kärntner Straße gewesen sein. Ebenso Frau R., die laut Staatsanwältin das Opfer ist. In der Anklage wird dem Trio vorgeworfen, die Frau mit einem Taxi in die Wohnung des Drittangeklagten gebracht und dort der Reihe nach vergewaltigt zu haben, ehe sie wieder freigelassen wurde. Stimmt nicht, sagen die Verteidiger Alfons Umschaden, Iris Augendoppler und Arthur Machac: Die Frau hatte mit allen freiwillig Sex, ihre Aussagen seien widersprüchlich und ihr Verhalten erst recht. Schließlich habe sie recht unmittelbar nach der angeblichen Tat noch mit ihrem Freund geschlafen.

Erstangeklagter Djessy I. erzählt, Frau R. habe ihn in der Bar angesprochen, man habe geplaudert. Sie kaufte ihm sogar eine Rose und küsste ihn, was auf einem Überwachungsvideo dokumentiert ist. Mehrmals habe sie auch erwähnt, sie wolle ein "Mischlingsbaby". "Hat sie das ernst gemeint?", fragt Gerstberger. "Ich weiß nicht. Ich bin noch nicht bereit für ein Baby." – "Wofür waren Sie denn bereit?" – "Ich dachte, sie will Sex." – "Sie nicht auch?" – "Sie hat mich in die Richtung gedrängt." – "Dachten Sie nicht, das Schlaraffenland ist über Sie hereingebrochen? Eine Frau, die Ihnen Blumen schenkt, sie küsst und ein Kind will?" – "Ich war schwach. Ich bin halt ein Mann."

Frau soll Kondom aufgerissen haben

Damals habe er gesagt, er sei müde und wolle heimfahren. "Sie hat gesagt, sie will mit, da der Freund, bei dem sie in Wien schläft, erst um 6 Uhr zu arbeiten aufhört", erzählt der Angeklagte. Man fuhr zu viert in die Wohnung, dort habe er mit ihr geschlafen, nicht ohne vorher nochmals eine Babydiskussion zu führen. "Ich habe gesagt, ich will ein Kondom verwenden. Sie muss es mit ihren scharfen Nägeln aufgerissen haben, das habe ich erst unter der Dusche bemerkt." Dass auch die beiden anderen Männer danach mit ihr Sex hatten, habe er nicht bemerkt, er sei im Badezimmer gewesen.

Bewiesen ist, dass Sperma von Zweit- und Drittangeklagtem auf dem T-Shirt der Frau gefunden wurde. Die Initiative sei von der Frau ausgegangen, sagen die beiden Angeklagten dazu. I. schildert jedenfalls, dass Frau R. gegen vier Uhr telefoniert habe, er selbst habe sie gegen 6 Uhr zum Taxi begleitet. Der Fahrer bestätigt das und beschreibt eine normale Verabschiedungsszene.

Die Frau wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Ihr Freund berichtet, dass sie ihn rund zweimal im Monat besucht habe. Am fraglichen Abend wollte sie daheim bleiben, während er arbeitete. Ab etwa 4 Uhr erhielt er Nachrichten: Sie sei in Schwierigkeiten und wisse nicht, wo sie sei, schrieb oder sagte Frau R. ihm. Als er um 7 Uhr heimkam, schlief sie, danach hatten sie "normalen Sex". Die Nachfrage Gerstbergers, ob sie geblutet habe, verneint der Zeuge. Ein Amtsarzt hatte später eine kleine Vaginalverletzung und eine Druckstelle am Arm festgestellt.

Am selben Abend ein weiteres Date

Überrascht ist der Zeuge, als er erfährt, dass sich seine Freundin an diesem Abend im Oktober via Dating-App auch mit anderen Männern Treffen ausgemacht hat. Einer davon kam sogar zu der Bar, wo Frau R. mit den drei Angeklagten war, sie wollte aber nichts mehr von ihm wissen.

Ihr Freund erzählt, sie habe nach dem Aufwachen gesagt, sie habe ihre Tasche bei einem Mann vergessen, den sie via Whatsapp kontaktierte. Tatsächlich ist belegt, dass I. ihr eine Nachricht geschickt hatte und sie darauf hinwies. Die Telefonnummern hatten die beiden bereits in der Bar ausgetauscht. Frau R. und ihr Freund fuhren zum Übergabeort der Tasche – der Erstangeklagte sei einer der Überbringer gewesen, erinnert sich ihr Freund.

Danach habe er seine Freundin zum Busterminal begleitet, erst dort habe sie von der Vergewaltigung erzählt – allerdings ohne Details. Daraufhin fuhr er mit ihr zur Polizei, um Anzeige zu erstatten.

"Erhebliche Bedenken" gegen Zeugin

Nach einer halben Stunde Beratung verkündet Gerstberger das Urteil: Die drei Angeklagten werden im Zweifel und nicht rechtskräftig freigesprochen. "Wir haben erhebliche Bedenken gegen die Aussagen der Zeugin", begründet der Vorsitzende. Und schränkt mit Blickrichtung auf die Staatsanwältin gleich ein: "Wir glauben nicht, dass sie glatt gelogen hat. Aber es könnte sich um eine psychisch nachvollziehbare Verdrängung handeln, mit der sie ihre Handlungen im Nachhinein rechtfertigt. Sie glaubt es wohl selbst." (Michael Möseneder, 21.2.2018)