Bild nicht mehr verfügbar.

In dieser schematischen Darstellung eines Quantencomputerprozessors ist zu sehen, wie Lichtstrahlen auf einen Nanokristall treffen.

Foto: Picturedesk / Science Photo Library

Wolfgang Lechner ist Assistant Professor an der Universität Innsbruck.

Foto: Fotostudio Interfoto

Innsbruck – Stellen Sie sich vor, Sie geben eine Party. Es ist eine kleine Runde, nur zehn Personen insgesamt. Als guter Gastgeber wollen Sie Ihre Freunde optimal um den Tisch platzieren. Nach einigem Hin und Her findet jeder seinen Platz – auch Ihr Bruder und seine Exfrau: Beide wollen nicht nebeneinander sitzen. Müssten Computer dieses Problem lösen, so würden sie zunächst kalkulieren, dass man in vielen verschiedenen Anordnungen Platz nehmen kann. Die Anzahl fällt überraschend hoch aus: Sie beträgt mehr als 3,6 Millionen. Jede dieser Varianten müsste dann auf die unerwünschte Nachbarschaft überprüft werden – numerisch ist das ein Albtraum. Und: Kommt nur ein einziger weiterer Gast hinzu, so wächst der immense Rechenaufwand nochmal um den Faktor 11.

Zugegeben, die Platzierung geht auch ohne Rechnungen. Aber strukturell ähnliche Optimierungsprobleme sind in Wissenschaft und Industrie allgegenwärtig: "Das reicht von Simulationsrechnungen zur räumlichen Struktur von Molekülen, was für die Entwicklung neuer Medikamente wichtig ist, bis zu komplexen Fragen der Logistik, in der Mathematik bekannt als das Problem des Handlungsreisenden", sagt der Physiker Wolfgang Lechner vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften und Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck.

Zwar profitieren heutige Computer vom enormen Zuwachs an Rechenleistung, der durch den rasanten Fortschritt bei den Halbleiterchips bewirkt wurde. Trotzdem gilt für viele Fachgebiete: Wenn interessante Fragestellungen numerisch beantwortet werden sollen, sehen selbst die schnellsten Supercomputer alt aus. Seit Jahren mehren sich die Anstrengungen, mithilfe der Quantenphysik einen völlig neuen Typ von Computern zu bauen: Quantencomputer.

Zwei Typen von Quantencomputern

Das Partybeispiel stammt von der IBM-Forscherin Talia Gershon, ihr Vortrag auf der Maker Faire in der Nähe von San Francisco im vergangenen Jahr lautete "Quantencomputer für Anfänger". Das Interesse an dieser Zukunftstechnologie ist gewaltig, es zeigt sich an den Investitionen der großen Technologiefirmen, darunter auch Google, Microsoft und Intel. Und die Europäische Union hat kürzlich ein milliardenschweres Quantentechnologieprogramm aufgelegt, es läuft über zehn Jahre und hat das Ziel, Quantentechnologie für kommerzielle Anwendungen zu entwickeln.

"Der Quantencomputer macht gerade den Schritt von Grundlagenexperimenten, die ganze Labore ausfüllen, hin zu industriell gefertigten Chips", sagt Lechner. Was ist am Quantencomputer so fundamental anders? Lechner stellt klar, dass man zwei grundsätzlich unterschiedliche Typen unterscheiden muss. Erstens der universelle digitale Quantencomputer: Langfristig ist er das Ziel vieler Forscher. Er verspricht allgemeine numerische Aufgaben schneller als alle derzeitigen Computer zu erledigen. "Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg."

Zweitens gibt es den speziellen Quantencomputer, auch Quantensimulator genannt. Diese Geräte werden die ersten praktikablen Quantencomputer sein, sie sind für die Lösung spezieller Aufgaben konstruiert. Lechner: "Optimierungsprobleme sind ein Typ von Problemen, für die man diese Quantencomputer bauen wird. Auch für diese Geräte gilt: Bis sie unseren Alltag erreichen, werden noch Jahrzehnte ins Land gehen."

Vom Bit zum Q-Bit

Inwiefern können solche Maschinen Kalkulationen meistern, an denen klassische Computer scheitern? Die Bits in regulären Computern, die als Basis der Informationsverarbeitung dienen, können nur die Werte null oder eins annehmen. Quantencomputer arbeiten hingegen mit Quantenbits, kurz Q-Bits, und gehorchen den seltsamen Prinzipien der Quantenphysik. Das bedeutet, dass sie wegen des Superpositionsprinzips gewissermaßen beide Werte gleichzeitig annehmen können. Ein weiteres Quantenprinzip, die Verschränkung, kam selbst Albert Einstein "spukhaft" vor. Sie sorgt dafür, dass die Q-Bits nicht unabhängig voneinander sind. Beides zusammen kann Quantencomputer enorm leistungsfähig machen. So weit die Theorie – ein realer Quantenrechner braucht reale Q-Bits. Lechner: "Quantenbits können mit einzelnen Ionen, mit Atomen oder mit supraleitenden Schaltkreisen gebaut werden. All diese Varianten haben Vor- und Nachteile, und welche sich durchsetzen werden oder ob es ganz andere Q-Bits geben wird, ist noch offen."

Für Einblicke in Lechners Forschung hilft eine gewisse Affinität zum Abstrakten. Dann lernt man, dass Optimierungsprobleme sich auf reale physikalische Systeme transferieren lassen, etwa indem man von den Kosten der Optimierung zur Energie des realen Systems übergeht. Hat man dessen niedrigste Energie gefunden, so ist auch das Optimierungsproblem gelöst. Auf klassischen Computern bringt der Transfer hingegen keinen Vorteil, denn die Minimierung der Energie ist dort genauso schwierig wie die Lösung des ursprünglichen Problems. Quantenoptimierung, das Arbeitsgebiet von Lechners Innsbrucker Gruppe, bedeutet, dass ein Quantencomputer diese Aufgabe lösen soll. "Mit Quanteneffekten geht dies effizienter als mit jedem klassischen Algorithmus."

Online-Spielwiese

Der Start dazu erfolgte 2015 mit einer mittlerweile patentierten Architektur für Quantencomputer, die Lechner zusammen mit den Innsbrucker Kollegen Peter Zoller und Philipp Hauke entwickelt hatte. Ihr Vorteil liegt in ihrer Flexibilität, denn die Forscher konnten zeigen, dass jedes Optimierungsproblem auf dieser Basis programmierbar ist. Das erinnert an einen anderen Durchbruch in der Informationstechnik: Die ersten mechanischen Rechenmaschinen waren völlig unflexibel und konnten nur bestimmte simple Operationen ausführen. Doch durch die Separation von Hardware und Software wurde ein Meilenstein der Computerrevolution erreicht.

Unterdessen ist bereits eine Quanten-Spielwiese online: Forscher und Nerds können seit 2016 auf einer IBM-Website mit einem Quantencomputer, der mit fünf supraleitenden Q-Bits realisiert wurde, erste Versuche unternehmen. Im November gab das Unternehmen bekannt, bereits 35 Fachpublikationen seien dazu erschienen und ein Prozessor mit 50 Q-Bits sei derzeit in Arbeit.

Offenbar setzt die IT-Technologie zu einem Sprung an. Lechners Arbeitsgruppe besteht seit dem vergangenen Jahr und wird vom Wissenschaftsfonds FWF, der Universität Innsbruck und der Akademie der Wissenschaften sowie der Hauser-Raspe-Stiftung finanziert. Ihre nächsten Ziele sind ehrgeizig: "Wir wollen herauszufinden, welche Q-Bits die besten Voraussetzungen haben, um einen Prototypen zu bauen. Außerdem arbeiten wir daran, unserer Architektur für die Probleme der künstlichen Intelligenz weiterzuentwickeln." (Thorsten Dambeck, 21.2.2018)