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Naturerlebnis und Sport bleiben für die Menschen im reichen Norwegen wichtig, eine Grundvoraussetzung für den Erfolg im Spitzenbereich.

Foto: reuters/melville

Alexander Stöckl sieht nach kurzen, aber knackigen Feierlichkeiten in Pyeongchang einem Triumphzug in seiner zweiten Heimat entgegen. Vier Medaillen haben die Skispringer des Tiroler Cheftrainers zum norwegischen Rekordergebnis bei olympischen Winterspielen beigetragen, darunter die wichtigste: Mannschaftsgold. Wie imposant er schließlich ausfallen wird, der Rekord, steht noch gar nicht fest. In Südkorea wird ja noch bis Sonntag gesportelt.

29 Medaillen wurden in sechs Sportarten bisher geholt, davon elf aus Gold. Vor vier Jahren in Sotschi waren es 26 Medaillen und ebenfalls elf Goldene gewesen. Platz eins im Medaillenspiegel, erstmals seit den Spielen von Salt Lake City, sollte sich diesmal in jedem Fall ausgehen. Schließlich waren am Dienstag noch vier Langlaufbewerbe offen, die Teamsprints und die Marathons für Damen und Herren. Unter normalen Umständen, das muss man sagen, ist für jedes dieser Rennen von einem norwegischen Podestplatz auszugehen.

Sehr gut möglich ist auch, dass sich die Langläuferin Marit Björgen noch die Goldmedaille holt, die ihr fehlt, um Landsmann Ole Einar Björndalen (44) den olympischen Rekord zu entwinden. Der noch aktive Biathlet, für Pyeongchang nicht mehr nominiert, gewann bei fünf Spielen achtmal Gold, viermal Silber und einmal Bronze. Björgen (37), aktuell schon mit Gold, Silber und Bronze dekoriert, hält bei insgesamt siebenmal Gold, viermal Silber und zweimal Bronze, gesammelt ebenfalls bei fünf Gelegenheiten.

Nicht nur klassisch

Freilich dominieren bei den Norwegern klassische Sportarten, in denen es ohne Ski nicht geht – unbewaffneter und bewaffneter Langlauf, alpiner Skilauf, Skisprung. Aber der norwegische Spitzensport ist im Winter breiter aufgestellt, wie jüngst Goldmedaillen im Ski-Freestyle und Eisschnelllauf schon bewiesen.

Skisprungtrainer Stöckl, seit März 2011 und noch bis zumindest 2022 beim Norges Skiforbund engagiert, nennt eine Grundbedingung für den sportlichen Erfolg. "Trotz aller Ablenkungen, die unsere Zeit mit sich bringt, ist für die Norweger der Weg in die Natur noch immer wichtiger. Die Familien gehen hinaus, egal zu welcher Jahreszeit, egal wie das Wetter ist." Es sei auch immer noch so, dass fast jede Norwegerin, jeder Norweger mit Langlaufski aufwächst. Der Wohlstand, oft für den Rückgang sportlicher Ambitionen verantwortlich gemacht, ist kein Hindernis.

Sport gehört zum Leben, er blüht aber nicht zwangsläufig. 1988, nach den Spielen von Calgary, war großes Wehklagen angesagt. Norwegische Sportler hatten in Kanada lediglich fünf Medaillen geholt, nicht ein einziger Olympiasieg war gelungen – eine schwere Schmach für die Wintersportnation, aber auch ein Weckruf zur rechten Zeit. Für die im September desselben Jahres an die Kleinstadt Lillehammer vergebenen Winterspiele 1994 wurden neue Sportförderstrukturen ersonnen. Der Sportverband (NIF), vergleichbar mit der Österreichischen Bundessport-Organisation (BSO), und das Nationale Olympische Komitee (NOK) betrieben die Gründung von Olympiatoppen, einer Organisation, die mithilfe von Sponsoren Wissenschafter und Trainer engagierte und diese mit ambitionierten Sportlern zusammenbrachte.

Mittag mit Aksel Lund

Das Zentrum liegt in einem Naherholungsgebiet im Großraum Oslo, es gibt aber auch Dependancen wie in Trondheim oder Stavanger. Oberstes Gebot der Einrichtungen, in denen selbst Weltstars wie Aksel Lund Svinald regelmäßig auftauchen und sich etwa auf ein Mittagessen zu hoffnungsvollem Nachwuchs gesellen, ist der Austausch von Know-how. "Wir haben eine Leistungskultur entwickelt, in der wir Wissen und Erfahrungen teilen", sagt der Leiter von Olympiatoppen, Tore Övrebö.

Als ehemaligen Ruderer kommt es den 52-Jährigen schwer an, dass der norwegische Sommersport dem Wintersport doch weit hinterherhinkt. Rio 2016 brachte nur vier Bronzene. Skisprungtrainer Stöckl sieht als Wintersportler die Diskrepanz nicht tragisch. Er verweist lieber darauf, dass die Erfolge ohne zusätzliche Fördermaßnahmen wie Anstellungen beim Heer, der Polizei oder dem Zoll erzielt werden. Die Sportler lukrieren in den wenigsten Fällen Sponsorengelder.

Dass Skistar Henrik Kristoffersen den Wechsel zu einem eigenen Kopfsponsor erzwingen wollte und die Präsentation des Verbandssponsors verweigerte, erregte viel Unmut. "Das war ein Kulturbruch. In Norwegen sind sie stolz, für eine Mannschaft, für das Land zu starten", sagt Stöckl, dessen Springer weitgehend vom Preisgeld leben. "Sie sind aber Gott sei Dank trotzdem oder vielleicht genau deswegen happy." (Sigi Lützow, 20.2. 2018)