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Außenministerin Karin Kneissl trifft am Freitag Großmufti Husein Kavazović. Nach der Besatzung 1878 schuf die österreichisch-ungarische Verwaltung den Rijaset, das Präsidium der Glaubensgemeinschaft.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Der Besuch wird in Sarajevo mit Aufmerksamkeit erwartet. Außenministerin Karin Kneissl kommt am Donnerstag in die bosnische Hauptstadt, nachdem die österreichische Regierung für Aufregung und Verunsicherung auf dem Balkan gesorgt hat.

Zunächst sagte der damalige Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) vergangenen Sommer, dass muslimische Frauen in Sarajevo dafür bezahlt würden, sich zu verschleiern – ohne Belege oder Quellen dafür zu nennen. Der Großmufti schickte deshalb einen Brief an Kurz, die bosnischen Behörden dementierten das Gerücht, das mehr als zwanzig Jahre alt ist und immer wieder aufgekocht wird, um Stimmung zu machen.

Im September gab FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache dann ein Interview, in dem er sich auf die Seite von völkischen Nationalisten stellte und eine verfassungswidrige Abspaltung der Republika Srpska (RS) von Bosnien-Herzegowina erwog. Gleichzeitig sprach er von "Terror-Camps", obwohl es solche in Bosnien-Herzegowina nicht gibt. Im Jänner kam dann FPÖ-Klubchef Johann Gudenus nach Banja Luka (obwohl dies offenbar anders vereinbart war) und nahm vom separatistischen Präsidenten der RS, dem unter US-Sanktionen stehenden Milorad Dodik, für sich und Strache einen Orden entgegen, den zuvor auch die Kriegsverbrecher Radovan Karadžić und Ratko Mladić bekommen hatten.

Propagandaschrift

Zu großer Sorge führte zudem jüngst ein Text in einem Sammelband des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) der Schweizerin Saïda Keller-Messahli, der von Unkenntnis und Vorurteilen geprägt ist und sich "wie eine Propagandaschrift aus serbisch nationalistischer Perspektive" liest, wie der Leiter des Zentrums für Südosteuropa-Studien an der Uni Graz, Florian Bieber konstatierte. Der ÖIF ist ein Partner des Außenministeriums. Die Propaganda ist stets dieselbe: Es wird so getan, als würde von Muslimen auf dem Balkan eine terroristische Bedrohung ausgehen und eine rasante antisäkulare Islamisierung stattfinden.

Österreich kommt deshalb in den Ruf, muslimenfeindliche Ressentiments zu verbreiten und sich auf die Seite serbischer Nationalisten zu stellen. Aus Kroatien ist die muslimenfeindliche Propaganda noch stärker. So behauptete die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović etwa, tausende von Kämpfern der Terrororganisation "Islamischer Staat" würden auf den Balkan zurückkehren.

Die Fakten sehen anders aus. Laut dem Wissenschafter Vlado Azinović von der Universität Sarajevo kehrten insgesamt etwa 300 Kämpfer auf den Balkan zurück, 200 wurden im Irak oder in Syrien getötet. Seit 2016 reisten überhaupt keine Südosteuropäer mehr als Kämpfer dorthin. Azinović erwartet anders als in der alarmistischen Berichterstattung auch nicht mehr viele Rückkehrer. Zudem gingen die Behörden massiv gegen Extremisten vor – 70 Personen sitzen in der Region im Gefängnis. Azinović kritisiert, dass – während man "ohne wirkliche Rechtfertigung vor Ort" auf diesem Thema beharre – ein anderes echtes Sicherheitsproblem untergehe, nämlich "die Wiedereingliederung von serbischen paramilitärischen Gruppen, die mit politischen Eliten in Serbien und Bosnien verbunden sind und Anfang der 1990er-Jahre in ethnische Säuberungen und Kriegsverbrechen gegen Muslime und kroatische Zivilisten verwickelt waren."

Gespräch mit dem Großmufti

Beobachter wie er fürchten einen Politikwechsel Österreichs gegenüber dem Balkan. Azinović ist "besonders besorgt" über das neue politische "Muster", "da ich der Meinung war, dass die österreichische Expertise in der Region groß und fundiert ist".

Die Haltung Österreichs wird wohl auch ein Thema bei Kneissls Besuch sein. Auf ihrem Programm steht etwa ein Gespräch mit Großmufti Husein Kavazović. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IG) versuchte in den vergangenen Jahren, die "Para-Dschemats", darunter salafistische Gemeinschaften, zu integrieren. Zum Teil gelang dies. Der salafistische Diskurs wächst aber durch Youtube-Prediger. Die IG versucht dem mit speziellem Unterricht für Imame gegenzusteuern. Ohne die Erlaubnis der IG dürfen auch keine Moscheen betrieben werden, die Imame werden von der IG ausgesucht. Studien im arabischen Raum werden seitens der IG verhindert.

Auf dem Balkan hat der hanafitische Ritus Tradition. Seit mehr als zehn Jahren wurde keine Moschee mehr mit Geld des saudischen Staates bezahlt. Insgesamt waren es drei.

Zugenommen hat in Bosnien-Herzegowina etwa seit vier Jahren der Tourismus von Arabern. Seither gibt es auch mehr Prostitution. Die Botschaften der arabischen Länder weisen die Touristen an, keine bosnischen Salafisten als Reiseführer zu engagieren. Manche Araber sind aber ohnehin verärgert, weil diese bosnischen Salafisten nicht wollen, dass sie Alkohol trinken. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 20.2.2018)