"Nature has cunning ways of finding our weakest spot." Der Schwachpunkt des Menschen, so sagt der Vater in der Schlüsselszene von "Call Me By Your Name" zu seinem herzgebrochenen Sohn Elio, wird genau dann gefunden, wenn man es am wenigsten erwartet. Der intime Moment im Film zeugt davon, dass die Liebe seines Sohnes legitim ist, egal an wen sie gerichtet ist, und bestärkt ihn damit, dass etwas zu fühlen niemals falsch sein kann. In "Call Me By Your Name" verliebt sich der 17-jährige Elio (Timothée Chalamet) in den älteren Uni-Absolventen Oliver (Armie Hammer). Was folgt, ist eine wunderschöne und tragische Momentaufnahme einer jugendlichen und enden wollenden Sommerliebe.
Coming-of-Age-Filme und Hate-Crimes
LGBT-Filme erzählen häufig von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, von Identität, der ersten Liebe und dem Herzschmerz, der danach folgt. Sie treiben den Protagonisten von Problem zu Problem, von Konfrontation zu Konfrontation. Coming-of-Age-Filme, ähnlich wie "Call Me By Your Name" oder "Blau ist eine warme Farbe", stellen dabei das sexuelle Erwachen in den Mittelpunkt. Es geht um das erste Vorwagen in queere Wasser.
Während dort die Konflikte aufgrund des Alters noch in harmloseren Bereichen verbleiben, behandeln andere LGBT-Filme Gewalt im Zusammenhang mit Familie oder dem Milieu, in dem die homosexuelle oder Transgender-Figur lebt. Zum Beispiel beschäftigt sich der Oscar-Film "Moonlight" (2017) mit dem Thema Hate-Crime: Darin muss der Protagonist Chiron körperlichen wie emotionalen Missbrauch als Schwuler erleben, in "Boys Don't Cry" mit Hilary Swank als Brandon, ein Trans-Mann, wird die Hauptfigur aufgrund seiner "Andersartigkeit" von zwei Freunden verprügelt, vergewaltigt und erschossen.
Aktivismus, HIV und die Kunst des Drag
Mit dem sozialen Status der LGBT-Community, ein Thema, das sich über ebensolche Hate-Crimes bis hin zur Akzeptanz und gleichen Rechten in der Gesellschaft zieht, setzen sich diverse Filme auseinander. In "Milk" zum Beispiel wird das Leben des Aktivisten Harvey Milk porträtiert, der als erster schwuler Mann ein politisches Amt in Kalifornien bekleidete. Teilweise wird im Fahrwasser die Problematik der Stigmatisierung Schwuler angeschnitten, vor allem wenn es um Aids und HIV geht. Bestes Beispiel dafür ist "Philadelphia" mit Tom Hanks.
Während in vielen Filmen die Erfahrungen und Erlebnisse von lesbischen Frauen und schwulen Männern im Fokus des Narrativs stehen, gibt es relativ wenige Filme, die sich um verschwimmende Grenzen von Gender und Geschlecht drehen. Pedro Almodovar und John Waters sind zwei Regisseure, die sich in ihren Filmen damit auseinandersetzen.
Zentral für die Gay-, Transgender- und Drag-Community ist die Dokumentation "Paris Is Burning" aus dem Jahr 1990. Die Doku folgt der sogenannten Ball Culture, einer LGBT-Subkultur, die bei ihren Events durch Tänze oder Walks um Preise spielt, und nähert sich beispielhaft den Themen Rasse und Klasse im queeren Kontext an.
Auch wenn viele LGBT-Filme schwere und konfliktreiche Fragen aufwerfen und diese behandeln, zeigen sie auch klassische Beziehungen zwischen Menschen, die sich lieben. So porträtieren "Brokeback Mountain" und "Carol" eindrucksvoll Nähe und Zärtlichkeit – trotz aller Widrigkeiten.
Welche queeren Filme sind besonders gelungen?
Welcher LGBT-Film gehört zu Ihren Lieblingen? Sollte es mehr davon im Mainstreamkino geben? (Kevin Recher, 26.2.2018)