Wien – Vor 8.500 Jahren brachten anatolische Bauern die Landwirtschaft nach Europa und verdrängten laut archäologischen Funden die heimischen Jäger und Sammler. Das Erbgut von damals lebenden Menschen erzählt aber eine andere Geschichte, so ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung. Die Einwanderer mischten sich friedlich mit den Einheimischen, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature".

Mancherorts geschah dies quasi sofort, anderswo erst Jahrhunderte später, erklärte Ron Pinhasi vom Department für Anthropologie der Universität Wien. Gemeinsam mit David Reich von der Harvard Medical School in Boston (USA) leitete er eine Studie, in der ein vielköpfiges, internationales Forscherteam die DNA von 225 menschlichen Überresten aus Südosteuropa und angrenzenden Gebieten sequenzierte und analysierte.

DNA aus dem Innenohr

Pinhasi entdeckte dabei, dass ein Knochen im Innenohr (das Felsenbein) besonders viel Erbgut enthält, und man daraus große Mengen gut konservierte, alte DNA aus menschlichen Funden gewinnen kann. Die untersuchten Proben sind 14.000 bis 2.500 Jahre alt.

Er sei überrascht gewesen, dass man darin die zuvor ansässigen Jäger und Sammler der Mittelsteinzeit erkennen kann, so der Forscher. Denn aus archäologischer Sicht waren die Fundorte samt und sonders jungsteinzeitlich. Bisher hatte man deshalb angenommen, dass die jungsteinzeitlichen Ackerbauern und Viehzüchter aus Anatolien gekommen sind und die ansässigen mittelsteinzeitlichen Jäger und Sammler rasch und gründlich verdrängten. Doch dort waren Menschen mit Jäger- und Sammler-Erbe neben den Bauern begraben. Sie haben sich offensichtlich zur Landwirtschaft bekehren lassen und waren in deren Gesellschaft integriert.

Gut integrierte Männer

Dies zeige, dass die Einwanderer und Ansässigen von Beginn an friedlichen Kontakt hatten. Bei manchen Funden war es aber so, dass in einer fast reinen Bauerngesellschaft auf einmal fast reine Jäger- und Sammlergenome auftauchten. "Diese Populationen müssen sich also 500 bis 1.000 Jahre irgendwo isoliert in den Wäldern oder so gehalten haben, bis sie sich schließlich mit den Ackerbauern und Viehzüchtern mischten", so Pinhasi. Teilweise gab es dabei eine ungleiche Verteilung der Geschlechter und der Großteil der in die Bauern-Gesellschaft integrierten Jäger und Sammler waren Männer. Das ist umso bemerkenswerter, als es in der Geschichte meist umgekehrt war, und sich die Männer aus der dominanteren Bevölkerungsgruppe eher mit Frauen aus der schwächeren Population liierten.

In der Studie wurden auch acht Individuen aus dem heutigen Österreich sequenziert – von den Fundstellen Kleinhadersdorf und Asparn-Schletz im nördlichen Weinviertel (NÖ), erklärte Maria Teschler-Nicola von der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien. Sie sind etwa 7.000 Jahre alt und stammen somit aus der frühen Jungsteinzeit. Die DNA war gut erhalten und zeigte, dass es sich um "anatolische Neolithiker" handelte, also um Ackerbauern und Viehzüchter, deren Vorfahren aus Kleinasien nach Europa gekommen sind, so Teschler-Nicola.

Sie hatten sich jedoch zu einem kleinen Anteil mit der vorher ansässigen Population vermischt, also mit lokalen Jägern und Sammlern. Die archäologischen Befunde wie etwa die rein jungsteinzeitlichen "Linearbandkeramiken" hätten auch hier bisher vermuten lassen, dass es sich um eine Siedlung von ausschließlich neuen Zuwanderern handelte. (APA, 22.2.2018)