Die Bereitschaft, Tablets für den Alltag zu nutzen, war überraschend hoch, zeigte eine Studie in der Testregion Salzburg. Viele Funktionen blieben jedoch unter den Erwartungen, da Technik und Betreuungspersonal nicht mitspielten.

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Salzburg – Wie gut kommen Senioren tatsächlich zurecht mit digitalen Assistenzsystemen, die ihnen den Alltag erleichtern sollen? Das wurde in Salzburg, einer der sechs österreichischen Testregionen für solche Technologien, in einem 15 Monate dauernden Feldversuch untersucht. Zum Einsatz kamen altersgerechte Assistenzsysteme in Wohnungen, kurz AAL (Ambient Assisted Living oder Active and Assisted Living), und Technologien für unterwegs, die körperliche und geistige Fitness sowie das Sozialleben fördern sollten.

Das Resümee aus dem Projekt, das von der Forschungsgesellschaft Salzburg Research geleitet wurde: AAL-Systeme bewähren sich, wenn sie verlässlich funktionieren, einfach zu bedienen, leistbar und unmittelbar im Alltag behilflich sind. 63 Seniorinnen und Senioren, zwischen 60 und 75 Jahren alt, probierten das Leben mit Assistenzsystemen aus.

Wegen der besseren Vergleichbarkeit von Test- und Kontrollgruppe wurden nur Personen aufgenommen, die in betreuten Wohnungen leben und maximal Pflegestufe 1 haben. Ihre Wohnungen wurden mit WLAN und Tablets ausgestattet, digitale Türspione, Herdüberwachungssysteme, Sensoren bei Fenstern und Funklichtschalter wurden eingebaut. Zur weiteren Ausstattung gehörte eine digitale Waage und eine Smartwatch mit Notruffunktion.

Gesteigertes Sicherheitsgefühl

Eingebettet wurden die Einzelkomponenten in die seniorengerecht gestaltete Plattform "meinZentrAAL". Durch die technischen Hilfsmittel sollten sich die Nutzerinnen und Nutzer sicherer fühlen, ihre Gesundheit und Fitness mit Übungsprogrammen steigern, durch Nachbarschaftstools besser in die Gemeinschaft eingebunden werden und das Management von Terminen bis Kalenderfunktionen besser in den Griff bekommen.

Überraschend hoch war die Bereitschaft, Tablets für den Alltag zu nutzen, sagt Projektkoordinatorin Cornelia Schneider von Salzburg Research: "Das Tablet wurde ein- bis zweimal pro Tag zur Hand genommen. Das ist für uns ein hoher Wert. Zwei Drittel bis drei Viertel der Testpersonen haben das Tablet regelmäßig genutzt."

Erreicht wurde die Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls. Wesentlichen Anteil daran hatte die Fitnessuhr mit Notruffunktion. Im Vergleich zu gängigen Notrufsystemen, die an das Festnetz gebunden sind und außerhalb der Wohnung eine maximale Reichweite von 200 Metern haben, ist die Uhr über eine SIM-Karte mobil einsetzbar, was die Selbstständigkeit erhöht. Eine weitere technische Unterstützung, die sich bewährt hat, ist die automatische Herdabschaltung.

Technik muss funktionieren

Wenig Interesse hatten die Nutzerinnen und Nutzer an der Terminfunktion ihres Tablets. "Obwohl sich das Interface an gewohnten Kalendern orientierte, wurde diese Unterstützung nicht angenommen, der Stehkalender wurde bevorzugt", sagt Schneider. Wenig genutzt wurde auch das Fitness- und Sportprogramm. Aus einem einfachen Grund, wie Schneider erklärt: "Die Technik hat am Anfang nicht richtig funktioniert, da sinkt das Interesse der Anwender sofort."

Ebenfalls unter den Erwartungen blieb die Nutzung des Gemeinschaftstools, das über Veranstaltungen informierte und Nachbarschaftshilfe ermöglichen sollte. Die Erwartungen der Seniorinnen und Senioren waren laut Studie groß, erfüllt wurden sie jedoch nicht. Was am wenig technikaffinen Betreuungspersonal, das für die Datenaktualisierung zuständig war, gelegen sei. "Wir haben daraus gelernt, dass Betreuungspersonen besser ausgebildet werden müssen", sagt Schneider.

AAL-Systeme brauchten zudem bessere organisatorische und politische Rahmenbedingungen, sagt Schneider. Dazu gehöre die Aufnahme von technischen Tools in den Katalog für Hilfs- und Heilmittelbedarf. Sozialorganisationen und Gemeinden müssten sich zudem intensiver mit der Thematik Datenschutz beschäftigen.

Barriere Touchscreen

Wie man Seniorinnen und Senioren die Nutzung von Smartphones erleichtern kann und welche Ansprüche sie an diese Geräte haben, hat Nina Ascher, die am MCI Innsbruck Management, Communication und IT studiert, untersucht. Mit einer Gruppe von 60- bis 78-Jährigen hat sie die Usability von Senioren-Smartphones im Vergleich zu einem iPhone getestet. Zehn Aufgaben, darunter Anrufe tätigen, Nachrichten schreiben, Wecker stellen und surfen, mussten erfüllt werden. Dazu wurde die subjektive Wahrnehmung über Fragebogen erhoben.

Die erste Barriere für ältere Smartphone ist die Touchscreen-Oberfläche. Nina Ascher: "Der Umgang muss erst erlernt werden." Behilflich sind in der Regel die Kinder und Enkelkinder, die Geräte für die Älteren einrichten. Die zweite Barriere ist das Startprogramm, sagt Ascher: "Ältere Menschen wollen eine übersichtliche Gestaltung, große Symbole, damit sie zum Telefonieren keine Brille brauchen. Die Apps müssen groß sein, die Anzahl überschaubar und auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten. Diese Kriterien erfüllt nur das Seniorenmodell." Browser-Apps, die nicht klar "Internet" signalisieren, sind aus Sicht der Testgruppe nicht wirklich brauchbar. Ascher: "Auf der App muss Internet draufstehen, dann wird sie auch genutzt."

Aschers Fazit: Auf dem österreichischen Markt gibt es nur ein Seniorenmodell zur Auswahl, im Vergleich zu einem üblichen Smartphone, das zu viele Funktionen habe, erfülle es die Bedürfnisse älterer Menschen aber gut. Der Markt für Seniorenmodelle wäre gegeben, sagt Ascher: "Vor allem die jüngeren Seniorinnen und Senioren wollen mit ihrem Handy mehr als telefonieren." Was aber fehle, sei gute, auf Fragen älterer Menschen eingehende Beratung beim Handykauf.

Noch liegen Anspruch und Wirklichkeit bei AAL-Systemen weit auseinander, heißt es im Sammelband Smartes Betreutes Wohnen: Nutzung, Systemakzeptanz und Wirkungen von "meinZentrAAL". Die Erkenntnis: "Man darf nicht zu viel auf einmal wollen." (Jutta Berger, 21.2.2018)