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April 1988: Graham predigt in China.

Foto: REUTERS/Edward Nachtrieb

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2010 besuchte Präsident Barack Obama den Prediger in Montreat.

Foto: REUTERS/Pete Souza/The White House

In den letzten Jahren ist es still um ihn geworden. Die sonore Stimme, die Millionen in den Bann gezogen hat, ist verstummt, 2013 ging die letzte Videobotschaft an seine Schar von Gläubigen online. Viele Jahrzehnte lang aber galt Billy Graham als der christliche Prediger schlechthin. Nicht nur in den Vereinigten Staaten, auch auf anderen Kontinenten, sogar hinter dem Eisernen Vorhang waren seine "Kreuzzüge", wie sie offiziell hießen, Großereignisse. Lange vor den Rockstars füllte er Stadien, seine Radiosendungen waren Fixpunkte im Alltag von Millionen. Sein politisch konservativer Einfluss war enorm, wenn auch nicht immer eindeutig zuzuordnen. Mit ihm verlässt einer der längstdienenden Darsteller die geistige Bühne der USA.

Als William Franklin Graham wurde er 1918 in Charlotte, North Carolina, geboren, in eine Familie von Bauern, Südstaatlern schottischer Abstammung. In dieser heilen protestantischen Welt wuchs der blonde, blauäugige Billy auf.

Er bekannte sich zum Southern Baptism, der auf Innerlichkeit und Weltabgewandtheit ausgerichtet ist. Während des Studiums an einem Bibelinstitut in Florida jedoch hatte er, wie offizielle Biografien schildern, zwei entscheidende Erlebnisse: Er entdeckte sein Talent zu predigen. Und er entschied, dass Jesus Christus der einzige Weg zum Heil sei. Diese einfache Botschaft verkündete er ab den späten Vierzigerjahren nicht nur im tiefen Süden, sondern bald immer größeren Menschenmassen in allen Landesteilen. Zu Hilfe kamen ihm dabei der Zeitungsmagnat Hearst, der "Push Graham!" anordnete, und das politische Klima der McCarthy-Ära, der der strikte Antikommunismus des Predigers zupass kam. Bei einem Vier-Monate-Marathon in New York etwa sahen rund zwei Millionen Menschen seine "Crusades". Den Deutschen verabreichte er schon 1954 eine "Seelenwäsche" – so der begeisterte "Stern", der ihn auch als "Maschinengewehr Gottes" titulierte.

Abrücken von Nixon

Politisch blieb Graham den Konservativen stets treu. Allerdings war seine Haltung nuanciert. So insistierte er früher als viele andere auf rassenintegrierte Veranstaltungen – was zum Beispiel den jungen Bill Clinton sehr beeindruckte. Auch hielt er sich mit wenigen Ausnahmen, die stets republikanische Kandidaten betrafen, von offiziellen Empfehlungen fern – seine wichtigste war und blieb, dass man durch Jesus gerettet werden möge. Als er sich während des Watergate-Skandals langsam von Nixon entfernte – mit dem er sich ebenso gern gezeigt hatte wie mit allen anderen Präsidenten –, trug dies zweifellos zu dessen Abgang bei.

2007 starb seine Frau Ruth Bell-Graham, mit der er 64 Jahre verheiratet war. Sie war das für ihn, was er Frauen allgemein empfahl: "Ehefrau, Mutter und Hausfrau" zu sein. Zu finanziellen und sexuellen Skandalen, wie sie bis dato fast drei Dutzend prominente TV-Prediger und sonstige Gottesmänner befallen haben, kam es bei Reverend Billy Graham nie. Das mag dazu beigetragen haben, dass er 60 Jahre lang ununterbrochen in einer Gallup-Umfrage in den USA zu den "am meisten bewunderten zehn Männern der Welt" gezählt wurde – eine Rekordlänge. (Frauen werden getrennt erhoben.)

Billy gelang der Spagat, die nach innen gewandte evangelikale Frömmigkeit mit konservativem Engagement zu verbinden und einen Zeitgeist nicht so sehr zu treffen, als ihn vielmehr zu schaffen. Seine Auftritte blieben stets auf der technischen Höhe der Zeit – von Radio über TV-Live-Übertragungen unter Einbeziehung von Unterhaltungsstars bis zu Webcasts und Onlinemarketing. In den Neunzigerjahren, als er an Parkinson erkrankte, übernahm sein Sohn Franklin die Präsidentschaft der Billy Graham Evangelistic Association. Auch seine Tochter Anne Graham Lotz und zwei Enkel sind als Pastoren tätig.

Am 21. Februar 2018 starb Billy Graham in Montreat, North Carolina. (Michael Freund. 21.2.2018)