Wien – Die Segel sind gehisst, die Anker eingezogen, die Kinder finden sich mit einem kleinen Kompass als Geschenk ausgestattet im Theatersaal ein: Es kann losgehen mit dem Kleinen Meermädchen. In Gerald Maria Bauers freier Adaption von Hans Christian Andersens Kunstmärchen Die kleine Meerjungfrau passiert das junge Publikum rasch den Meeresspiegel und taucht buchstäblich in die Welt von Meerjungmädchen Elida (Shirina Granmayeh) ein.

Elida ist noch zu jung, um die Welt der Menschen kennenzulernen. Doch – und vielleicht gerade deswegen – wünscht sie sich nichts sehnlicher, als sich selbst ein Bild von den angeblich so "bösen" Menschen zu machen. Nicht zuletzt weil sie Piet, einen Hafenjungen (Niklas Doddo), kennengelernt hat, der ein seltsam kribbelndes Gefühl in ihrer Brust hinterlässt ...

Das zweistündige (!) Stück beschränkt sich jedoch nicht auf diese simplen Handlungsstränge, sondern bietet der jungen Zielgruppe (ab sechs Jahren) noch wesentlich mehr. Mit an Bord ist dazu auch die Krake Tentakula (Sara Livia Krierer), die sich die schöne Stimme des Meermädchens einverleiben möchte. Im Gegenzug ersetzt sie Elida ihren Meerjungschweif durch zwei menschliche Beine, damit sie zu Piet an Land gehen kann. Bereichert wird die Story zudem von Piets gleichaltriger Cousine Melusine (Claudia Waldherr), die einen erstaunlichen Charakterwandel vollzieht: vom verzogenen Mädchen zur hilfsbereiten Freundin der Crew.

Tauchgang mit Mehrwert

Nicht zu übersehen ist ein Klabautermann, der für menschliche Augen selten sichtbar ist. Der liebenswerte Kobold ist die gute Seele im Stück und wird von Stefan Rosenthal verkörpert, der in seinem Pumuckl-Kostüm schnell zum Favoriten der jüngsten Zuschauer wird. Ein wenig erinnert Das kleine Meermädchen an eine Disney-Verfilmung. Die klassische Rollenverteilung wird nämlich alles andere als über Bord geworfen, wenn die Spelunkenjenny – die Ehefrau von Seebär Plemperbier (Christian Strasser) – ausschließlich kocht, putzt oder beim Friseur sitzt. Nichtsdestotrotz wurde auch pädagogischer Mehrwert im Stück integriert, indem die durch Menschenhand verursachte Meeresverschmutzung thematisiert wird und im begleitenden Programmheft Tipps zur Müllvermeidung geboten werden.

Als besonders faszinierend erlebte man das Bühnenbild (ebenfalls Gerald Maria Bauer) und die Kostüme (Nicole von Graevenitz). Mit beeindruckender Detailliebe wurden Unterwasserszenen im Aquarium mit Puppen gespielt, live auf der Bühne gefilmt und groß auf die Leinwand projiziert. Meeresbewohner "schwammen" dank ausgefeilter Lichttechnik trügerisch lebensecht durch die Kulisse. Den Schluss des Stückes bildete – da hätte man eine Stecknadel zwischen all den Kinderfüßen fallen hören können! – ein Kuss. Kurz bevor es ernst wurde, war die Bühne aber auch schon verdunkelt. Kurz folgten einige enttäuschte "Ohs", dann aber schnell ein großer Applaus. (Hannah Mühlparzer, 22.2.2018)