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Drei Herren im Glück: Ramon Zenhaeusern, Andre Myhrer und Michael Matt.

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Top-Favorit Marcel Hirscher schied bereits im ersten Lauf aus.

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Pyeongchang – Man darf, dachten sich die Kollegen des schwedischen Fernsehens, keine Gelegenheit auslassen, Ingemar Stenmark, den allzeitgroßen Skikünstler, etwas zu fragen. Nicht nur, aber wohl auch, weil Stenmark zeit seines Rennläuferlebens als "der große Schweiger" gegolten hat. Als einer, der sich stets lustige Antworten aus der Nase hat ziehen lassen. Zum Olympiasieg von Landsmann André Myhrer wusste er zu sagen: "André ist schlau und alles perfekt gefahren, Kristoffersen hätte ihn eh nicht gekriegt. Und Hirscher auch nicht, das war nicht sein Tag."

Das ist die pure Wahrheit. Hirscher, der die dritte Goldene im Visier hatte, kam nur 22 Sekunden weit, also nicht in den zweiten Lauf. Der Weg für Norwegens Henrik Kristoffersen schien also frei. Er fädelte aber ein.

Und so kam der alte Schwede – 35 ist er, achtfacher Weltcupsieger – zu seinem ersten Olympiagold vor dem Schweizer Ramon Zenhäusern und dem Österreicher Michael Matt (24), dem jüngsten der Matt-Brüder aus dem schönen tirolerischen Flirsch.

"Schon einmal mehr ang'fressen"

Mario wurde zuletzt in Sotschi vergoldet, Andreas, der Freestyler, kam 2010 aus Vancouver mit Edelmetall. Der olympische Medaillensatz ist im Hause Matt nun also komplett. "Jetzt haben wir Gold, Silber und Bronze."

Matt ging als nur Zwölfter in die Halbzeit, war da "schon ziemlich frustriert", wusste aber auch: "Man muss immer zwei Läufe ins Ziel bringen, ich bin sehr happy über die Bronzene." Eine ganz besondere war das, denn: "So wie der Rennverlauf heute war, glänzt die Bronzene wie eine Goldene. Man muss das machen, was man kann, nicht mehr oder weniger."

So ungefähr sieht es auch Marcel Hirscher: Es hat halt nicht sollen sein. "Ich war schon einmal mehr ang'fressen." Der hochhaushohe Favorit kämpfte mit dem sehr aggressiven Schnee, auf dem er und sein Team trotz intensiver Tests kein g'scheites Setup finden konnten.

Schweinszeit

"Mein Fahrstil passt nicht zu diesem Schnee." Da half es auch nichts, dass sein Trainer Michael Pircher den ersten Lauf gesetzt hatte. "Trotz allem Risiko habe ich nur eine Schweins-Zwischenzeit zusammengebracht, ich bin hinten und vorne nicht mehr zusammengekommen." So gesehen war der Ausfall gewissermaßen noch ein Glück, denn: "Lieber draußen als 120."

Die Chance, auf die Henrik Kristoffersen so gewartet hat eine ganz Saison lang, war dann auch bald keine mehr. Im zweiten Durchgang fädelt er rasch ein. Aber auch bei ihm hielt sich das Angefressensein – jedenfalls medienöffentlich – im Rahmen. "Ich kann damit leben", sagte er, "ich bin ja noch jung."

Das klang wie eine leichte Spitze des 23-Jährigen aus Norwegen. Der 35-jährige Myhrer absolvierte hier seine gewiss letzten Spiele. 2010 gewann er Bronze, in Sotschi war er verletzt, jetzt "wollte ich auch Spaß haben, und ich bekam nach dem ersten Lauf eine Chance. Ich habe mein Herz dann auf dieser Piste gelassen".

Myhrer, daheim im südostschwedischen Hudiksvall, pflegt nach Siegen Gitarren zu kaufen und steht nun vor einem angenehmen Problem. "Ich weiß nicht, was Olympiagold in Gitarren wert ist. Vielleicht muss ich jetzt zwei kaufen."

Als der Sieg feststand für den Schweden, hörte man auf der Tribüne eine Stimme, die man in früheren Tagen sehr häufig gehört hat, denn Anja Pärson, die Slalomgoldene in Turin 2006, gilt für alles, nur nicht für eine große Schweigerin. "Verdammt", rief sie also, "ist das geil! Das ist so cool! Was für ein Rennen!" Pärson, die ihre vielen, vielen Siege damit zu feiern pflegte, dass sie bäuchlings über den Zielraumschnee schlitterte, hüpfte dabei und schwenkte die schwedische Flagge. Hinter ihr stand majestätisch Carl Gustaf XVI. Es hat ihn sehr gefreut. Und er fasste die Lehre des olympischen Slaloms prägnant zusammen. "Man darf nie aufgeben." Myhrer hat das nicht getan, darum: "Bravo!" (sid, APA, red, 22.2.2018)

Reaktionen

Andre Myhrer (SWE/Gold): "Sicher war ich ein bisschen nervös am Start. Aber ich habe zu mir gesagt, ich will nur Spaß haben und locker sein, den Moment genießen. Ich bin am Anfang nicht so gut gefahren. Aber dann habe ich Gas gegeben. Unglaublich, ich kann es nicht fassen. In Sotschi (Olympische Spiele 2014, Anm.) war ich auch Zweiter. Aber da habe ich ein bisschen Probleme mit meinem Knie gehabt. Heute habe ich nur versucht Gas zu geben. Das ist so cool. Ich glaube, Stenmark war der letzte Schwede, der Olympiagold im Slalom gewonnen hat."

Roman Zenhäusern (SUI/Silber): "Es ist unglaublich, es ist wie ein Traum. Ich habe es noch gar nicht realisiert. Ich habe nicht groß gedacht über eine Medaille. Als es eng geworden ist, musste ich die Wand anschauen. Ich hielt es nicht mehr aus. Der zweite Lauf ist mir mehr entgegengekommen, er hat mehr gedreht als der erste."

Michael Matt (Bronze): "Erst als Henrik (Kristoffersen, Anm.) unterhalb vom Tor war und angefangen hat zurückzusteigen, habe ich daran geglaubt. Ich bin mit dem Rücken zum Hang gestanden und habe nicht hingeschaut. Das hat Glück gebracht, einer nach dem anderen ist zurückgefallen. Jetzt haben wir Gold, Silber und Bronze." Frage nach den Adaptionen im zweiten Durchgang: "Schuheinstellung, Kantenpräparation. Es ist schon viel leichter gegangen wie im ersten Lauf."

Manuel Feller (AUT/15.): "Eigentlich untypisch für Henrik (das Ausscheiden, Anm.). Es freut mich für Michael, er ist die ganze Saison gut gefahren. Aber mir persönlich bringt das nicht viel. Die Enttäuschung ist viel größer als im Riesentorlauf. Im Riesentorlauf war wenigstens der Speed da. In vier Jahren habe ich wieder eine Chance. Im Teambewerb bin ich dabei. Ob ich fahren werde, ist eine andere Geschichte."

Henrik Kristoffersen (NOR/Nach Halbzeitführung out): "Wenn man gewinnen will, muss man Vollgas fahren. Da war ein Schlag. Es war ganz normal, wie ein normales Weltcuprennen. Ich war zehn oder acht Slaloms in dieser Saison auf dem Podest. Dass man einmal ausscheidet, ist ganz normal."

Andreas Puelacher (ÖSV-Herren-Cheftrainer): "Spekuliert habe ich eigentlich gar nicht mehr (mit einer Medaille, Anm.). Normalerweise machen die beiden ersten keinen Fehler mehr. Es war eine schwer erarbeitete Medaille, und es war schwer zu fahren. Es ist ganz speziell zum Abstimmen der Ski und Schuhe schwierig. Ich habe keinen gesehen, der die richtige Lösung hatte. Wir haben viel Aufwand betrieben, zum Glück ist es sich ausgegangen. Es hat sich jeden Tag geändert, das war das Schwierige. Ich kann den Schnee gar nicht beschreiben. Es wird noch viel gegrübelt werden über die Schneebedingungen hier. Jeder hat mit der Position gekämpft, das macht es hier so schwierig für alle. Unsere Mannschaft hat sich sehr gut verkauft mit drei Goldmedaillen und einer Bronzemedaille. Marcel hat jetzt alles geschafft, von Mothe (Matthias Mayer, Anm.) die zweite Speedgoldene und jetzt auch noch Bronze. Morgen wird sich der Schnee wieder ändern, das wird für den Teambewerb (Samstag, Anm.) wieder anders."

Endstand des olympischen Slaloms der alpinen Ski-Herren in Yongpong:

1. Andre Myhrer (SWE) 1:38,99 47,93 51,06
2. Ramon Zenhäusern (SUI) 1:39,33 +00,34 48,66 50,67
3. Michael Matt (AUT) 1:39,66 +00,67 49,00 50,66
4. Clement Noel (FRA) 1:39,70 +00,71 48,58 51,12
5. Alexis Pinturault (FRA) 1:39,72 +00,73 48,54 51,18
6. Victor Muffat-Jeandet (FRA) 1:39,75 +00,76 48,34 51,41
7. Kristoffer Jakobsen (SWE) 1:39,94 +00,95 48,74 51,20
8. Daniel Yule (SUI) 1:40,12 +01,13 48,88 51,24
9. David Ryding (GBR) 1:40,16 +01,17 49,09 51,07
10. Sebastian Solevaag (NOR) 1:40,18 +01,19 48,53 51,65
11. Marco Schwarz (AUT) 1:40,19 +01,20 48,62 51,57
12. Manfred Mölgg (ITA) 1:40,24 +01,25 48,40 51,84
13. LK Nestvold-Haugen (NOR) 1:40,31 +01,32 49,27 51,04
14. Loic Meillard (SUI) 1:40,32 +01,33 49,63 50,69
15. Manuel Feller (AUT) 1:40,38 +01,39 49,35 51,03

Ausgeschieden im 1. Durchgang (u. a.):
Marcel Hirscher (AUT), Luca Aerni (SUI), Jean-Baptiste Grange (FRA), Jonathan Nordbotten (NOR)

Ausgeschieden im 2. Durchgang (u. a.):
Henrik Kristoffersen (NOR)