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Die Verteilungskriterien in Bezug auf EU-Strukturmittel sollten "künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten widerspiegeln", sagte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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Brüssel – Im vergangenen Herbst haben sich die Staats- und Regierungschefs jener 27 EU-Staaten, die nach dem für März 2019 geplanten Austritt des großen Nettozahlers Großbritannien mit viel weniger Einnahmen im EU-Budget rechnen müssen, vorgenommen, früh eine Debatte über die künftige Struktur und Prioritäten des gemeinsamen Haushalts zu starten. Bei einem informellen EU-Gipfel am Freitag in Brüssel sollen nun die ersten konkreten Festlegungen dazu getroffen werden.

Angela Merkel fordert in ihrer Regierungserklärung eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Als Druckmittel sieht sie die Neuregelung der EU-Finanzen nach dem Austritt Großbritanniens.
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Wie der Ständige Ratspräsident Donald Tusk in seinem Einladungsschreiben betonte, gebe es dazu sehr unterschiedliche Vorstellungen, sowohl was den Zeitplan als auch was die Inhalte betrifft. London steuert zu dem rund 150 Milliarden Euro schweren Haushalt, aus dem der größte Anteil in gemeinsame Agrar- und Regionalförderung fließt, derzeit fast 14 Milliarden Euro netto bei.

Drei Lager

Da kurz nach dem Brexit im Mai 2019 die nächsten EU-Wahlen stattfinden und neben dem EU-Parlament dann auch die EU-Kommission neu konstituiert wird, wollen viele Staaten vorher den mehrjährigen Finanzrahmen der Union für die Periode 2021 bis 2027 unter Dach und Fach bringen. Somit könnte man rechtzeitig mit dem Auslaufen des laufenden Budgetrahmens Ende 2020 in einem Aufwaschen auch die Folgen des Brexits und des Übergangsvertrages finanzieren und gleichzeitig die EU-Politik in der Substanz reformieren. Einige Staaten lehnen es aber ab, dass das "alte" Parlament so früh festlegen soll, welche Politiken ab 2020 wie finanziert werden. Tusk wünscht, dass dazu eine Perspektive, eine Art Fahrplan gefunden wird.

Zusätzlich kompliziert wird das, weil die EU-27 in drei Lager gespalten sind, was die Obergrenzen des EU-Budgets betrifft. Eine Gruppe mit Österreich, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Finnland wünscht Einsparungen, mehr Effizienz, will nicht mehr einzahlen als bisher. Dies solle vor allem auf Kosten der Osteuropäer gehen, die durch die Förderungen aus Agrar- und Kohäsionstöpfen derzeit am meisten profitieren – und keine Kürzungen wollen. So erhält Ungarn mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr netto, Polen 13. Dazu preschte nun die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit der Forderung vor, der Bezug von EU-Subventionen solle an die Solidarität in anderen Bereichen – konkret bei der solidarischen Aufnahme von Flüchtlingen – geknüpft werden. Neue Verteilungskriterien sollten das Engagement von Regionen und Kommunen spiegeln.

Verkleinerung des EU-Parlaments

Frankreich, das Sicherheit, Außengrenzschutz und Migrationspolitik auf EU-Ebene stärken will, und Italien ziehen da mit. Dafür wären sie – allesamt wichtige Nettozahler – auch bereit, mehr als bisher in die EU-Töpfe einzuzahlen. Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen Teilnahme an seinem ersten EU-Gipfel wegen einer Grippe zunächst unsicher schien, will im EU-Budget sparen und das Thema Sicherheit ausbauen.

Das zweite große Thema neben dem Budget bezieht sich auf Fragen der Institutionen. Der Gipfel wird die Vorschläge des EU-Parlaments hinsichtlich einer Verkleinerung der Zahl der EU-Abgeordneten von 751 auf 705 nach dem Brexit unterstützen. Skepsis gibt es bei der Bedingung, dass die Parteifamilien bei EU-Wahlen gemeinsame Spitzenkandidaten aufstellen, wobei der Wahlgewinner das Recht haben soll, nächster Kommissionspräsident zu werden. Die Regierungschefs wollen "keinen Automatismus", sondern selbst entscheiden. (Thomas Mayer aus Brüssel, 22.2.2018)