Foto: APA/AFP/GABRIEL BOUYS

Madrid – Nun hat der Katalonien-Konflikt auch Spaniens Kunst- und Kulturszene erreicht. Am Mittwoch eröffnete die 37. Madrider Messe für zeitgenössische Kunst ARCO mit einer Polemik um politische Gefangene. Ausgelöst wurde sie durch ein Foto-Werk des spanischen, nie um eine Provokation verlegenen Künstlers Santiago Sierra.

Mit der Fotoserie "Presos politicos" ("Politische Gefangene") am Messestand der Galeristin Helga de Alvear wollte Sierra Kritik an den politischen Verhaftungen üben. Unter anderem sind auf den 24 verpixelten Porträts katalanische Politiker und separatistische Aktivisten abgebildet, die wegen ihrer Beteiligung am Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien und der Ausrufung einer unabhängigen Republik im Oktober derzeit in Untersuchungshaft sitzen.

Auch zu sehen: ETA-Mitglieder, Linksradikale, baskische Seperatisten

Es handelt sich um Kataloniens ehemaligen Vize-Regierungschef Oriol Junqueras und die beiden Vorsitzenden der separatistischen Bürgerbewegungen ANC und Omnium Jordi Sanchez und Jordi Cuixart. Auf den verpixelten Bildern sind die Personen zwar nicht genau zu erkennen. Die Umrisse machen aber deutlich, welche Personen dort abgebildet sind. Neben den katalanischen Aktivisten sind auch inhaftierte Sympathisanten der baskischen Unabhängigkeitsbewegung und der Terrororganisation ETA sowie Gewerkschaftler und Linksradikale zu sehen, die sich an teils gewalttätigen Protesten beteiligten oder sogar zu ihnen aufriefen.

Kulturstaatssekretär: "In Spanien gibt es keine politischen Gefangenen"

Kataloniens Separatisten sehen ihre inhaftierten Politiker als "politische Gefangene" an und benutzten sie sogar erfolgreich in der Wahlkampagne zu den Regionalwahlen kurz vor Weihnachten, bei denen die Separatisten erneut eine Parlamentsmehrheit erreichten. Umso heftiger war am Mittwoch auch die Reaktion der konservativen Regierungspartei PP von Ministerpräsident Mariano Rajoy, aber auch die der oppositionellen Sozialisten PSOE. Spaniens Staatssekretär für Kultur, Fernando Benzo, stellte mit Blick auf das polemische Kunstwerk klar, "in Spanien gibt es keine politischen Gefangenen". Der Druck der Parteien und auch der Madrider Stadtregierung wurden anscheinend so groß, dass Sierras Werk kurz vor der Öffnung der ARCO-Messe entfernt wurde.

Foto: APA/AFP/GABRIEL BOUYS

Galeristin Helga de Alevar verneint jedoch, dass das Werk aus politischen Motiven zensiert wurde. "Nein, für mich war das keine Zensur. Die Bitte der Messeleitung, Santiagos Werk nicht zu zeigen, hatte mich dennoch verwundert", so Alvar, die aufgrund künftiger Messeteilnahmen die Beziehung zur Messeleitung nicht belasten wolle. Rein kommerziell betrachtet war die Polemik um das Werk für die Galeristin positiv. Es war die erste Arbeit, die sie verkaufen konnte. Um 96.000 Euro inklusive Steuern, ging sie an einen spanischen Sammler.

Sierra sieht durch Zensur Ansehen der Messe und des Staates gefährdet

Die Rücknahme des Werks provozierte allerdings einen Aufschrei in der Kunstszene nach "Meinungsfreiheit". Santiago Sierra, einer der bekanntesten spanischen Künstler, meldet sich auch bereits zu Wort: Dass sein Werk nicht mehr ausgestellt wird, "beschädigt ernsthaft das Ansehen dieser internationalen Messe und des spanischen Staates". Seine Foto-Serie "Presos Politicos" (Politische Gefangene) sei zensiert worden.

Die ARCO-Messeleitung widerspricht dem. Man habe die Galeristin aufgefordert, das Werk nicht auszustellen, da sich das Medieninteresse bereits so auf die polemische Foto-Serie fokussierte, dass es die Berichterstattung über die Kunstmesse im Allgemeinen beeinträchtigte. (APA, red, 22. 2. 2018)