Wien – Sie gehören zu den bekanntesten Widerstandskämpfern der Nazi-Zeit: Mit Flugblättern und Anti-Hitler-Parolen wehrten sich die Geschwister Hans und Sophie Scholl gegen das NS-Regime. Dafür mussten die Studenten vor 75 Jahren mit ihrem Leben bezahlen.

"Freiheit" schrieb Sophie Scholl auf die Rückseite ihrer Anklageschrift. Das Wort Freiheit stand auch auf den Flugblättern, die sie mit ihrem Bruder Hans Scholl und anderen Mitstreitern der Widerstandsbewegung "Weiße Rose" gegen die Schreckensherrschaft von Adolf Hitler verteilt hatte. Die beiden Studenten werden dafür zum Tode verurteilt und am 22. Februar 1943 von den Nationalsozialisten ermordet. Das ist nun 75 Jahre her.

Hans und Sophie Scholl mit ihrem Freund Christoph Probst (rechts) am Münchner Ostbahnhof, kurz bevor Hans an die Ostfront fahren muss.
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Letzte Worte: "Es lebe die Freiheit!"

Tod durch die Guillotine: So hatte der Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, nur wenige Stunden vor der Hinrichtung der Geschwister Scholl geurteilt. Zuerst musste Sophie ihren Kopf unter das Fallbeil im Gefängnis München-Stadelheim legen, dann ihr älterer Bruder. Seine Überzeugung wird zu seinen letzten Worten: "Es lebe die Freiheit!", ruft Hans Scholl kurz vor der Hinrichtung. Ein Satz, der in die Geschichte eingeht.

2005 wurden mit "Sophie Scholl – Die letzten Tage" die Ereignisse vom Februar 1943 auch auch die Leinwand gebracht.
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Nur vier Tage zuvor – an einem Donnerstagmorgen – wird das Schicksal der beiden Widerstandskämpfer besiegelt. Am 18. Februar 1943 betreten Hans und Sophie Scholl mit einem Koffer voller Flugblätter die Münchner Universität, an der er Medizin und sie Biologie und Psychologie studiert. Es ist das sechste Flugblatt der "Weißen Rose": "Im Namen des ganzen deutschen Volkes fordern wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste Gut der Deutschen zurück", heißt es darin.

Hausmeister Jakob Schmid beobachtet, wie die Geschwister die Flugblätter von der Balustrade des Lichthofes im Foyer der Universität fallen lassen und liefert sie der Gestapo aus. Noch am selben Tag werden Sophie und Hans Scholl verhaftet – damals sind die beiden erst 21 und 24 Jahre alt. Der Stein kommt ins Rollen.

Grundlage für Todesurteil: Verhörprotokolle

Zwei Tage später wird auch Mitstreiter Christoph Probst (23) in Haft genommen, weil die Gestapo einen Flugblatt-Entwurf von ihm bei Hans Scholl findet. Der Vater von drei Kindern stirbt am gleichen Tag wie die Geschwister. Später im Jahr töten die Nazis auch die "Weiße Rose"-Mitglieder Alexander Schmorell, Willi Graf und Professor Kurt Huber. Letzter war der Verfasser des schicksalhaften sechsten Flugblatts.

Die Hinrichtung der Geschwister Hans und Sophie Scholl, die während der NS-Zeit Widerstand gegen das Regime geleistet haben, jährt sich am 22. Februar zum 75. Mal. Pünktlich dazu ist eine neue Biografie über Hans Scholl unter dem Titel "Flamme sein" von Robert M. Zoske erschienen.
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Grundlage für das Todesurteil der Geschwister unter anderem wegen "Wehrkraftzersetzung" sind Gestapo-Vernehmungsprotokolle. Die Kommissare Anton Mahler und Robert Mohr verhören die beiden tagelang getrennt voneinander. Erst als Sophie vom Geständnis ihres Bruders erfährt, ist sie bereit, selbst eines abzulegen. "Ich bereue meine Handlungsweise nicht und will die Folgen auf mich nehmen", sagt sie.

Sich für eine gerechte Sache einzusetzen, hätten die Geschwister Scholl aus ihrem liberal-protestantische Elternhaus mitbekommen, sagt Theologe Robert Zoske, der sich in seiner gerade erschienenen Biografie "Flamme sein!" Hans Scholl und der "Weißen Rose" widmet. Der Vater Robert habe im Ersten Weltkrieg etwa nicht an der Waffe gedient, sondern als Sanitäter gearbeitet. Die Mutter Magdalene sei eine evangelische Krankenschwester gewesen, die Opferbereitschaft gelobt hatte.

Abgelehnte Gnadengesuche und ein Schauprozess

Den Eltern wird erst kurz vor der Hinrichtung ein Besuch bei ihren Kindern gewährt. Um 17 Uhr werden die Geschwister Scholl und Christoph Probst mit der Guillotine hingerichtet. Gnadengesuche werden abgelehnt. Das Urteil stand schon vor dem Verfahren fest: "Der Gauleiter bittet, die Aburteilung in den nächsten Tagen hier und die Vollstreckung alsbald darauf vorzunehmen", heißt es in einer Anweisung des Gerichtes, bevor der Schauprozess überhaupt begonnen hat. "Tobend, schreiend, bis zum Stimmüberschlag brüllend, immer wieder explosiv aufspringend": So habe der Richter den Prozess geführt, schreibt ein Zeuge später.

Bis zu der Festnahme und Verurteilung der Geschwister Scholl hatte die Gestapo keine Spur zu jener geheimnisvollen Widerstandsbewegung, die nachts Flugblätter in München verteilte und Anti-Hitler-Parolen an Hauswände schrieb. Die "Weiße Rose" hatte ihre Aktivitäten nach der verheerenden Schlacht von Stalingrad mit hunderttausenden toten Soldaten verstärkt. Mit den Aktionen versuchten sie eine Welle des Widerstands gegen das NS-Regime auszulösen. "Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen, die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe", heißt es im vierten Flugblatt. Und: "Bitte vervielfältigen und weitersenden!" (APA, dpa, 22.2.2018)