Grenzübergang zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Der Balkanstaat, der im Krieg (1992–1995) schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, hat noch immer keinen EU-Kandidaten-Status.

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Einige Tage vor dem Besuch des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, der alle Balkanstaaten bereisen wird, kam am Donnerstag die österreichische Außenministerin Karin Kneissl nach Sarajevo. Auch Verteidigungsminister Mario Kunasek wurde erwartet. Auf Kneissls Agenda stand ein Gespräch mit Ministerpräsident Denis Zvizdić und Außenminister Igor Crnadak.

Bosnien-Herzegowina sollte bereits seit einigen Monaten die mehr als 3400 Fragen der EU-Kommission beantwortet haben, die notwendig sind, um einen Überblick über die notwendigen Angleichungen an das EU-Recht zu bekommen. In den vergangenen Wochen gab es aber Verzögerungen, weil nicht klar war, wer für Bildungsfragen zuständig ist, aber auch, weil der Landesteil Republika Srpska (RS) darauf beharrte, eigene Angaben aufzulisten, die nicht den staatlichen Angaben entsprechen.

Juncker will Antworten

Khaldoun Sinno, Vize-Chef der EU-Delegation in Bosnien-Herzegowina, hat die Antworten, die von allen Ebenen des komplexen Staates abgesegnet werden müssen, noch nicht gesehen. Spätestens am 28. Februar, zum Besuch Junckers, sollen sie ins Englische übersetzt sein und präsentiert werden. In den letzten Monaten hätte aber der Koordinationsmechanismus zwischen den komplexen bosnischen Regierungsebenen funktioniert. Bosnien-Herzegowina ist seit dem Krieg (1992– 1995) in zwei Landesteile geteilt. Sinno betont, dass die EU die Angaben der offiziellen Volkszählung auf staatlicher Ebene, die auch von Eurostat bestätigt wurden, als die relevanten Zahlen erachtet und nicht jene der RS.

In der RS ist zur Zeit die prorussische Partei SNSD_an der Macht, die eine verfassungswidrige Abspaltung von Bosnien-Herzegowina propagiert. Der Parteichef und Präsident der RS, Milorad Dodik, urgierte aber zuletzt in konstruktiver Weise, sodass die EU-Fragen beantwortet wurden.

Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass die EU heuer Bosnien-Herzegowina einen Kandidatenstatus gibt. Inhaltlich haben die diversen Regierungsebenen schon seit langem nichts mehr getan. Trotzdem hat der Internationale Währungsfonds wieder einen Kredit gewährt, was eigentlich einen Bruch der Strategie "Geld für Reformen" darstellt. Die Politiker befinden sich bereits seit Wochen im Wahlkampf, obwohl die Wahlen erst im Herbst stattfinden. Die Rhetorik ist entsprechend scharf.

Dodik will ins Präsidium

Dodik kündigte an, als serbischer Vertreter für das dreiköpfige Staatspräsidium zu kandidieren, obwohl er den Staat ablehnt. Er wolle aber im Falle seiner Wahl nicht nach Sarajevo in das Gremium, sondern per Telefonkonferenz agieren, meinte er.

Beobachter fürchten, dass ein Staatspräsidium mit den Nationalisten Dodik und Dragan Čović von kroatischer sowie Fahrudin Radončić von bosniakischer Seite die Stabilität des Staates noch mehr gefährden könnte. Andere sehen eine Chance darin, wenn Dodik Verantwortung auf Staatsebene übernimmt. Die USA_sind derweilen alarmiert, weil die Polizei in der RS mit 2500 automatischen Langwaffen aus Serbien – die überhaupt nicht notwendig sind – ausgerüstet werden soll. Man befürchtet, dass auch die Polizei im zweiten Landesteil Föderation nachrüsten könnte. Auch die Anwesenheit von radikal-völkischen Gruppen in der Republika Srpska bereitet Sicherheitsbehörden große Sorgen.

Beim verfassungswidrigen RS-Feiertag am 9. Jänner tauchte die uniformierte Gruppe "Serbische Ehre" auf, die Verbindungen zum russischen Trainingszentrum im serbischen Niš und zu Dodik hat. Zunehmender russischer Einfluss wird auch durch ein zweites russisches Trainingszentrum in Bosnien-Herzegowina befürchtet. Das Innenministerium der RS_will zudem Spezialeinheiten zum Training nach Russland schicken. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 22.2.2018)