Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher haben unterschrieben, um die Gastonomie-Aschenbecher leer zu lassen.

Foto: Imago / Steinach

"Eine komplette Vertrottelung!", ist der recht klare Standpunkt von Neven Sunjic-Jörgensen, wenn es um den Plan geht, Rauchen in der Gastronomie komplett zu verbieten. "Ich habe vor zehn Jahren aufgehört zu rauchen, aber mich stört es nicht", sagt der 54-Jährige, während er an der Bar des Cafés KlimBim in Wien-Floridsdorf sitzt.

Das kleine Lokal am Franz-Jonas-Platz, direkt bei der Endstation der U-Bahn-Linie 6, ist das, was man in Österreich ein Tschocherl nennt. Kurz nach 19.00 Uhr ist rund ein Dutzend Gäste hier, sie trinken Bier und gespritzten Wein, den Kellner Gerald Steffl serviert. Seine Meinung zum Volksbegehren? "Hirnrissig! Jeder sollte selbst entscheiden können, wo er hinwill." 35 Jahre lang habe er geraucht, seit einigen Monaten pafft er E-Zigaretten – "was ja auch verboten werden würde".

Lokal extra verkleinert

Ihn ärgert der Wankelmut der Regierenden. Als mit 1. Jänner 2009 der Tabakkonsum in der Gastronomie grundsätzlich verboten wurde, habe die Besitzerin das KlimBim extra verkleinert, um auf eine Fläche von weniger als 50 Quadratmeter zu kommen, wodurch sie die Wahlfreiheit hatte, das Rauchen zu gestatten. Zusätzlich sei extra eine Lüftung eingebaut worden, deutet Steffl an die Wand.

Ihm bereitet auch die wirtschaftliche Zukunft Sorgen. "In Irland haben 48 Prozent der Lokale zugesperrt, das wird hier auch passieren. Aber das schreibt ja niemand!", beschwert sich der Kellner.

Was möglicherweise daran liegt, dass es nicht stimmt. Zwischen 2005, ein Jahr nach dem Nikotinbann im republikanischen Teil der Grünen Insel, und 2017 sank die Zahl der Pub-Lizenzen um gut 20 Prozent auf 7193 Lokale. Besonders stark war der Rückgang allerdings im ländlichen Bereich – das "Wirtshaussterben" ist aber auch in Österreich ein Problem und hängt nicht allein mit dem Rauchverbot zusammen.

Drei statt acht Bier

Steffl prophezeit dennoch eine Veränderung im KlimBim: "Die Stammgäste werden weiter kommen. Aber sie werden nur noch drei statt acht Bier trinken", ist er sicher. "Außerdem wird es zu einer Renaissance der Würstelstände kommen. Bei uns kostet der Spritzer 2,40 Euro, beim Würstelstand 1,90. Wenn ich beim Rauchen sowieso draußen sein muss, kann ich mir gleich 50 Cent sparen, das haben mir auch schon Gäste gesagt."

Gast Sunjic-Jörgensen ist auch überzeugt, dass manche Gäste ausbleiben werden. "Wenn bei einer Tarockpartie zum Beispiel drei Raucher sind . Die können ja nicht mehr spielen, wenn alle fünf Minuten ein anderer aufsteht und hinausgeht. Die bleiben sicher daheim!" Allerdings, gibt der Unternehmer zu, genießt er durchaus eine rauchfreie Umgebung. "Meine Frau raucht noch immer, aber wenn wir fein essen gehen, setzen wir uns in den Nichtraucherbereich. Aber danach will sie in einen Raucherbereich gehen können, für einen Digestif zum Beispiel." Aus seiner Sicht sollte es eine Volksabstimmung geben.

Kellner Steffl glaubt, dass das Rauchverbot ohnehin beschlossene Sache sei. "Der Strache hat etwas gebraucht, das er herzeigen kann. Er wollte alle nur ein paar Wochen beruhigen, und dann werden sie es abschaffen." Aus seiner Sicht wären reine Raucher- und Nichtraucherlokale die beste Lösung. "Man muss wirklich nicht alles vom Ausland übernehmen!"

Dort geht man noch deutlich weiter. In New York City beispielsweise ist der Griff zum Feuerzeug mittlerweile in Parks, an Stränden und selbst in Fußgängerzonen wie dem Times Square illegal. Weniger bekannt ist allerdings, dass es selbst in Manhattan noch Lokale gibt, wo man Nikotin und Alkohol gleichzeitig konsumieren kann. Acht, um genau zu sein. Möglich ist das durch eine Ausnahmeregelung im 2003 in Kraft getretenen Rauchverbot: Konnte ein Wirt nachweisen, dass er Ende 2002 mehr als zehn Prozent seines Bruttoumsatzes durch den Verkauf von Tabakwaren machte, konnte er eine Bewilligung beantragen und die Aschenbecher stehen lassen.

Matchday im Molly Darcy's

Aber zurück nach Österreich und von Wien-Floridsdorf in die Innere Stadt. Im Irish Pub Molly Darcy's ist Matchday, Chelsea spielt in der Champions League gegen den FC Barcelona. Im deutlich größeren Nichtraucherbereich sind alle Tische besetzt. Im Raucherbereich sind es von sechs Tischen dagegen nur drei, an denen fünf Gäste sitzen.

Eine davon ist Nihall AlYoussef, eine Palästinenserin, die in Wien lebt. Vor ihr liegt eine Packung Zigaretten. Was sie von einem totalen Rauchverbot halten würde? "Ich wäre dafür", sagt die 30-Jährige. "Ich habe in Saudi-Arabien gelebt, dort darf man als Frau nirgends rauchen, nur in der eigenen Wohnung." Selbst das macht sie hier in Wien nicht. "Ich rauche nur draußen, die Kleidung wird nicht verstunken." Ob die Witterung in Österreich den Gang ins Freie nicht ungemütlich macht? "Nein, das macht mir gar nichts. Aber mir tun die Leute leid, wenn sie im Nichtraucherbereich keinen Platz mehr bekommen und hier sitzen müssen."

Rechte der Arbeitnehmer

Hinter der Bar arbeitet Siobhán Macdonald, die Nichtraucherin ist. Auch die Irin würde einen Zigarettenbann, wie es ihn in ihrem Geburtsland gibt, befürworten. "Es geht um die Rechte der Arbeitnehmer", betont sie. Und sie ist überzeugt, dass sich auch die Raucher rasch umstellen würden. "Wenn irische Touristen zu uns kommen, gehen sie trotzdem hinaus", berichtet die 38-Jährige über ihre Erfahrungen. Warum sie nie einen Job in einem Nichtraucherlokal gesucht hat? "Ich arbeite schon lange hier, es war immer ein Raucherlokal."

Das Wetterargument zieht auch für sie nicht: "Irland ist zwar nicht so kalt, aber ein nasses Land." Die Kultur habe sich rasch gewandelt: Schanigärten gibt es auf der Insel erst seit dem Rauchverbot, bei besonders beliebten Lokalen inklusive Heizstrahlern im Winter. Für Macdonald ist auch der soziale Aspekt wichtig: "Es haben sich unter den Rauchern sogar Partnerschaften ergeben."

Tatsächlich gibt es sogar ein eigenes Wort dafür: "Smirting", die Kombination aus "Smoking" und "Flirting". Die Gelegenheit, mit Unbekannten ins Gespräch zu kommen, sei gestiegen, seit man den Tisch mit seinen Freunden verlassen muss, um seine Sucht zu befriedigen.

Iren rauchen weniger

Aber hat das Rauchverbot auch dafür gesorgt, dass in Irland weniger geraucht wird? Ja, sagt die Gesundheitsbehörde Health Service Executive. Dort wurden die Umfragedaten aus dem Dezember 2003, also unmittelbar vor Beginn des Verbots, mit jenen aus dem Dezember 2013 verglichen.

Die Zahl der Menschen, die zumindest wöchentlich eine Zigarette rauchen, sank demnach innerhalb dieser zehn Jahre von mehr als 28 Prozent auf 21 Prozent. Noch deutlicher wird der Rückgang, wenn man nach der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten fragt. Die Zahl der Raucher, die ein Packerl oder mehr vernichten, sank von gut elf auf 4,6 Prozent. Im Gegenzug vergrößerte sich die Gruppe jener, die zwischen einer und zehn Zigaretten täglich anzünden, von 40,73 auf 57,49 Prozent.

Zur Palästinenserin AlYoussef haben sich mittlerweile drei ihrer Bekannten gesellt, darunter Stefanie Moitzi, 34 Jahre alt und seit Oktober 2012 Ex-Raucherin. Warum sie dennoch in der Glimmstängelabteilung sitzt? "Wir sind zu viert, zwei rauchen. Heute ist die Luft okay, aber normalerweise stört es mich schon recht." Das Volksbegehren hat sie daher bereits am zweiten Tag unterschrieben. (Michael Möseneder, 24.2.2018)