Kopenhagen/Wuhan – Warum Vampirfledermäuse keinen sonderlich guten Ruf genießen, ist ziemlich offensichtlich: Sie sind die einzigen Säugetiere, die sich ausschließlich vom Blut anderer Arten ernähren. Bei der Auswahl ihrer Opfer sind sie nicht gerade zimperlich, im Prinzip wird jedes Tier angezapft, das nur groß genug ist.

Der Gemeine Vampir (Desmodus rotundus) hat aber eine klare Vorliebe: Er saugt am liebsten an Säugetieren wie Rindern und Pferden, aber durchaus auch an Menschen. Ist ein Opfer auserkoren, wird pro Festmahl rund eine halbe Stunde lang Blut geschmaust. Der Fressvorgang ist für das Opfer dank eines lokalen Betäubungsmittels im Speichel der Vampire kaum spürbar. Liegt die Bisswunde einmal offen, kehren die Fledermäuse nach Möglichkeit mehrmals zu ihrem Opfer zurück.

Geschöpf der Finsternis: Ein gemeiner Vampir auf nächtlichem Streifzug.
Foto: Brock Fenton

Aufschlussreiches Genom

So unerfreulich diese Ernährungsweise für die Opfer auch ist (oftmals steht am Ende eines Bisses eine gefährliche Infektion), so interessant ist sie aus biologischer Perspektive: Die Blutsauger haben sich an diese extrem nährstoffarme Ernährung angepasst: Blut enthält hauptsächlich Protein, aber kaum Kohlenhydrate oder Vitamine. Zudem setzen sich die Vampire einer breiten Palette an durch Blut übertragenen Krankheitserregern aus. Wie sie das überhaupt unbeschadet überstehen können, haben nun zwei Forscherteams untersucht.

Die Biologen um Marie Zepeda Mendoza von der Universität Kopenhagen sequenzierten für ihre Studie, die im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" veröffentlicht wurde, das Genom des Gemeinen Vampirs. Zudem untersuchten sie die mikrobielle DNA aus Kotproben der Tiere, um auf die Zusammensetzung ihrer Darmflora schließen zu können. Im Vergleich mit anderen, nicht blutsaugenden Fledermausarten, zeigten sich dabei entscheidende Unterschiede.

Die Vampirfledermäuse sind die einzigen Säugetiere, die sich ausschließlich von fremdem Blut ernähren.
Foto: Pascual Soriano

Obwohl die Gesamtgröße des Vampir-Genoms mit dem anderer Fledermäuse vergleichbar ist, fanden sich in ihrem Erbgut fast doppelt so viele DNA-Sequenzen, die ihre Position im Genom verändern können. Sie wurden vorwiegend in Regionen gefunden, die mit dem Immunsystem und dem Fett- sowie dem Vitaminmetabolismus in Zusammenhang stehen.

Spezielles Mikrobiom

Die Untersuchung des Darm-Mikrobioms der Vampirfledermäuse ergab wiederum, dass sich ein hoher Anteil der Bakterien auf metabolische Aufgaben wie den Abbau von Proteinen oder die Produktion von Vitaminen spezialisiert hat. Gleichzeitig identifizierten die Forscher etwa 280 Bakterienarten, die in anderen Säugetieren Krankheiten verursachen – den Vampiren aber offenbar nichts anhaben.

Wie die Blutsauger auch eine Vielzahl an gefährlichen Viren in sich tragen und an ihre Opfer weitergeben können, ohne selbst zu erkranken, untersuchte wiederum ein Team um Jiazheng Xie von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Wuhan. Wie die Forscher im Fachblatt "Cell Host & Microbe" berichten, steckt ein Trick in der Immunantwort der Tiere dahinter.

Das Immunsystem der Blutsauger kommt mit den tödlichsten Erregern klar.
Foto: D. Streicker

Lang erprobte Koexistenz

Infiziert ein Virus einen Organismus, kommt eine Reaktion des Immunsystems in Gang: Immunstimulierende, antivirale Proteine, sogenannte Interferone, werden ausgeschüttet und geben ein Alarmsignal an Rezeptoren weiter, die wiederum die Bildung von Antikörpern auslösen, um den Eindringling zu bekämpfen. Dabei kann es zu Überreaktion mit schweren Folgen kommen.

Bei den Vampirfledermäusen funktioniert der Warnmechanismus zwar ebenso, allerdings abgeschwächt: Es werden gerade genug Interferone ausgeschüttet, um das Virus in Schach zu halten, aber keine starke Bekämpfung hervorzurufen. Die Forscher vermuten, dass diese Balance ein Ergebnis der langen evolutionären Koexistenz der Tiere mit Viren ist. "Offenbar gibt es ein Gleichgewicht zwischen den Fledermäusen und den Pathogenen, die sie in sich tragen", sagte Koautor Peng Zhou. Und so entstand im Lauf der Evolution eine lange Liste von Pathogenen, mit denen die Vampire gut klarkommen. Viele davon sind für andere Arten tödlich: Marburg-Viren, das Ebola-Virus, das Tollwut-Virus oder der Sars-Erreger, um nur ein paar zu nennen. (David Rennert, 24.2.2018)