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Dana Loesch, Sprecherin der US-Waffenlobby, attackiert die Medien: "Ihr liebt die Einschaltquoten. Weinende weiße Mütter sind für euch Quotengold!"

Foto: Reuters / Kevin Lamarque

Kurt Schlichter muss gleich in eine Fernsehtalkshow. Egal, sagt er, Zeit für ein paar Fragen habe er immer. Während der Regisseur schön langsam hektisch wird und augenrollend auf eine rot blinkende Digitaluhr zeigt, erzählt Schlichter gut gelaunt von seinen Vorfahren. Irgendwann, "vielleicht vor 250 Jahren, so genau weiß ich das nicht", seien sie aus irgendeinem deutschen Fürstentum in die Neue Welt ausgewandert. In die Freiheit.

Damit kommt Schlichter auf die Ausgangsfrage zurück – auf die Frage, wozu Amerika so viele Waffen brauche. "Das einzige Problem, das Amerika hat, sind zu wenige Leute mit Waffen", sagt er freundlich lächelnd. "Wie sonst, wenn nicht mit Waffen, sollen wir die Rechte verteidigen, die uns von jedem anderen verdammten Land dieser Erde unterscheiden?"

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Styria

Wappentier mit Flinten

Der Anwalt aus Los Angeles sitzt an einem ovalen Tisch in einer riesigen Kongresshalle. Über ihm schwebt ein Weißkopfseeadler, das US-Wappentier – nur dass der Adler auf dieser Abbildung zwei gekreuzte Flinten in den Klauen hält. Es ist das Emblem der NRA, der National Rifle Association.

Die Sendung, in der Schlichter begründet, warum schärfere Waffengesetze ein eklatanter Verfassungsverstoß wären, wird von der NRA-eigenen Fernsehstation ausgestrahlt. Sie heißt Cam & Co, der Moderator trägt Vollbart und Baseballkappe und gibt sich genauso jovial, genauso lässig wie Schlichter.

Oxon Hill, eine Satellitenstadt südlich von Washington. In einer riesigen Halle tagt die Conservative Political Action Conference (CPAC), von den Veranstaltern als Ideenschmiede konservativer Aktivisten vermarktet. Die NRA, einer der mächtigsten Interessenverbände des Landes, nutzt die Bühne, um in die Offensive zu gehen. Nach dem Blutbad an einer Highschool in Parkland, Florida, hat sie sich für ein paar Tage weggeduckt, wie fast immer nach dem Schock eines Amoklaufs.

Rechte Talkradio-Moderatoren versuchten unterdessen, die Wortführer der anschwellenden Schülerproteste madig zu machen. In Wahrheit, behaupteten sie, handle es sich bei Teenagern wie Emma Gonzalez um Schauspieler, die von Krisenschauplatz zu Krisenschauplatz tingelten, um auf die Tränendrüse zu drücken.

Die NRA schwieg. Aber damit ist es nun vorbei. Es beginnt mit einem Gerücht, das Dana Loesch streut. Mit ihren langen schwarzen Haaren ist die 39-Jährige aus St. Louis das neue Aushängeschild der NRA. Früher war sie Redakteurin bei Breitbart News, der rechten Onlineplattform – heute spricht sie für die Waffenlobby, wenn diese ein telegenes Gesicht braucht. Am Mittwoch flog Loesch nach Miami, um bei einem Town-Hall-Meeting von CNN aufzutreten, vor 7.000 Zuschauern in einer Sportarena; unter ihnen Eltern, Geschwister und Freunde der getöteten Schüler.

Attacke gegen die Medien

Beim Verlassen der Arena, erzählt sie später in ihrer Radiosendung Dana Show, sei sie aufs Übelste beschimpft worden. Ganz genau habe sie es im Lärm nicht verstanden, aber es habe sich angehört, als hätte jemand "Burn her!" gerufen: "Verbrennt sie!"

In Oxon Hill macht die Story die Runde, in den Augen der Dana-Loesch-Fans ist sie bald kein Gerücht mehr – sondern ein Fakt. Und die Sprecherin der NRA stellt sich hinter ein Rednerpult, um die Medien zu attackieren: "Ihr liebt doch diese Schießereien. Ich will nicht sagen, dass ihr die Tragödie liebt. Aber ich sage, ihr liebt die Einschaltquoten. Weinende weiße Mütter sind für euch Quotengold!"

Als Loesch die Bühne verlässt, tritt Wayne La Pierre ins Scheinwerferlicht, der Chef der NRA. Die Zurückhaltung der letzten Tage ist selbstsicherer Angriffslust gewichen. Den Eliten, wettert La Pierre, gehe es doch gar nicht um Schulkinder, um sichere Schulen. Worum es ihnen gehe, sei Kontrolle: die Kontrolle über freie Bürger. Um die zu erlangen, wollten sie den zweiten Verfassungszusatz ausradieren und damit das Recht auf privaten Waffenbesitz. "Und wenn sie uns diese Freiheit genommen haben, nehmen sie uns auch alle anderen Freiheiten."

La Pierre spricht von Sozialisten europäischen Stils in den Reihen der US-Demokraten, er spricht vom Kommunistischen Manifest, von Karl Marx. Dieser Marx, sagt er düster, sei an Amerikas Universitäten mittlerweile der meistgelehrte Ökonom. (Frank Herrmann aus Oxon Hill, 23.2.2018)