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Nicht das erste Treffen der beiden, aber zum ersten Mal tauschten die deutsche Kanzlerin Merkel und Österreichs Kanzler Kurz bei einem EU-Gipfel der Regierungschefs Meinungen aus.

Foto: AP / Geert Vanden Wijngaert

Wenn die Staats- und Regierungschefs bei EU-Gipfeln vorfahren, zeigen oft schon die ersten Wortmeldungen und Gesten, wohin die Reise bei den Verhandlungen gehen wird. Der Auftakt des informellen Treffens der EU-27 am Freitag in Brüssel gestaltete sich diesbezüglich besonders ungewöhnlich.

Kurz vor Mittag kamen die Deutsche Angela Merkel, der Franzose Emmanuel Macron und der Italiener Paolo Gentiloni nicht einzeln in der Limousine an wie sonst: Sie marschierten als Trio zu Fuß auf, direkt von einer "Sahelkonferenz" vis-à-vis in der Kommission kommend. Dort wurde über die Aufstockung der Hilfen für fünf afrikanische Staaten verhandelt: Mali, Niger, Tschad, Mauretanien und Burkina Faso. Das war "sehr wichtig", erklärte Merkel. Die Sicherheit der Sahelregion, für die bis 2020 rund 1,7 Milliarden Euro aufgewendet werden, sei "notwendig. Wir dürfen die illegale Migration nicht erst in Libyen bekämpfen."

Gentiloni und Macron zeigten Einigkeit mit der Kanzlerin. Der Franzose hob hervor, dass Sicherheit und Schutz der EU-Außengrenzen hohe Priorität hätten.

Dieser demonstrative Auftritt war doppelt bemerkenswert. Der EU-Gipfel war vom Ständigen Ratspräsidenten Donald Tusk einberufen worden, um sich über langfristige Perspektiven Klarheit zu verschaffen. Der EU-Austritt Großbritanniens im März 2019 bringt große Umbrüche. Im jährlichen EU-Budget von rund 150 Milliarden Euro fallen nach Berechnungen der Kommission 14 Milliarden Euro weg, der britische Nettobeitrag. Daher sollte es nun über den künftigen "langfristigen EU-Budgetrahmen" bis 2027 eine erste Aussprache geben. Merkel, Macron und Gentiloni haben den Partnern symbolisch gezeigt, wer nach dem Brexit bestimmen wird.

Starke Gründerstaaten

Ihre drei EU-Gründungsstaaten stellen mit mehr als 200 Millionen Einwohnern fast die Hälfte der EU-Bevölkerung, sie werden ohne die Briten für fast zwei Drittel der Wirtschaftskraft der EU sorgen. Das ist vor allem für die Staaten in Mittel- und Osteuropa, die von den EU-Agrar- und Regionalhilfen am meisten profitieren, eine Herausforderung. So sorgte die Forderung Merkels, wonach EU-Gelder an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und an die Solidarität bei der Verteilung von Flüchtlingen geknüpft werden sollten, für geteilte Reaktionen.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hielt das für "eine gute Idee". Ungarn und Polen, auf die die Kanzlerin gezielt hatte, lehnen das kategorisch ab. Aber auch der luxemburgische Premier Xavier Bettel zeigte sich skeptisch, weil dadurch die Bürger bestraft werden würden, nicht die Regierungen, die sich nicht an Regeln halten. Merkel sagte nach dem Gipfel, sie könne sich auch positive finanzielle Anreize für Länder, die viel für Flüchtlinge tun, vorstellen.

Kurz trotz Grippe "froh"

Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, der sich trotz Grippe "froh" zeigte über seinen ersten EU-Gipfel, sagte zu dem Merkel-Vorstoß, er könne sich solche Konditionalitäten vorstellen, aber: "Es muss unser Ziel sein, Menschen an den Außengrenzen zu stoppen, nicht nur über die Verteilung von Flüchtlingen zu reden." Dass der Schutz der EU-Außengrenzen und Sicherheit ausgebaut werden, mehr Geld für Migrations- und Integrationspolitik fließen soll, darüber gibt es Konsens. Ebenso darüber, dass das EU-Budget "modernisiert", mehr in Digitalausbau, Forschung, neue Unternehmen gesteckt werden solle. Macron will für das "schützende Europa" ein ausgeweitetes Budget.

Bei Agrar- und Regionalförderungen wird es Kürzungen geben. Berlin und Paris wären bereit, den Budgetrahmen leicht zu erhöhen, um neue Prioritäten zu finanzieren. Eine Gruppe kleiner Nettozahlerstaaten mit Österreich, den Niederlanden, Schweden und Finnland drängt darauf, das Budget effizienter zu gestalten, zu sparen, zu reformieren. "Es ist nicht mehr zeitgemäß", sagte Kurz, vieles müsse hinterfragt werden. Die EU-Kommission wird im Mai einen Vorschlag zum Budgetrahmen 2021 bis 2027 vorlegen. Ob dieser noch vor den EU-Wahlen im Mai 2019 vom EU-Parlament beschlossen wird, ist offen. Einig ist man sich aber, dass es das "Modell Spitzenkandidat" geben soll.

Nicht das erste Treffen der beiden, aber zum ersten Mal tauschten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz bei einem EU-Gipfel der Regierungschefs Meinungen aus. (Thomas Mayer aus Brüssel, 23.2.2018)