Das Ausbringen von Aerosolen in der Stratosphäre sei keine alleinige Lösung zur CO2-Reduktion, sagt Gernot Wagner, der in Harvard forscht.

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Wien – 1992 war ein relativ kühles Jahr. Schuld daran war der Vulkan Mount Pinatubo auf den Philippinen, der im Jahr zuvor ausgebrochen war. Er schleuderte Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre, Partikel, die einen geringen Teil des eintreffenden Sonnenlichts reflektierten und die Durchschnittstemperaturen um etwa ein halbes Grad Celsius senkten. – Ein Mechanismus, den man sich theoretisch abschauen könnte, um der Erderwärmung entgegenzuwirken.

Theoretisch. Denn die Idee des Solar Geoengineering, wie ein bewusstes Eingreifen in das Erdsystem dieser Art genannt wird, ist zwar so alt wie das Wissen um die Erderwärmung selbst. Es ist aber keine Option, die leichtfertig gewählt werden sollte. Bei vielen Menschen besteht große Scheu, diesen Schritt zu wagen. Mögliche Folgen auf das Erdökosystem sind kaum erforscht. Eine Senkung der CO2-Emissionen würde den Menschen zudem dennoch nicht erspart bleiben.

Soziale und politische Auswirkungen

Seit April 2017 läuft an der US-Universität Harvard ein Forschungsprogramm, in dem sich ein gutes Dutzend Wissenschafter mit Solar Geoengineering beschäftigen. Neben der Erforschung der Technologien und möglicher Auswirkungen auf Kohlenstoffkreislauf, Strahlungsbilanz oder Meeresspiegel werden hier vor allem soziale und politische Auswirkungen eines möglichen Einsatzes der Technologie diskutiert.

Für den österreichisch-amerikanischen Wissenschafter und Co-Direktor des Programms, Gernot Wagner, ist klar, dass Geoengineering keine "Lösung" sein kann. Maximal wäre es eine temporäre Überbrückung, bis Fortschritte bei der Reduzierung der Kohlendioxidemissionen vorliegen.

"Wäre die Erderwärmung ein Bandscheibenvorfall, wäre das Ausbringen von Aerosolen in der Stratosphäre nur ein Schmerzmittel, das die Ursache des Übels nicht behandelt", vergleicht Wagner im Standard-Gespräch. "Mehr Bewegung und gesünderes Essen können durch Schmerzmittel nicht ersetzt werden, genauso die CO2-Reduktion nicht durch Geoengineering." Eine der wichtigsten Fragen ist aber: Wie würde es um die Motivation zur CO2-Reduktion stehen, wenn die Technologie zur Verfügung stehen würde? Denkbar sei sowohl, dass die Menschen nachlässiger werden, als auch, dass sie sich mehr anstrengen, um diese drastische Maßnahme zu verhindern.

Wagner und Harvard-Professor Martin Weitzman beziffern in einem aktuellen Beitrag im Wall Street Journal die ungefähren Kosten von Geoengineering – inklusive hochfliegender Flugzeuge, die Aerosole ausbringen, und begleitender Satellitenüberwachung – auf unter zehn Milliarden Dollar. Was teuer klingt, ist im Vergleich zu den Folgekosten der Erderwärmung äußerst billig, so Wagner.

Keine Klimawandel-Freifahrt

So billig, dass eine einzelne Nation sie umsetzen könnte. Im Moment vermeiden Staaten, die ersten bei der Einführung drastischer CO2-Einsparungsmaßnahmen zu sein, und hoffen, durch Aktivitäten anderer mitzuprofitieren. Wagner nennt das das "Free Rider"-Phänomen. Mit der Verfügbarkeit von Geoengineering würde sich dieses Verhältnis zu einer "Free Driver"-Gefahr umkehren, bei der einzelne Staaten zu schnell vorpreschen, erklärt der Ökonom und Politikwissenschafter. "Letztendlich wird die Technologie zum Einsatz kommen. Die Schwierigkeit liegt darin, Länder davon abzuhalten, sie zu schnell und zu uninformiert zu nutzen."

Kaum Wissen über Risiken

Über die tatsächlichen Risken von Geoengineering und ihrem Verhältnis zu den Vorteilen weiß die Wissenschaft noch wenig. Seit Jahrzehnten bemüht man sich, den Ausstoß von – die Atmosphäre kühlendem – Schwefeldioxid zu verringern, das in hoher Konzentration schädlich für Mensch und Natur ist. Für Sulfataerosole, die bisher am öftesten im Zusammenhang mit Geoengineering diskutiert werden, ist belegt, dass sie die Regeneration der Ozonschicht abbremsen, erläutert Wagner. Als weiterer Kandidat gilt Calciumcarbonat, also Kalk, das diese Nachteile der Sulfate nicht zu haben scheint und bessere optische Eigenschaften mitbringt. "Dazu gibt es aber gerade einmal zwei Studien", beschreibt Wagner die noch lange nicht ausreichende Faktenlage.

Sollten schlussendlich die positiven Effekte überwiegen und sich gleichmäßig über den Globus verteilen, könnten sich – optimistischen Theorien zur Folge – "Klimaklubs" herausbilden, in denen mehrere Staaten zusammenarbeiten, eine globale Debatte dazu vorantreiben und Geoengineering mit Maßnahmen zur CO2-Reduktion verbinden. (Alois Pumhösel, 24.2.2018)