Das Sakrament heißt Chlordioxid. Es wird in der Papierindustrie als Chlorbleiche oder zur Desinfektion von Wasser und im Haushalt eingesetzt. Damit der Kunde sich nicht am Namen Chlordioxid stößt, hat der angebliche Wunderheiler Jim Humble seiner Medizin einen schönen Namen verpasst: "Miracle Mineral Supplement". In der Eso-Szene hat sich das Akronym MMS durchgesetzt. Das angesprochene Chlordioxid entsteht dann, wenn MMS – eine gifitige Lösung aus Wasser und Natriumchlorit – mit einem "Aktivator" in Berührung kommt, Zitronensäure etwa. Das Gas, das dabei entsteht, verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden, soll aber laut Vertreibern gegen Krebserkrankungen, AIDS, Autismus und Demenz helfen.

Das Wunder im Dschungel von Guyana

Damit das "Miracle" im Namen von Humbles Medizin einen Sinn macht, wird von ihm und seinen Freunden eine schöne Geschichte mitgeliefert. Humble war einst als Goldgräber im Dschungel Südamerikas unterwegs. Ein Träger erkrankte an Malaria und weit und breit gab es keinen Arzt und keine Medizin. Humble musste handeln, und was liegt da näher, als dem Kumpel ein wenig Desinfektionsmittel einzuflößen? Das Magazin für "alternative Heilungsmethoden" "Spirit of Health" berichtet über das Wunder im Dschungel von Guyana: "Es dauerte nur wenige Stunden bis sich das 'Wunder' offenbarte. Die Kranken fingen an Witze zu machen und fühlten sich angeblich besser. Jim konnte nicht fassen, was da passiert war. Hatte er tatsächlich ein Mittel gegen Malaria entdeckt?"

Die MMS-Tropfen sollen gegen allerlei Krankheiten helfen.
Foto: www.istockphoto.com/at/portfolio/amy_lv

Humble dankte Gott für das bahnbrechende Zeichen in Sachen Medizin. Und von nun an musste er nicht mehr im Dschungel nach Gold schürfen. Von nun an sollte Humble MMS verkaufen.

Ein simples Narrativ 

Der Erfolg erfordert ein simples Narrativ zur Wirkung von MMS: Das freigesetzte Chlordioxid stürzt sich auf sauerstoffarme, anaerobe und negativ geladene Zellen wie Viren und Tumorzellen und lässt diese explosionsartig oxidieren. Die kranken Zellen sterben dabei ab. Um gesunde Zellen macht das Gift indes einen Umweg. Dazu gehört natürlich auch eine Brise Verschwörung. Schon kurz nach den ersten bahnbrechenden Erfolgen im Kampf gegen die Malaria habe es Drohungen gegen Humble in Guyana gegeben. Die "Pharma-Mafia" hatte Wind von der bahnbrechenden Entdeckung bekommen und die lässt sich die Butter bekanntlich nicht vom Brot nehmen:

"Ein Pharmakonzern hatte den Präsidenten angerufen und damit gedroht keine Medikamente mehr ins Land zu bringen, wenn man den Malaria-Mann nicht sofort stoppen würde.Das Telefonat endete mit der Warnung, dass er das Gefängnis in Guyana bestimmt nicht mögen würde. Jim hatte verstanden und flüchtete in den Dschungel, wo er mehrere Monate ausharrte, bis er sich sicher war, dass man nicht mehr nach ihm suchte."

MMS – Allheimittel mit allerlei Nebenwirkungen

Humble kehrte aus dem Urwald zurück und der Siegeslauf von MMS sollte kein Ende nehmen: MMS heilt Malaria, Krebs, Aids, Autismus und vieles mehr, sagen Humble und seine Anhänger. MMS ist ein gesundheitsschädliches, gefährliches Zeugs, warnen die Gesundheitsbehörden vieler Länder. Das deutsche Institut für Arzneimittel warnt mit dem Hinweis auf Fälle von Erbrechen, Atemstörungen und Hautverätzungen nach der Einnahme von MMS.

Doch machten die Behörden damit zumindest in den USA die Rechnung ohne Archbishop James Vern Humble, oder auch Jim Humble genannt. Eine Kirche hat er aus recht pragmatischem Grund ins Leben gerufen, wie das MMS-Sprachrohr "Spirit of Health" offen verrät: "Die von Jim gegründete Kirche hatte nie einen religiösen Hintergrund, sondern wurde als Werkzeug ins Leben gerufen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben MMS "legal" durch ein "Sakrament" einnehmen zu können."

Ein Sakrament, das nach Hallenbad riecht

Auf der Webseite der Kirche "Genesis II – Church of Health and Healing" gibt es einen Webshop für sakramentale Chlorbleiche und Co. Humbles Kirche ist vermutlich die einzige Kirche, deren Sakramente streng nach Hallenbad durften.

Sakramente, unromantisch: der Duft von einem Hallenbad.
Screenshot : Genesis II

Therapie mit dem Müllsack

Für die Einnahme des Sakraments gibt es laufend Produktneuentwicklungen, die mitunter auch launigen Charakter haben – der "MMS Gas-Sack" zum Beispiel:    

"Besorge Dir eine große Plastiktüte, in die Du stehend bis zum Hals vollkommen verschwinden könntest. Zur Not klebe zwei große Tüten an ihrer Öffnungsseite mit einem Klebeband zusammen, und schneide auf der einen Seite den Boden heraus. […] Außer der Tüte benötigst Du noch eine mittelgroße Glas- oder Keramikschale. Aktiviere 40-60 Tropfen MMS in dieser Schale und verwende kein Wasser dazu. Stelle die Schale in die Mitte der aufgeschlagenen Tüte und steige nun entkleidet in die Tüte so ein, dass die Schale zwischen Deinen Beinen ist und nicht umgekippt werden kann. Ziehe nun die Tüte an den Rändern bis zu Deinem Hals hoch und verschließe die Öffnung mit Deinen Händen am unteren Hals. In dieser Position sollte nur noch Dein Kopf aus der so geschlossenen Tüte herausschauen. Dies ist wichtig, weil das entstehende Gas an Deine Haut soll und nicht in Deine Lunge. Führe Diese Anwendung dennoch in gut belüfteten Räumen durch." In einem Video-Tutorial führt weist uns der Meister persönlich in die Anwendung ein:

Ali Erhan MMS-Seminare nach Jim Humble
Jim Humble in seinem Gassack.
Screenshot: Youtube

MMS-Generator im Handumdrehen  

Etwas handfester ist diese Weltneuheit: der Chlordioxid-Generator. Mit ihm kann man im Handumdrehen und unter anderem über einen USB-Anschluss das heilige Sakrament der Chlorbleiche hergestellt werden. Das Produkt wird in der aufwendig gestalteten und 60-Seiten starken Broschüre für den "Spirit of Health"-Kongress 2018 beworben.

MMS zum Selbermachen: mit USB-Anschluss.
Screenshot: Spirit of Health Magazin

MMS-Spektakel in Berlin

Bei der Veranstaltung in Berlin am kommenden Wochenende ist Humble als Keynote-Speaker vorgesehen. Die Veranstaltung gilt gemeinhin als Verkaufsmesse für MMS und ähnliche Produkte, Veranstalter ist der Verlag Jim Humbles. Der Kroate Braco wird ebenfalls kurz vorbeischauen. Der österreichische Beitrag zu dem Kongress ist der Impfgegner Johann Loibner. Er wird in der Kongress-Broschüre so angekündigt: "Hartnäckig hält sich die Hypothese, also die nicht bewiesene Annahme, viele Krankheiten entstünden durch Krankheitserreger. Die Frage, ob eine so genannte Infektion nicht mehr über das infizierte Lebewesen und dessen Milieu aussagt, das über entsprechende Symptome zum Ausdruck kommt, als über den 'Erreger', wird dabei zumeist nicht gestellt." Loibner wurde im Jahr 2009 von der Ärztekammer die Approbation entzogen, der Verfassungsgerichtshof hob die Entscheidung 2013 auf.

Noch ein Kirchengründer: Ivo Sasek

Berührungsängste mit anderen "Kirchen" kann man Humble nicht nachsagen. Ein Referent beim Kongress ist auch der Schweizer Ivo Sasek, Gründer der gemeinhin als Sekte eingestuften Organischen Christus Generation (OCG). Sasek ist gelernter Automechaniker und wird in Berlin über die "Gesetzmäßigkeiten der Heilung" referieren. Man möchte fast darauf wetten, dass Humble und seine Chlorbleiche kein Fett abbekommen. (Christian Kreil, 1.3.2018)  

Die Bewertung der Stiftung Gurutest:

  • Esoterikfaktor: ★☆☆☆☆ 
  • Pseudomedizinfaktor: ★★★★★ 
  • Verschwörerfaktor: ★★☆☆☆ 
  • Rechtsaußenfaktor: ☆☆☆☆☆ 
  • Marketinggeniefaktor: ★★★☆☆

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