Manila – Rodrigo Duterte blieb dem Festakt fern. Der Präsident hatte wie schon im Vorjahr für die Gedenkveranstaltung zum 32. Jahrestag des philippinischen Aufstandes gegen Diktator Ferdinand Marcos keine Zeit und begnügte sich lediglich mit einer Grußbotschaft. Duterte sagte darin, er hoffe, die Gedenkfeier werde die "Einheit und Solidarität" stärken. "Lasst uns unsere Demokratie weiterhin bereichern, indem wir unsere Bürger stärken, ihre Rechte verteidigen und die Institutionen stärken, die ihre Freiheiten schützen", erklärte der Präsident.

So oblag es dem Expräsidenten Fidel Ramos, die Feierlichkeiten auf der Epifanio de los Santos Avenue, kurz EDSA genannt, anzuführen. Diese Hauptverkehrsader der Region Metro Manila zieht sich ringförmig um die ganze Stadt, nach ihr ist die "EDSA-Revolution" gegen Marcos benannt. Ramos war eine der Führungspersönlichkeiten bei dem unblutigen Sturz Marcos', und er ist einer der Mentoren Präsident Dutertes. Trotzdem äußerte er bereits mehrfach Kritik an ihm, so auch bei der Revolutionsfeier: "Sie sollten an diesem Tag alle hier sein statt anderswo, denn dies ist der wichtigste Tag", sagte er über die beinahe geschlossen absente Regierung.

Ex-Präsident Fidel Ramos nahm an der Gedenkveranstaltung am Sonntag teil.
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Friedlicher Umsturz

Im Jahr 1986 hatte Marcos seine Macht endgültig überspannt. Seit der Ermordung des Oppositionsführers Benigno Aquino Jr. im August 1983 hatte sich eine breite Bürgerbewegung gegen den Diktator organisiert. Marcos sah sich gezwungen, Wahlen anzusetzen, bei denen Benignos Witwe Corazon Aquino gegen den Langzeitherrscher antrat. Es kam zu massiven Fälschungen, sowohl Marcos als auch Aquino reklamierten den Wahlsieg für sich. Am 22. Februar 1986, zwei Wochen nach der Wahl, begannen Teile des Militärs unter Verteidigungsminister Juan Ponce Enrile und General Fidel Ramos zu meutern und besetzten Radiostationen, Militärbasen und den Flughafen von Manila.

Manilas Erzbischof Kardinal Jaime Lachica Sin rief in einer Botschaft auf Radio Veritas die Philippiner auf, die aufständischen Soldaten zu unterstützen und vor den Truppenteilen zu schützen, die noch loyal zu Marcos blieben. Hunderttausende Menschen zogen daraufhin zu den Militärstützpunkten an der EDSA. Als schließlich Marcos' Truppen anrückten, verweigerten die Soldaten angesichts der Menschenmassen den Schießbefehl, und ein Großteil lief zur Opposition über. Marcos musste am 25. Februar mithilfe der USA ins Exil fliehen.

"Bester Präsident" Marcos

Dass Duterte die Revolutionsfeiern schwänzt, sollte nicht überraschen. Er hatte Marcos schon während des Präsidentschaftswahlkampfs als den besten Präsidenten bezeichnet, den die Philippinen jemals hatten – wegen seiner Reformbestrebungen, bevor er zum Diktator wurde. Erst unter Dutertes Regierung wurde Marcos im November 2016 auf dem Nationalen Heldenfriedhof in Manila beigesetzt, wo alle Präsidenten bestattet liegen – eine Würdigung, um die seine Familie lange gekämpft hatte. Imelda Marcos hatte den Leichnam ihres Mannes seit ihrer Rückkehr auf die Philippinen 1993 in einem Glassarg im Familienanwesen in Batac aufgebahrt. Zu den Kindern Marcos' hat Duterte eine gute Beziehung. Tochter Imee Marcos unterstützte als Gouverneurin von Ilocos Norte den Präsidentschaftswahlkampf Dutertes. Sohn Bongbong Marcos wollte angeblich als Vizepräsident mit Duterte kandidieren. Vergangenen September erklärte der Präsident, man solle nicht die Kinder für die Vergehen ihres Vaters verurteilen.

Sorge vor Ausdehnung des Kriegsrechts

Wie sehr dient also der gestürzte Diktator dem Präsidenten als Vorbild? Dass er wenig von Menschenrechten hält, hat Duterte in der Vergangenheit mehr als deutlich dargelegt.

In den vergangenen Monaten stiegen die Befürchtungen, Duterte könnte ein landesweites Kriegsrecht verhängen. Im vergangenen Mai hatte der Präsident wegen der Besetzung der Stadt Marawi durch Islamisten das Kriegsrecht über die Insel Mindanao verhängt. Zwei Monate später wurde das Kriegsrecht erstmals verlängert und mittlerweile bis Ende 2018 ausgedehnt. Duterte argumentierte die Notwendigkeit des Kriegsrechtes mit der Aktivität IS-naher Gruppen. Tatsächlich verlagern islamistische Terroristen ihre Aktivitäten bedingt durch die fortschreitende Niederlage des IS in Syrien und dem Irak verstärkt nach Südostasien.

Auch Marcos hatte seine Herrschaft auf dem Kriegsrecht begründet. Zwar demokratisch gewählt, verfing er sich in Guerillakriegen gegen die Moro National Liberation Front (MNLF) und später gegen ihren Ableger, die Moro Islamic Liberation Front (MILF) auf Mindanao und gegen die Neue Volksarmee (New People's Army, NPA), den militärischen Arm der Kommunistischen Partei (CPP). Auch Duterte befindet sich in einem Krieg gegen diese Organisationen. Im November 2017 waren die Friedensgespräche mit den kommunistischen Rebellen gescheitert, die Duterte zu Beginn seiner Amtszeit gestartet hatte. Nun will die Regierung NPA und CPP auf die Terrorliste setzen.

Blutiger Antidrogenkrieg

Duterte wird wegen seines kompromisslosen Antidrogenkrieges international heftig kritisiert. Seit Anfang Februar ermittelt der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag gegen Duterte aufgrund einer Anzeige eines philippinischen Anwalts wegen möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei der Vorgehensweise der Exekutive gegen Drogendealer und Drogenabhängige. Erst in der Nacht auf Donnerstag starben zehn Menschen bei Antidrogeneinsätzen der Polizei. Dabei agieren die Beamten verdeckt als potenzielle Käufer, wenn die Dealer bei der darauffolgenden Festnahme Widerstand leisten, werden sie erschossen. Seit Beginn von Dutertes Amtszeit Ende Juni 2016 sollen mindestens 4.000 Menschen getötet worden sein, 120.000 wurden nach Polizeiangaben verhaftet.

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Kämpfer der Neuen Volksarmee marschieren in den Sierra-Madre-Bergen südlich von Manila.
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Im Vorfeld der Revolutionsfeier demonstrierten am Freitag in Manila Studenten gegen eine heraufdräuende Diktatur und das Kriegsrecht auf Mindanao. Am Samstag protestierten katholische Pro-Life-Aktivisten gegen außergerichtliche Tötungen, die Wiedereinführung der Todesstrafe und einen Gesetzesentwurf zur Ermöglichung der Ehescheidung.

Am vergangenen Freitag demonstrierten Studenten in Manila gegen die Regierung Dutertes.
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Die erzkatholischen Philippinen sind eines der letzten Länder weltweit, in denen keine rechtliche Grundlage für eine Scheidung vorhanden ist. Die entsprechende Gesetzesvorlage war in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert, soll nun aber wieder zur Abstimmung gebracht werden. Duterte selbst hält sich zu diesem Thema zurück, Sprecher Harry Roque Jr. zitierte seinen Präsidenten am Montag dazu lediglich mit "kein Kommentar". "Er überlässt es dem Kongress", erklärte der Sprecher des Präsidentenpalastes Malacañang. Noch als Bürgermeister von Davao hatte Duterte in einem Interview gesagt, dass er zum Wohle der Kinder gegen die Scheidung sei.

Katholische Pro-Life-Aktivisten demostrieren gegen die Einführung der Ehescheidung.
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Am Wochenende jährte sich auch die Verhaftung der Senatorin Leila de Lima zum ersten Mal. Die Gegnerin Dutertes wurde 24. Februar des Vorjahres wegen des Vorwurfs festgenommen, in Drogengeschäfte verwickelt zu sein, und sitzt seither im Gefängnis. Im November erhielt sie den Friedenspreis der Liberalen Internationale – als zweite Philippinin nach Corazon Aquino im Jahr 1987.

Senatorin Leila de Lima bei ihrer Verhaftung am 24. Februar 2017.
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Vergangene Woche gab die Regierung bekannt, dass die Journalisten der Webseite "Rappler" künftig von der Berichterstattung aus dem Präsidentenpalast ausgeschlossen seien. Duterte habe das Vertauen verloren, da in dem Medium "Fake-News" verbreitet würden, sagte Roque. Rappler hatte berichtet, Dutertes Berater Christopher "Bong" Go hätte bei der Beschaffung von Fregatten der Marine "interveniert". Duterte erklärte daraufhin öffentlich, Rappler werfe mit "Müll und Scheiße" um sich. Am Donnerstag äußerte der Präsident die Vermutung, Rappler könnte von der CIA finanziert sein.

Sind all dies die Vorboten einer kommenden Diktatur auf den Philippinen? Geht es nach dem Marcos-Gegner und Duterte-Unterstützer Ramos, ist die Antwort ein klares Nein. Auf die Frage, ob der Präsident sich zu einem autoritären Führer entwickle, sagte der Revolutionsheld bei der EDSA-Feier, es gebe keinen autoritären Führer: "Er ist auf Flitterwochen", sagte Ramos.

Doch wie sieht Duterte sich selbst? Bei einem Treffen mit ehemaligen kommunistischen Rebellen, die er zu einem Essen in den Malacañang eingeladen hatte, bezeichnete er sich selbst als Diktator. "Wenn ihr Diktator sagt, dann bin ich ein Diktator. Wenn ich kein Diktator bin, wird in diesem Land nichts passieren." Bei einer früheren Gelegenheit hatte er allerdings gegenüber Soldaten erklärt, sie sollten ihn erschießen, wenn er die Verfassung verletzte und sich zum Diktator mache. Duterte sagte auch, es würde seine Mutter entehren, wenn er zum Diktator würde. Soledad Roa Duterte war eine deklarierte Marcos-Gegnerin. Dutertes Vater Vicente war hingegen Mitglied im ersten Kabinett Marcos'.

Ob nun der Schatten einer neuen philippinischen Diktatur heraufzieht oder nicht, Dutertes Regierung erfreut sich trotz der Proteste weiterhin großer Beliebtheit in der Bevölkerung. In einer Umfrage des Instituts Social Weather Stations zeigten sich im Dezember 2017 71 Prozent der Pinoys zufrieden mit Duterte. im Zufriedenheitsindex der quartalsweise erstellten Umfrage stieg der Präsident damit von "Gut" im September auf "Sehr gut". Damit näherte sich Duterte wieder den Beliebtheitswerten an, die er im ersten Jahr seiner Amtszeit erreicht hatte. (Michael Vosatka, 26.2.2018)